Online-Coaching-Projekt Meister mit Makeln

Berlin · Schauspieler Heiner Lauterbach hat mit „Meet your Master“ ein Online-Coaching-Projekt ins Leben gerufen. Stars wie Bestseller-Autor Sebastian Fitzek geben dabei gegen eine Gebühr ihr Wissen weiter. Doch was taugen die Kurse?

 Heiner Lauterbach spricht über das Erarbeiten einer Rolle und über den Alltag am Set.

Heiner Lauterbach spricht über das Erarbeiten einer Rolle und über den Alltag am Set.

Foto: Meet your master/Meet your Master

Das Leben ist ein Langstreckenlauf, bei dem alle mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen starten – wer am Ende ankommt, ist nicht ausgemacht. Heiner Lauterbach weiß, wie man so eine Phrase sagt, dass sie interessant klingt, ist er doch jemand, der hierzulande als Schauspieler erfolgreich, also „angekommen“ ist. Da liegt es nah, diese Expertise weiterzugeben an diejenigen, die noch am Startblock stehen und sich fragen, wie das denn so genau funktioniert mit dem Leben und der Karriere.

Was könnte effektiver sein, als von den Großen, den Arrivierten zu lernen, den Meistern ihres Fachs, dachte sich der 66-Jährige und hob mit seiner Frau Viktoria das Online-Coaching-Projekt „Meet your Master“ aus der Taufe. Bislang sechs „Meister“ offenbaren dabei im Idealfall ihre Berufsgeheimnisse, plaudern aus dem Nähkästchen und verraten praktische Tipps. Natürlich nicht umsonst. Rund 90 Euro kostet ein Videokurs (www.meetyourmaster.de), der bis zu neun Stunden Laufzeit hat. Danach, so das Versprechen, steht dem Erfolg nichts mehr im Weg. Zumindest fast nichts. Will das Glück laut Altmeister Lauterbach doch auch ergriffen werden.

An derartigen Binsenweisheiten mangelt es nicht, schaut man einmal intensiver hinein in die angebotenen Seminare. Aber sie bleiben, zumindest bei den von uns näher betrachteten Ausführungen von Lauterbach und Bestsellerautor Sebastian Fitzek, Garnitur. Neben den Genannten lassen sich derzeit Coachings mit Til Schweiger („Filmemachen“), Nico Hoffmann („Filmproduktion“), Alfons Schuhbeck („Kochen“) und Jonas Kaufmann („Gesang“) buchen. Demnächst sollen unter anderem Thomas Gottschalk, Senta Berger und Jürgen Klopp hinzustoßen. Eine illustre Runde aus A-Prominenten also, in Anlehnung an das ebenfalls hochkarätig besetzte Vorbild „Masterclass“ aus den USA, bei dem beispielsweise Regisseur Werner Herzog sowie die Schauspielerinnen Jodie Foster und Natalie Portman online zahlungswillige Anfänger unterrichten. Wobei unterrichten dann doch etwas hochgegriffen scheint: teilhaben lassen an ihrem eigenen künstlerischen Werdegang und Gestaltungsprozess. Was aber, wenn es gelingt, durchaus von Gewinn sein kann – und zwar nicht nur für diejenigen, die die Gebühren kassieren.

 Schriftsteller Sebastian Fitzek versucht in 529 Minuten Zuschauern seine Sicht aufs Schreiben zu vermitteln.

Schriftsteller Sebastian Fitzek versucht in 529 Minuten Zuschauern seine Sicht aufs Schreiben zu vermitteln.

Foto: Meet Your Master

Lauterbach weiß seine Zuschauer auf jeden Fall zu fesseln, er beherzigt eigene Tipps wie den, einer Figur nur mit der Stimme Leben einzuhauchen. Im leeren Zuschauerraum oder auf der Bühne eines Theaters sitzend berichtet er – im Duktus irgendwo zwischen professoral und jovial – davon, wie er eine Rolle erarbeitet, mit dem Text umzugehen ist oder man sich auf einem Filmset benimmt. „Seid bescheiden, nicht ungeduldig, fragt den Regieassistenten.“ Er berichtet davon, wie er selbst als junger Nachwuchsdarsteller ahnungslos in eine Aufnahme hereinplatzte und damit auf die harte Tour lernte, sich vorab schlau zu machen. Das sei sein Mantra geworden: Sei gut vorbereitet, versucht euch gegenseitig zu helfen. Banal, aber sicher nicht verkehrt.

