So war der „Polizeiruf“ aus Brandenburg Auf dem Schlachtfeld
Düsseldorf · In „Der Gott des Bankrotts“ hoffen alle auf Erlösung und finden sich in einem Gemetzel wieder. Der erste Fall von Vincent Ross nach dem Abgang seines Partners Adam Raczek ist Gesellschaftsdrama und Psycho-Studie zugleich. Und dabei ein ziemlich guter Krimi.
Darum ging es: Antoni Mazur (Frank Jendrzytza) war auf der Suche nach Erleuchtung, jetzt liegt er tot in einer Kiesgrube. Der Unternehmer war mit einer Gruppe Pilger auf dem Jakobsweg unterwegs, bevor sein Leben im nahen Tagebau in den Brandenburgischen Wäldern durch eine Kugel in die Brust beendet wurde.
Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und seine Kollegen tippen zunächst auf Erpressung als mögliches Motiv. Mazurs Betrieb ist bankrott, und Insolvenzanwalt Udo Schick (Bernhard Schir) hat Mazur und andere Klienten massiv unter Druck gesetzt und bei seiner Arbeit offenbar zu unlauteren Methoden gegriffen. Mazur und andere Betroffene hatten offenbar Beweise für die halbseidenen Geschäfte des Anwalts und seines Lebenspartners, Schuldnerberater Jonathan Hüter (Godehard Giese). Außerdem war Udo Schick zum Tatzeitpunkt nachweislich in der Nähe des Pilgerzuges: Angeblich, um seine mitpilgernde Tochter Maria (Anna-Maria Bednarzik) dazu zu bewegen, die Wallfahrt abzubrechen und stattdessen doch noch das Abitur nachzuholen. Wollte Schick seine Tochter wirklich nur zum Umdenken bewegen? Oder hat er die Gelegenheit genutzt, einen Erpresser aus dem Weg zu räumen?
Die Lösung des Falls: Einen Mord im engeren Sinne gibt es in diesem „Polizeiruf“ durchaus, doch sein Opfer war nicht Antoni Mazur. Der glücklose Unternehmer hat sich selbst getötet, in der Hoffnung, mit dem Geld aus seiner Lebensversicherung seine Familie unterstützen zu können. Dazu getrieben haben ihn Schick und – ausgerechnet – der so sanft und verständnisvoll auftretende Schuldnerberater Hüter. Und nicht nur bei Mazur zog die perfide Masche: Juliane Mai, Inhaberin einer insolventen Druckerei, hat sich vor Verzweiflung in der Schneidemaschine die Finger abgetrennt – nachdem Hüter ihr eingeredet hatte, dies sei der einzige Weg, nach der Aufgabe ihres Geschäftes genug Geld für die Behandlung ihrer kranken Tochter zur Verfügung zu haben.
Caroline Mai wiederum glaubt, der schmierige Schick sei dafür verantwortlich, dass sich ihre Mutter selbst verstümmelt hat – und wird aus Verzweiflung zur Mörderin: Sie überfährt den Insolvenzanwalt, nicht ahnend, dass es der sanfte Hüter ist, der die Gesundheit ihrer Mutter auf dem Gewissen hat.
Darum ging es wirklich: Um die Tiefen der menschlichen Abgründe. Darum, wozu Menschen fähig sind – aus Habgier, Liebe, Verzweiflung. Darum, was Geld oder vielmehr der Mangel desselben mit Seelen und Existenzen anstellt.
Vor allem aber geht es um die Beziehungen der Männer, die in diesen Fall verstrickt sind: Um die von Vincent Ross und dem Polizei-Urgestein Karl Rogov (Frank Leo Schröder), der eher zufällig in den Fall hineingerät und dem alle Kollegen, außer Ross, zunächst mit Misstrauen und Ablehnung begegnen. Zum ersten Mal in seinem Berufsleben scheint Rogov Respekt zu erfahren, ausgerechnet von diesem jungen Kommissar mit den geschminkten Augen und den hochhackigen Schuhen, der Rogov in seiner Unangepasstheit viel näher ist, als der Polizei-Veteran sich vorstellen konnte.
Und es geht um die Beziehung von Udo Schick und Jonathan Hüter, in der wiederum die Liebes- und Machtverhältnisse anders sind, als es zunächst scheint. Schick, nach außen schmierig und mit Alpha-Männchen-Aura ausgestattet, findet weder zu seiner Tochter noch zu seinem Mann einen Zugang, ertränkt seinen Kummer in Alkohol und merkt nicht, dass auch er von Hüter letztlich manipuliert wird.
All diese Männer taumeln durch Gewalt und Zärtlichkeit, Liebe und Hass, Triumph und Niederlage auf dem Schlachtfeld der Zwischenmenschlichkeit. Insofern erinnert der Titel dieses Krimis nicht zufällig an den eines berühmten Theaterstückes von Yasmina Reza: Auch das hier ist ein Gemetzel, in dem alle verwundet werden. Und die Schlacht ist noch lange nicht vorbei, Erlösung nicht in Sicht.
Der beste Spruch: Vincent Ross zu seinem Kollegen Marian Kaminski aus der Pathologie, nachdem dieser mal wieder auf wenig jugendfreie Weise über Karl Rogov geflucht hat: „Du bist heute so analfixiert. Willst du mir damit irgendetwas sagen?“
Das war schwach: So reizvoll die Idee ist, dass sich ausgerechnet der freundliche Jonathan Hüter als sadistischer Bösewicht herausstellt – Hüters wirkliche Motivation bleibt im Dunkeln. Geht es ihm um Geld? Oder doch eher um die Macht, die er ausüben kann – über seine Klienten, seine Tochter und letztlich auch seinen Mann? Die Antwort, dass es sich um letzteres handelt, liegt nahe, aber richtig befriedigend gerät dieser Schluss nicht. „Einige schaffen es“, sagt Hüter selbst dazu. „Und andere muss man verloren geben.“ Allein warum das so ist, bleibt sein Geheimnis. Zumindest für den Moment, denn dieser „Polizeiruf“ ist auf Fortsetzung angelegt.