So wird der „Polizeiruf“ In Rostock bleibt alles in der Familie
Rostock/Düsseldorf · Es ist der erste Rostocker „Polizeiruf“ nach dem Abgang von Ermittler Bukow: Partnerin Katrin König leidet unter Trennungsschmerz, das Kommissariat ist führungslos, und dann kommt eine alte Bekannte zurück, die auch noch Muffins backt. An der Ostsee weht künftig eine wärmere Brise.
Katrin König (Anneke Kim Sarnau) kommt kaum aus dem Bett, strukturiert mit einer Meditationsapp ihren Alltag, hegt und pflegt einen Sauerteig, scheitert daran und lässt ihr Gesicht in den Teig fallen. Alles ist zu viel, wenig macht irgendwie einen Sinn, weil ihr Kollege und Gefährte Sascha Bukow (Charly Hübner) weg ist. Fort aus dem Kommissariat, fort aus ihrem Leben und nach fast zwölf Jahren und 24 Folgen fort aus dem Rostocker „Polizeiruf 110“ – es herrscht Trennungsschmerz auf allen Ebenen. Auch weil seine Nachfolge nicht geklärt ist. König will nicht, Pöschel auch nicht. Wird schwer.
Dann taucht Melly Böwe auf. Eine Polizistin aus Bochum, die zu Abbas „Dancing Queen“ perfekte Muffins backt und sie in einer Tupperdose für die Kollegen mitbringt. Die mit ihrer Tochter telefoniert, um ihr zu sagen, dass sie sie vermisst, und sich auf das Bett eines Tatverdächtigen legt, um sich in seine Welt reinzudenken. Ach ja, und sie ist Bukows Halbschwester und wird verkörpert von Schauspielerin Lina Beckmann – im echten Leben Hübners Ehefrau. Es bleibt alles in der Familie in Rostock.
Unterschiedlicher können zwei Frauen nicht sein, das wird die Spannung des neuen Teams im „Polizeiruf“ ausmachen. Auf der einen Seite die verkopfte, analytische König, die nur schwer Gefühle zulassen kann. Auf der anderen die besonnene, empathische Böwe. Sascha Bukow dealte mit der Unterwelt, beugte das Recht, wenn es seinem Empfinden von Gerechtigkeit entsprach. Unvorstellbar, dass die Neue sich auf solche Sachen einlässt. In Rostock weht künftig ein wärmerer Wind. „Mit Melly Böwe wird eine andere Stimmung Einzug halten“, sagt Schauspielerin Sarnau über die neue Figur an der Seite ihrer Rolle Katrin König. „Das Ganze wird in vielem eine andere Leichtigkeit erhalten.“
Der Fall „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“ ist hingegen nicht leicht, sondern vom Stoff her harter Tobak. Eine Frau wird erstochen in ihrer Küche gefunden, ihr hilfloser Sohn, durch einen Mountainbike-Unfall schwer behindert, stirbt Stunden nach ihr, offenbar weil sein Katheter nicht rechtzeitig gewechselt wird. König steht vor der Frage, ob er auch sterben sollte oder ob sein Ableben die tragische Folge des Todes seiner Mutter ist. Die Frau lebte von ihrem Mann getrennt, suchte Bekanntschaften über eine Dating-App. Der beste Freund des Jungen heißt Max (Alessandro Schuster) und ist ein Pflegekind, das bei der Familie Genth lebt. Melly Böwe kennt das Paar, sie hat Max dorthin vermittelt, weil sie sich für sein Schicksal verantwortlich fühlt. Sein Hintergrund bleibt lange unklar und trägt zur Spannung bei. Doch Max ist ein schwieriger Junge, er läuft weg, nimmt Drogen, prostituiert sich und hat auch ein Gewaltproblem. Anerkennung erfährt er wenig. Emma (Paraschiva Dragus), auch sie ein Pflegekind in der Familie, ist da ganz anders: fürsorglich, angepasst, unauffällig. Das Leben der Familie steht aber Kopf, weil es nun doch mit eigenem Nachwuchs geklappt hat und somit die Zukunft der Pflegekinder offen ist. Wie der Titel verspricht, kann man sich Familie nicht aussuchen. Doch das wollen die Genths, sie suchen sich Kinder aus, und wenn sie anstrengend werden oder ein besseres (eigenes) Kind kommt, wird die Rückgabe geprüft.
Die jungen Darsteller Paraschiva und Dragus Alessandro Schuster spielen stark, die Dynamik im neuen Team ist spannend. Rostock bleibt ein sehenswertes Ziel auf der Krimi-Landkarte.
„Polizeiruf 110: Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“, Das Erste, So., 20.15 Uhr