So war der „Polizeiruf“ aus Rostock Wenn das Erfolgsmodell Familie scheitert

Der Rostocker „Polizeiruf“ startet gut mit seiner neuen weiblichen Doppelspitze. Der Fall „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“ geht der drängenden Frage nach, was passieren kann, wenn Kinder Erwartungen nicht erfüllen.

 Katrin König (Anneke KimSarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann) verhören Pflegekind Emma.

Katrin König (Anneke KimSarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann) verhören Pflegekind Emma.

Foto: NDR/Christine Schroeder/NDR/Christine Schroeder"

Worum es ging Eine Frau und ihr schwerbehinderter Sohn werden tot aufgefunden. Der Rostocker Polizei stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Täter um einen verschmähten Liebhaber handelt oder ob das Motiv im Umfeld der Familie zu suchen ist. Dabei hat das „Polizeiruf“-Team andere Sorgen: Katrin König (Anneke Kim Sarnau) soll neue Chefin werden und will aber nicht, weil sie nach dem Weggang ihres Freunds und Kollegen Sascha leidet wie Hund. Und dann taucht noch dessen Halbschwester Melly Böwe (Lina Beckmann) auf, die eine Verbindung zum Nachbarsjungen und Pfegekind Max hat, dessen familiärer Hintergrund nebulös ist. Böwe will Max unbedingt beschützen, Katrin will alles zu ihm herausfinden – klar, dass es zwischen den beiden knirscht. Max ist seit dem Mord verschwunden und macht sich dadurch verdächtig, er ist eh schwierig, nimmt Drogen und prostituiert sich. Seine Pflegeeltern Jule und Holger Genth machen einiges mit ihm mit, dagegen ist Pflegeschwester Emma das Paradebeispiel eines vermeintlich perfekten Kindes. Sie erfüllt alle Erwartungen über, passt sich an und ist am Ende doch machtlos gegen Entscheidungen, die andere über ihr Leben treffen. Die zwei Polizistinnen Böwe und König müssen einiges an Empathie und Bauchgefühl mit einbringen, um diesen Fall zu lösen.

Worum es wirklich ging Darum, was passiert, wenn man immer wieder ankommt und immer wieder gehen muss, obwohl man nichts falsch gemacht hat und sich „nur“ die äußeren Bedingungen geändert haben. Die Genths bekommen schließlich nach einer langen Zeit des Wartens doch noch ein eigenes Kind und wollen keine pubertierenden Pflegekinder mehr haben. Immer wieder abgelehnt und aussortiert zu werden, ist schwer zu ertragen. Der Fall geht der drängenden Frage nach, was Kinder eigentlich für eine Familie bedeuten und was passieren kann, wenn sie Erwartungen nicht erfüllen, beziehungsweise Eltern meinen, Kinder auswählen zu können.

Was war gut Die Krimi-Fans können sich in „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“ nach dem Abgang von Kommissar Sascha Bukow (Charly Hübner) auf ein weibliches Duo freuen. Es wird weniger bollerig, dafür auf subtilere Art auch unterhaltsam. Ebenfalls gut agieren die beiden Jung-Schauspieler Alessandro Schuster (Max) und Paraschiva Dragus (Emma) in ihren Rollen als Pflegekinder.

Der Dank geht an Renault. Ein alter Twingo springt sicher öfters nicht an, selten mit so guten Folgen wie im „Polizeiruf“. Denn das heißt, Melly Böwe bleibt. Und in Rostock bleibt es menschlich spannend.

Der beste Spruch Das spätere Opfer war auf einer Dating-App unterwegs und hatte sich mit mehreren Männern getroffen und eingelassen. Die Ermittler Anton Pöschel und Volker Thiesler mokieren sich darüber und befinden: „Die Dame war gut unterwegs.“ Da platzt König der Kragen: „Sie hat sich von morgens bis abends abgekämpft und alles gegeben. Meinst du, die ist unfassbar geil oder einfach nur einsam gewesen?“ Bäm, der saß. Betretenes Schweigen.

Der schönste Dialog Katrin König wird von ihrem Chef Hennig Röder (Uwe Preuss) zu Hause abgeholt, so stellt er sicher, dass sie auch auftaucht. „Warum rufen Sie mich nicht einfach an?“, fragt sie. „Warum bohr‘ ich mir nicht ein Loch ins Knie und schmier Marmelade rein?“, antwortet er.

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