"Marhaba — Ankommen in Deutschland" Dieser Deutsche macht Fernsehen für Flüchtlinge

Düsseldorf · Constantin Schreiber spricht die Sprache vieler Flüchtlinge. Im September hat der TV-Moderator gemeinsam mit seinem Sender n-tv das Online-Format "Marhaba – Ankommen in Deutschland" gestartet. Darin erklärt der 36-Jährige auf Arabisch, wie wir Deutschen ticken. Jetzt kommt das Format ins Fernsehen.

Constantin Schreiber spricht fließend Arabisch. Seine zweisprachige Sendung "Marhaba — Ankommen in Deutschland" ist einmalig im deutschen TV.

Constantin Schreiber spricht fließend Arabisch. Seine zweisprachige Sendung "Marhaba — Ankommen in Deutschland" ist einmalig im deutschen TV.

Foto: Urbschat

Constantin Schreiber spricht die Sprache vieler Flüchtlinge. Im September hat der TV-Moderator gemeinsam mit seinem Sender n-tv das Online-Format "Marhaba — Ankommen in Deutschland" gestartet. Darin erklärt der 36-Jährige auf Arabisch, wie wir Deutschen ticken. Jetzt kommt das Format ins Fernsehen.

Ein blonder Mann mit blauen Augen und einem jugendlichen Gesicht steht lässig vor der Kamera und moderiert eine Sendung. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Aber wer den Ton aufdreht, versteht erstmal nur Bahnhof. Constantin Schreiber spricht nämlich Arabisch. Und seine Sendung ist eine besondere: Sie heißt "Marhaba — Ankommen in Deutschland" und soll Flüchtlingen als eine Art Starthilfe dienen. Arabisch ist eine der meistgesprochenen Sprachen unter Flüchtlingen. Nach einer aktuellen Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kommt rund ein Drittel aller Erstanträge auf Asyl von Syrern. In dem Bürgerkriegsland ist Arabisch Amtssprache.

Entstanden ist das Video-Projekt ein bisschen aus dem Bauch heraus. "Ich hatte im September Elternzeit und damit mehr Zeit fernzusehen als sonst", erinnert sich Schreiber. "Ich fand es ein bisschen bizarr, dass ein Politiker vom anderen forderte, die Flüchtlinge müssten das Grundgesetz lernen. Da dachte ich mir: Die können das noch so lange fordern, aber die Menschen kriegen es ja nicht mit." Das wollte Schreiber ändern. Der 36-Jährige Journalist hat viele Jahre in der arabischen Welt gelebt und beherrscht die Sprache fließend. "Ich wollte die Diskussion als Mittler in die Flüchtlingszene holen", sagt er.

Gesagt, getan. Nach einem Gespräch mit seiner n-tv-Chefin Sonja Schwetje machte er sich praktisch im Alleingang an die Arbeit. Schreiber wurde zum Redakteur, Produktionsleiter und Moderator seiner eigenen Sendung im Netz. Nur vier Tage nach dem Gespräch stand die erste Folge, inklusive Logo und Teaser. "Das wäre bei vielen anderen Sendern in der Kürze niemals möglich gewesen", meint Schreiber. Das Angebot kommt an: Mehr als 500.000 Mal wurde die erste Folge abgerufen. Besonders beliebt sind die Folgen mit arabischen Untertiteln.

Constantin Schreiber ist kein politischer Aktivist. Er will nichts schön reden, sondern ein Signal senden. "Ein Deutscher sagt: 'Marhaba', was so viel heißt wie Hallo. Das ist ein symbolischer Brückenschlag, der mir auch vor dem Hintergrund mit AfD und 'Pegida' wichtig war", begründet der Berliner seine Motivation. Erreichen will er Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Die kleine Sendung soll ihnen das Ankommen leichter machen. Und sie soll zeigen, dass Deutschland ein offenes Land ist. Ein Land voller Menschen, die anderen Menschen die Hand reichen.

"Wir schaffen das", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel fast schon gebetsmühlenartig mit Blick auf die Flüchtlingskrise. Viele Deutsche zweifeln an diesem Optimismus. "Was ist der Maßstab?", fragt Constantin Schreiber. "Ist der Maßstab, dass man sagt, die sollen alle aussehen wie wir, sich kleiden wie wir, Christen werden, Jobs haben wie wir? Wenn man das als Maßstab nimmt, dann würde ich sagen: Wir schaffen das definitiv nicht."

Der Nahost-Experte vermisst in der Debatte eine klare Zielvorgabe. "Erstrebenswert realitsisch ist, dass die Menschen, die zu uns kommen, in der zweiten Generation unsere Sprache beherrschen und die Ausbildungsmöglichkeiten nutzen", sagt Schreiber. "Sprachen entwickeln sich weiter, Kulturen entwickeln sich weiter. Es ist naiv anzunehmen, dass die Deutsch werden."

Im Gegensatz zu vielen anderen "Experten" weiß Constantin Schreiber aus eigener Erfahrung sehr genau, wovon er spricht. Als Jugendlicher lebte er längere Zeit in Syrien, später arbeitete er als Autor für die libanesische Tageszeitung "Daily Star". Er berichtete als Korrespondent der Deutschen Welle aus den arabischen Golfstaaten sowie Somalia, Sudan, Tschad, den Komoren, Mauretanien und Libyen. Schreiber war außerdem als Medienberater für den Nahen Osten im Auswärtigen Amt tätig. Der junge Mann ist mit seinen 36 Jahren schon viel rumgekommen.

"In diesen Ländern ist alles hochspontan, Absprachen bringen überhaupt nichts", sagt Schreiber und muss dabei ein bisschen schmunzeln. "Zeit hat dort insgesamt eine andere Bedeutung." An die deutsche Terminplanung und Verbindlichkeit müssten sich viele Flüchtlinge wohl erstmal gewöhnen. "Ich glaube, dass vieles moderner und westlicher erscheint, auch bei sehr liberalen Menschen, die aus der arabischen Welt kommen, als es dann tatsächlich ist", sagt Schreiber. Viele kulturuelle Prägungen seien gerade mit Blick auf die Integration eine Barriere. "Diese Barriere gibt es einfach, auch wenn jemand auf den ersten Blick gut integriert scheint. Ich stelle in Gesprächen bei diesen Menschen einen inneren Zwang fest, der nicht so leicht zu überwinden ist."

Das Wichtigste, sagt Schreiber, sei eine ehrliche Diskussion. Es gehe nicht darum die Menschen umzupolen, sondern vielmehr darum, gemeinsam etwas Neues für die Zukunft zu schaffen. Constantin Schreiber will weiter seinen Teil zur öffentlichen Debatte beitragen. In der ersten Folge seiner deutsch-arabischen Talkshow "Marhaba" begrüßt Schreiber unter anderem Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele.

Die erste Sendung wird am Donnerstag um 17:10 Uhr bei n-tv ausgestrahlt. Hier geht es zur Sendungseite im Netz.

(gol)
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