„Polizeiruf 110“ Der Dreck von damals

Rostock · Im Rostocker „Polizeiruf“ wird eine Rechtspopulistin ermordet. Ein Flüchtling ist verdächtig. Leider holt der Drehbuchautor an der ein oder anderen Stelle den Holzhammer raus.

 Der Ermittler Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) müssen in einem politisch brisanten Fall ermitteln.

Der Ermittler Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) müssen in einem politisch brisanten Fall ermitteln.

Foto: dpa/Sandra Hoever

Ein Gespür für gutes Timing haben die Programmdirektoren der ARD nicht unbedingt. Nach mehreren Episoden des sich nun in der Sommerpause befindlichen „Tatort“ stellt auch der „Polizeiruf 110“ aus Rostock die neue rechte Szene in den Fokus. Wer zwischen den Sonntagabenden die öffentlich-rechtlichen Sender eher meidet, könnte auf die Idee kommen, dass nichts anderes mehr guten Stoff für Krimis bietet außer Reichsbürgern und Rechtspopulisten. Wen dieses Thema noch nicht nervt, wird „In Flammen“, den neuen Fall aus Mecklenburg-Vorpommern, gleichwohl interessant finden.

Sylvia Schulte kandidiert für die PFS als Oberbürgermeisterin für Rostock. Die Farben der Partei, blau und rot, erinnern nicht bloß subtil an die der real existierenden Partei AfD. Der Zuschauer erlebt eine Wahlkampfrede Schultes, in der sie die Zuhörer in einer Halle Rostocks auffordert, sich ihr Land zurückzuholen. „Wir sind das Volk“, skandiert Schulte und ihr Publikum folgt. Nur wenige Augenblicke später liegt sie auf einem Acker, wird mit Spiritus übergossen, und folglich, ohne größere Worte, verbrannt.

Was der Krimi im Anschluss bietet, ist ordentlich. Die Kommissare Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (immer wieder großartig: Charly Hübner) suchen nach einem Mörder, landen im völkischen Siedlermilieu Mecklenburg-Vorpommerns, überprüfen ihre politische Haltung, hadern im Falle Bukows mit der Erziehung zweier Söhne und müssen sich einem Disziplinarverfahren stellen. Manches davon ist erwartbar, das meiste aber, wie so oft bei den Rostocker Ermittlern, eher nicht. In welchem Tempo Bukow zwischen liebkosendem Kumpel und ätzendem Haudrauf-Kommissar changieren kann, verblüfft einmal mehr.

Freilich spielt auch dieser Film – wie so oft, wenn Drehbuchautoren sich an dieses Thema wagen – mit Stereotypen. Ein syrischer Flüchtling muss her, der die Paragrafen der Strafprozessordnung auswendig zitieren kann, weil er neben seinem Job als Assistent der rechtspopulistischen Politikerin Schulte auch noch Jura studiert (die Strafprozessordnung lernt man da allerdings erst recht weit am Ende). Weil Karim Jandali (Atheer Adel) eine Affäre mit Schulte hatte, wird er recht schnell verdächtig. Er wirft den Kommissaren Rassismus vor, sie ihm einen Mord.

Etwas überdreht ist das Drehbuch, wenn ausgerechnet dieser syrische Flüchtling Jandali im Kreuzverhör die rechtspopulistischen Phrasen der PFS verhört. Die Lehre, dass man es sich mit solchen Politikern nicht zu leicht machen darf, weil ja offenbar sogar Flüchtlinge sie gut finden, kommt mit dem Holzhammer daher.

König und Bukow landen bei ihren Ermittlungen auch bei einer skurrilen Vereinigung von Anhängern des Deutschen Reichs, die gern Fackeln, schwarz-weiß-rote Flaggen und Brot backen mögen. Auch hier möchte man an überzeichnete Figuren glauben, doch in der Tat gibt es solche Orte. Der Drehbuchautor Florian Oeller hat im Milieu der völkischen Siedler in Mecklenburg-Vorpommern (genauer: in Güstrow) recherchiert und seine Lehren in den Film transferiert. Die Erscheinungsform „eines neuen Faschismus“ haben Oeller beim Schreiben inspiriert.

Nachdem der Dreck der Vergangenheit in dem Film durch den Osten des Landes weht, verblüfft das Ende durchaus. Einem „Polizeiruf“, in dem der Leiter der Mordkommission „Gesichtsbuch und Zwitscher“ statt Facebook und Twitter sagt, und ein Kommissar sagt, dass die Medien eh nur noch „Fake News“ berichteten, hätte man so viele Wendungen gar nicht zugetraut.

(her)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort