„Polizeiruf“ aus Magdeburg Die Hölle, das sind die anderen

Magedburg/Düsseldorf · In „Hexen brennen“ bekommt es Ermittlerin Doreen Brasch mit schwarzer Magie zu tun. Und das ist nicht einmal das Gruseligste an diesem Fall.

Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ermittelt in einem unheimlichen Mordfall.

Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ermittelt in einem unheimlichen Mordfall.

Foto: dpa/Conny Klein

Es geht ja schon einigermaßen absurd los: „Polizeiobermeister Bauer aus Thalrode“, meldet sich die Stimme am Telefon bei der Kriminalpolizei Magdeburg. „Wir haben hier ein Problem mit einer Hexe…“

Nein, geheuer ist Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) dieser Fall von Anfang an nicht. Und das liegt nicht nur an der Grausamkeit des Verbrechens, zu dessen Aufklärung sie gerufen wird: Am Fuße des Brockens wird am Morgen nach Halloween die verkohlte Leiche einer jungen Frau gefunden. Wie sich herausstellt, starb Tanja Edler, Tochter einer Hotelbesitzerin im Ort, nicht in den Flammen des sogenannten Hexenfeuers: Sie wurde zu Tode gefoltert, mit mittelalterlichen Inquisitionswerkzeugen. Bei ihren Ermittlungen im Städtchen Thalrode stößt Brasch überdies auf allerlei unheimliche Gestalten. Die Mitglieder des ominösen Frauenzirkels, mit denen sich Edler jede Woche im Morgengrauen traf, und der undurchsichtige Besitzer eines Hexenladens, in dem neben allerlei touristischem Folklorekram auch umfassende Literatur zur Hexenverfolgung angeboten wird, sind da nur die Spitze des Blocksbergs. Auch sonst scheint es in dem beschaulichen Ort nicht mit rechten Dingen zuzugehen – tote Hunde, ein schwarzer Vogel, der den Weg zum Tatort weist, Stimmen aus dem Jenseits… Oder spielt Braschs Phantasie ihr einfach nur einen Streich?

Gruselig genug ist schließlich auch das weltliche Volk in Thalrode: Tanjas Mutter Stefanie Edler (Gabriela Maria Schmeide) etwa, die ihren Sohn Reiko (Pit Bukowski) in der Küche ihres Hotels beschäftigt, ihn verachtet, wie einst seinen Vater, und trotzdem nicht von ihm loskommt. Der alte Dorfarzt Petersen (Michael Schweighöfer), der, ganz Klischee des alten weißen Mannes, mit seinen Kumpels in der Kneipe versackt und dabei sexistische Sprüche klopft, wenn er nicht gerade Leberwurst mampfend seine Frau beleidigt. Oder der alte Georg Kopp (Hermann Beyer), der gerne Tierwitze erzählt und nachts durch den Ort zieht und Eichenzweige verbrennt, weil das gegen Hexen schützen soll.

Als noch ein zweites Opfer auftaucht, ist Brasch sich schnell sicher: Da ist ein Mörder unterwegs, der aus purem Hass und mangelndem Selbstwertgefühl Frauen tötet, die keine Lust mehr haben auf den patriarchalischen Traditionsmief, der durch die Gassen des pittoresken Fachwerkdorfes wabert. Aber ist die Angst vor einer feministischen Zeitenwende wirklich Motiv genug für ein mittelalterliches Inquisitionsspektakel?

Es gibt einiges, was man an „Hexen brennen“, wie der „Polizeiruf“ treffenderweise heißt, genießen kann: Tolles Schauspiel, etwa von Gabriela Maria Schmeide als Stefanie Edler, die zwischen Verzweiflung über den Tod ihrer Tochter und tiefer Hassliebe zu ihrem Sohn oszilliert und dabei glaubhaft das eigene Lebenstrauma transportiert. Außerdem Landschaftsaufnahmen, die den Betrachter in den Himmel über dem Brocken heben, nur um das Auge dann gnadenlos in die Hölle der zwischenmenschlichen Widerlichkeiten zurückzustoßen. Für einen wirklich gelungenen Krimi ist das indes zu wenig oder eher: von allem zu viel.

Zu viele Figuren, deren angedeuteter Komplexität die Geschichte nicht gerecht werden kann und die deshalb so blass bleiben, wie die Fachwerkhäuser hinter den Nebelschwaden, die durch die Straßen von Thalrode ziehen. Auch mit der Symbolik wird verschwenderisch umgegangen, was kein Problem wäre, käme sie nicht so aufgesetzt und unmotiviert daher.

Was bedeuten die beiden, stets gleich gekleideten Schwestern, die scheinbar grundlos in Braschs Nähe auftauchen, um mit ernsten Mienen lebenskluge Sätze von sich zu geben? Handelt es sich um eine Hommage an Macbeth? Oder wollten Regisseurin Ute Wieland und Autor Wolfgang Stauch doch eher das gruselige Geschwisterpaar aus Stanley Kubricks Horrorklassiker The Shining zitieren? Allein: Zu welchem Zweck? Auch die Mutter der Mädchen, die Dorfpfarrerin, hat keine echte Funktion – außer vielleicht die, daran zu erinnern, dass es inmitten des Hexenkults auch noch eine christliche Glaubensgemeinschaft im Ort gibt. Und dann sind da noch die Käfer, die Petersen und Reiko Edler per Post geschickt bekommen, und die Letzterer in der Hotelküche im Smoothie ertränkt. Das alles dient dem Grusel- und Ekelfaktor. Die Filmhandlung allerdings bringt es nicht weiter.

Im zweiten Teil immerhin verdichtet sich die Geschichte, die Handlung wird vorangetrieben. Das nützt zwar der Spannung, kann aber den faserigen Anfang nicht mehr ausgleichen, und bei der Lösung des Falls bleibt überdies die Logik auf der Strecke.

Was will dieser „Polizeiruf“ sein? Familiendrama? Ost-West-Studie? Gruselfilm? Weil er sich nicht entscheiden kann, wirkt „Hexen brennen“ bis zum Schluss wie ein unfertiges Gemälde, dessen Schöpfer irgendwann den Pinsel weggelegt und sich aus dem Staub gemacht hat. Immerhin: Das, was er bis dahin gemalt hat, ist nett anzusehen.

„Polizeiruf 110 - Hexen brennen“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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