Oliver Welke "Mit Politprofis habe ich weniger Mitleid"

Der ZDF-Satiriker über den Jahresrückblick seiner "heute-show", Donald Trump, Angela Merkel und Anrufe wütender Politiker.

Berlin Welcher Politiker hat sich 2017 blamiert, was war lustig und wer erhält den "Goldenen Vollpfosten"? Diese Fragen beantwortet der Jahresrückblick der "heute-show" morgen im ZDF (22.45 Uhr). Moderator Oliver Welke ist das Gesicht der Satireshow, die das Fernsehen seit 2009 mit Witz und Ironie bereichert.

Donald Trump wurde Präsident, Deutschland hat gewählt, die Jamaika-Sondierungen sind gescheitert. Können Sie das alles in einen Jahresrückblick packen?

Welke Ich glaube schon, und wenn es in 45 Minuten nicht reinpasst, dürfen wir überziehen. Uns ist es wichtig, Themen nicht nur rückblickend abzuhandeln, sondern weiterzudenken. Trump zum Beispiel hat auf den letzten Metern des Jahres eine Steuerreform hingekriegt, da drängt sich sofort der Eindruck auf, dass die vor allem den Firmen und Reichen nützt.

Trump ist ein dankbares Thema für Satire.

Welke Stimmt, wobei ich den Eindruck habe, dass man bei Trump oft die wesentlichen Sachen verpasst, die spannenden Geschichten passieren immer jenseits der üblichen Trump-ist-doof-Witze. Wir versuchen der Figur Trump zum Jahresende noch einmal gerecht zu werden. Es geht aber auch um unser Bemühen, eine Regierung zu finden.

Also bekommt diesmal auch Kanzlerin Angela Merkel ihr Fett weg?

Welke Angela Merkel wird das ganze Jahr über konsequent kritisiert. Als sie vor der Bundestagswahl angekündigt hat, dass sie noch einmal antritt, haben wir das ohne Ironie sehr heftig kritisiert, weil wir von Anfang an das Gefühl hatten, dass das dem Wunsch nach einem personellen Neuanfang in der Bundespolitik entgegensteht. Ich glaube, dass die Bundestagswahl anders ausgegangen wäre, wenn Angela Merkel angekündigt hätte hinzuschmeißen.

Um was geht's sonst noch?

Welke Um Lobbyismus. Wir haben zum ersten Mal die historische Situation, dass mehr Lobbyisten einen Bundestagsausweis haben als gewählte Abgeordnete, und dabei haben wir den größten Bundestag aller Zeiten. Das Thema Lobbyisten ist gerade in Zeiten einer Regierungsbildung spannend, weil diese Kollegen jetzt besonders aktiv sind.

Stimmt es, dass die heute-show für viele junge Zuschauer die einzige Sendung ist, von der sie politische Informationen beziehen?

Welke Zumindest behaupten Studien aus den USA, dass viele Fernsehnutzer ihr politisches Wissen hauptsächlich aus Satire-Sendungen beziehen. Ich glaube aber, dass die in Deutschland eher in der Minderheit sind und dass das für die heute-show nicht gilt. Dazu kommt: Wir haben ja gar nicht den Anspruch, Journalisten zu sein. Wir sind zum großen Teil auf die Geschichten angewiesen, die richtige Journalisten recherchieren. Wir sind immer noch eine Unterhaltungssendung.

Für Satiriker leben wir ja in herrlichen Zeiten - ein Wahnsinn jagt den nächsten. Freuen Sie sich über die Themenfülle?

Welke Ich sage immer: Was für die heute-show gut ist, ist oft nicht gut fürs Land. Ich finde also nicht alles toll, was uns Sendezeit schenkt, bestimmte Entwicklungen machen mir auch Angst. Wenn sich alle nur noch in diese Mecker-Haltung reinsteigern, aber keiner mehr was tut, dann sehe ich schwarz für unsere Demokratie. Wer sich mal kommunalpolitisch umsieht, stellt fest, dass da wenig nachkommt an jüngeren Leuten. Es gibt eigentlich ein großes Interesse an Politik. Die Leute haben nur ein Problem mit der Art von Parteipolitik, die sie medial wahrnehmen.

Im Internet wird überall gewitzelt und geblödelt. Braucht man da überhaupt noch Satire im Fernsehen?

Welke Unter dem vielen Quatsch finden sich oft auch exzellente Gags, die in der Regel von Amateuren kommen und nicht von Profis. Aber man muss höllisch auf der Hut sein, dass man nicht aus Versehen in die gleiche Kerbe schlägt. Sonst heißt es in den Foren gleich: Guck mal, den Witz haben sie aus dem Netz geklaut.

Beschweren sich denn manchmal Politiker bei Ihnen, dass Sie zu hart mit ihnen umgegangen sind?

Welke Nein, bei mir persönlich nicht, aber beim ZDF ab und zu. Seitdem es die heute-show gibt, habe ich zeitversetzt von mancher Beschwerde erfahren. Wir haben aber mit dem ZDF vereinbart, dass es besser ist, wenn wir das nicht unmittelbar erfahren, weil sich sonst beim Schreiben der Texte eine Hemmung einschleichen könnte. Beschwerden finde ich aber völlig legitim. Bedenklich wäre, wenn Politiker versuchen würden, im Vorhinein die Ausstrahlung von etwas zu verhindern - und das haben wir bislang noch nie erlebt.

Gab es dieses Jahr einen Gag, der Ihnen hinterher leidgetan hat?

Welke Nicht, dass ich wüsste. Was mir leidtut ist, wenn wir auf Parteitagen Delegierte vor dem Mikrofon haben, die nicht so ganz genau wissen, wer wir sind, und dann was Blödes sagen. Mit ausgebufften Politprofis dagegen habe ich weniger Mitleid.

MARTIN WEBER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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