So war der „Polizeiruf 110 - Hermann“ Es rollt das „R“ beim bösen Deutschen

Der Frankfurter „Polizeiruf“ hat sich nicht weniger als die Aufarbeitung der deutschen Geschichte vorgenommen – ein Versuch, der scheitert. Weil man auf die Wirkung eines Mannes nicht vertraut hat.

 Schmerzhafte Rückkehr: Zvi Spielmann (Dov Glickmann, r.) und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) besuchen die alte Wohnung, in der der alte Mann als Kind gewohnt hat.

Schmerzhafte Rückkehr: Zvi Spielmann (Dov Glickmann, r.) und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) besuchen die alte Wohnung, in der der alte Mann als Kind gewohnt hat.

Foto: rbb/Maor Waisburd

Worum ging es? Um ein Stück deutsche Geschichte. Zvi Spielmann (Dov Glickman) wurde in Cottbus geboren, dann mit seiner Familie deportiert, nun ist er mit seiner Tochter zurückgekehrt, um den Anspruch auf sein Elternhaus vor Gericht durchzusetzen. An der Immobilie haben viele Interesse: Elisabeth Behrend (Monika Lennartz), damals ein Nachbarskind, sieht sich durch einen Schenkungsvertrag als rechtmäßige Besitzerin. Auch Immobilien-Entwickler Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf) versucht, sich das Grundstück zu sichern, und ist einen Deal mit den Spielmanns eingegangen. Doch bei den Besitzverhältnissen scheinen alle zu lügen. Eine Bau-Ingenieurin hatte ein belastendes Dokument gefunden – das war der Grund dafür, dass sie umgebracht und in einem Bauschuttcontainer versteckt wurde. Weil die Leiche in Polen gefunden wird, fährt Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) nach Cottbus.

Wie war es? Regisseur Dror Zahavi hat im Kern eine berührende Geschichte mit wichtigen Fragen nach Schuld und Vergebung entwickelt. Mit dem israelischen Schauspieler Dov Glickman (auch bekannt als Rabbiner in der Netflix-Serie „Shtisel“) ist ihm bei der Besetzung als Zvi Spielmann, der vor seiner Emigration nach Israel Hermann geheißen hat.ein Glücksgriff gelungen: Dessen Spiel des heimkehrenden Juden, den Ängste, Heimatlosigkeit und Erinnerungen quälen, ist wahrlich famos. Aber leider vertraut auch Drehbuchautor Mike Bäuml nicht der Kraft dieser Geschichte, sondern drapiert zu viele Dinge drumherum. Der Konflikt zwischen Raczek und seinem alten Dienststellenleiter erschließt sich nicht, ebensowenig was dessen Freundschaft mit dem Sohn von Elisabeth Behrend mit dem Fall zu tun hat. Behrends Sohn Jakob sagt Sätze wie „Die Tochter vom Juden“ oder „Die Juden, die lügen“. Wachsender Antisemistismus wird so angedeutet, aber nicht wirklich diskutiert. Auch die moralische Verantwortung der alten Dame an der Deportation der Familie wird an  Spielmanns Krankenbett irgendwie weggestreichelt. Vielleicht ist das alles zu viel – so bleiben allenfalls Schlaglichter, die zu wenig selbsterklärend sind und den richtigen Fokus des Falls zu sehr verengen – Zvi Spielmanns Rückkehr hätte vollkommen genügt.

Ebenfalls übertrieben ist, dass der Immobilien-Hai in einer Szene das R in „Rrrrrrrrraus, sofort!“ wie in besten Wochenschau-Zeiten rollt. Dabei ist es eigentlich eine berührende Szene, weil er zuvor mit „Am Arsch“ zwei Wörter benutzt, die der alte Mann mit seiner Zeit im KZ verbindet, weil damit SS-Leute Misshandlungen oder Erschießungen einleiteten. Das ruft bei ihm Erinnerungen wach, und es kommt zu einem emotionalen Ausbruch. Mit dem Zerrbild eines bösen Deutschen wird es aber nahezu grotesk. Im Umfeld des umtriebigen Grundstücks-Entwicklers ist natürlich auch der Täter zu finden. Und natürlich hatte er auch versucht, die jüdische Familie über den Tisch zu ziehen.

Die lustigste Szene Raczek hat in Cottbus bei seinem Dienststellenleiter verbrannte Erde hinterlassen. Laut dem Kommissar traut Markus Oelßner immer noch „keinem Polen, der nicht im Knast sitzt“. Da hat der polnische Kommissar natürlich schlechte Karten. Umso witziger ist es, dass er seinen alten Chef in einer Szene begrüßt mit einem sprachlich inkorrektem „Gibt’s Problem?“ und ihn damit auf die Schippe nimmt.

Warum war Radzek allein?  Dem Ermittler ist Partnerin Olga Lenski abhanden gekommen. Schauspielerin Maria Simon ist nach zehn Jahren aus dem „Polizeiruf“-Team ausgestiegen. In diesem Übergangsfall bekam er die Cottbusser Kollegin Alexandra Luschke (Gisa Flake) an die Seite. Sie funktionierten gut zusammen. Es bleibt aber wohl eine einmalige Kooperation: Im nächsten Krimi aus Frankfurt/Oder, der im ersten Quartal 2022 zu sehen sein wird, steigt André Kaczmarczyk ein, Ensemblemitglied am Düsseldorfer Schauspielhaus.

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