Das Meiste wird nur hingeworfen, angerissen, doch nicht mal Lauterbach hat den Anspruch, in 417 Minuten aus einem Anfänger einen Top-Schauspieler machen zu können. Es geht in 24 Kapiteln ums Drehbuch, um Konzentration, um das Erarbeiten einer Rolle, um die Regie und den Alltag eines Schauspielers. Er erklärt, dass die Körpersprache wie ein Fingerabdruck einer Figur sei, und sich mit geringen äußerlichen Veränderungen ein Charakter formen lasse, macht als Übung vor, wie man als Marionette über die Bühne wackelt. „Du musst den eigenen Körper kennen“, mahnt er und ermuntert seine Zuhörer, sich so viele Techniken wie möglich anzueignen. „Dann musst du sie vergessen, alles ruhen lassen.“ Auch über die Sprache lässt er sich aus. Erste Regel: „Du musst verständlich sein.“ Bei Dialekten empfiehlt er größte Zurückhaltung, um sich nicht zu blamieren, auch die Stimme zu verändern sei nicht ratsam. Lauterbach: „Natürlichkeit ist das größte Transportmittel.“

Das wirkt selbstverständlich, ist sozusagen Basiswissen, aber sieben Stunden Galopp durch alle Aspekte des Schauspielerdaseins ersetzen eben keinen mehrjährigen Unterricht, sondern bieten oberflächliche, im besten Fall unterhaltsame Einblicke. Wer mit der Erwartung antritt, nach dem Zuschauen gleich die nächste Theaterbühne entern zu können, wird enttäuscht. Lauterbach erzählt anhand seines eigenen Erlebens, was helfen kann, seinen Traum zu leben. Das mag den einen oder anderen animieren, sein Glück zu probieren, ihm zu helfen, sich zu orientieren. Plattitüden gilt es dabei auszuhalten, wie Lauterbachs ABC-Regel – eine neue Aufgabe sei keine Bedrohung, sondern eine Chance. Auch die von ihm skizzierten Vorteile des Ruhms sind dann doch arg läppisch: Hat man erst einmal einen Namen, hilft der oft dabei, in einem vollen Restaurant noch einen Tisch zu ergattern.

Auch Bestsellerautor Fitzek lässt sich in Sachen Phrasen nicht lumpen und beschreibt im Kapitel „Der Plot“ jede Geschichte als eine Reise, äquivalent zum Leben, das ebenfalls eine Reise sei. Darüber hinaus sei es für angehende Schriftsteller unerlässlich, genau hinzuschauen und mit Menschen zu reden. Aber in der Strecke wird es gehaltvoller. Tatsächlich lässt Fitzek in den von ihm gefüllten 529 Minuten den Zuschauer teilhaben an seiner Sicht aufs Schreiben, seinen Wahrheiten, seinen Leitlinien, in 23 Kapiteln von der Idee bis zur Veröffentlichung. Dass es auch bei ihm um seinen persönlichen Weg zum Erfolg geht, ist nachvollziehbar, schmälert aber nicht den Erkenntniswert. Ist Fitzek doch so ehrlich zu sagen, dass es beim Schreiben auch um die tägliche Routine, um Arbeit geht und nur diejenigen von seinen Erfahrungen profitieren, die sich schon einmal an Texten versucht haben. „Tipps fürs Schreiben sind so wie Bücher übers Fahrradfahren – hinterher setzt du dich aufs Rad und fällst trotzdem um.“

Nachwuchsautoren aber gibt er sowohl Rüstzeug an die Hand als auch das Gefühl, seine Werkstatt für sie zu öffnen. Das macht am Ende keinen Schriftsteller, liefert aber Anhaltspunkte, an denen sich ein künftiger Autor orientieren kann. Fitzek erklärt, wie ein Exposé aussehen sollte, spricht über den Sound eines Buches, über die Notwendigkeit, es zu überarbeiten, er diskutiert Stilfragen und erklärt, dass ohne lebendige Figuren keine Spannung entsteht. Das ist Grundkurs-Inhalt – aber immerhin ist es Inhalt.

Und selbst, wenn bei alledem wenig hängenbleiben sollte: Die Videos sind professionell inszeniert und produziert, bieten Bilder in Kino-Qualität. Billig wirkt hier nichts. Laut Medienberichten soll ein niedriger siebenstelliger Betrag investiert worden sein. „Meet your Master“ soll und muss Profit einspielen. Es geht also weniger ums Lehren, sondern um eine andere Form von Entertainment. Wer sich für ein Metier interessiert, kann sich für sein Geld von einem Meister berieseln lassen. Das mag dem einen zu wenig sein, vielleicht auch schwer erträglich, andere fühlen sich vielleicht gut unterhalten. Oder es spornt sie an, es selbst besser zu machen. Meisterlich eben.

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