Wie sich das Fernsehen selbst kaputt macht Noch jemand wach vor der Mattscheibe?

Großartige Serien werden mitten in der Nacht gezeigt. Filmklassiker verschwinden auf Digital-Kanälen, die kaum jemand kennt. Ganz offenbar sind bei den Sendern Sabotage-Kommandos am Werk. Eine bissige Abrechnung unseres Autors Hans Hoff mit der deutschen Fernsehlandschaft.

Fernseh-Tipps zum Osterfest 2012
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Sobald die Sonne scheint, sieht man wieder die Geocacher ausschwärmen. Schnitzeljagd könnte man ihre Suche nach versteckten Paketen in Feld, Wald und Wiese zwar auch nennen, aber in Zeiten satellitengestützter Positionsbestimmung braucht es neue Wörter. Geocaching ist so eines, es markiert die Lust an der Suche. Man sucht nicht, um zu finden, man sucht, um zu suchen.

"Läuft wieder nichts"

Komischerweise finden sich erstaunlich viele Geocacher, die das Suchen augenblicklich einstellen, sobald sie die Fernbedienung eines handelsüblichen Flachbildschirms in die Hand bekommen. Im Rahmen einer privat durchgeführten, streng pseudowissenschaftlichen Studie erlahmte der eben noch auf freiem Feld zu diagnostizierende Forschungstrieb umgehend und machte Platz für akut einsetzende Lethargie.

Ein paar Daumenbewegungen später schon bewegte sich der Proband nahe der Ohnmacht. "Läuft mal wieder nichts", entfleuchte ihm noch kurz, bevor die Fernbedienung seiner erschlaffenden Hand entglitt. Die Ergebnisse dieser Ministudie weisen auf ein gravierendes Problem hin: Dem Zuschauer wird suggeriert, es laufe nichts, das deutsche Fernsehen sei schlecht, und man könne nur noch DVDs gucken von amerikanischen Serien, die hierzulande nicht im Programm zu finden sind.

Geheime Sabotage-Kommandos

Ganz offenbar existieren bei den deutschen Fernsehsendern geheime Sabotage-Kommandos, deren einzige Aufgabe es ist, gute Fernsehsendungen so zu platzieren, dass möglichst wenige Zuschauer sie finden. Sie leisten ganze Arbeit. Volker Herres muss eigentlich einer aus dieser Truppe sein. Offiziell fungiert er als ARD-Programmdirektor. In Wahrheit hat er aber als "IM Privat" die Aufgabe, das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Menschen unter 100 derart unattraktiv zu gestalten, dass die Zuschauer erst zu Kommerzkanälen und dann zu den DVD-Editionen abwandern.

Er tut das im Ersten mit großem Erfolg, wie man an den fünf Talkshows pro Woche sieht. Auch mit der Verlegung des Sendeplatzes für Dokumentationen auf den späten Montagabend ist ihm das Glanzstück gelungen, die früher als Stärke der ARD gehandelten Realitätszeichnungen mehr oder weniger unauffällig zu marginalisieren.

"Jugend raus"

Es gibt im Fernsehen noch mehr von seiner Sorte. Zum Beispiel beim ZDF, wo man jahrzehntelang versucht hat, das Projekt "Jugend raus" zur Vollendung zu bringen. Nachdem man es schon geschafft hatte, das Angebot für Kinder in einen Minderheitenkanal zu verlegen, eliminierte man in der Folge alles, was auch nur annähernd so aussah, als könne es das Etikett jung tragen.

Als diese Tat vollendet war, fiel auf, dass es kontraproduktiv gewesen sein könnte, Menschen unter 50 komplett zu vergrämen. Schließlich werden die auch mal älter. Also gründete das ZDF im Schatten der Aufregung ein paar Digitalableger. Kommt nun also wer und fragt, wo denn die Jugend geblieben sei, haucht man ihm Worte wie Kultur, Info oder Neo zu.

Platz 793

Aber selbst jene, die ihren Fernseher mit Hilfe einer Satellitenschüssel betreiben, scheitern oft auf der Suche, weil sich etwa ein Kanal wie ZDFkultur im automatischen Suchlauf auf Platz 793 der Sender einnistet. Ihn von dort nach vorne zu den Favoriten zu schaufeln, erfordert einiges an technischem Geschick und Verständnis.

Es soll indes Menschen geben, die sich von all den technischen Widrigkeiten nicht abhalten lassen, auf gutes Fernsehen zu hoffen. Sie haben im Hinterkopf den Spruch eines weisen alten Mannes. Der hat mal behauptet, wer sage, dass das deutsche Fernsehen schlecht sei, der sei nur zu faul zum Suchen.

"Breaking Bad" lief offen

Eine weitere Methode sehenswertes Fernsehen zu kaschieren, ist das direkt-unter-die-Nase-legen. Man nimmt dazu ein Qualitätsprogramm und packt es auf einen Sendeplatz, auf dem es niemand erwartet. Vorreiter in dieser Disziplin sind Arte und Sat.1. Bei Arte lief die Serie "Breaking Bad" so offen, dass man es fast schon wieder als genial versteckt bezeichnen muss. Die Programmierung folgt eben dem Kalkül, dass die Menschen, die behaupten, sie schauten nur noch Arte, gar keinen Fernseher haben.

Besonders gemein treiben es die Sadisten unter den Programm-Saboteuren. Wenn es ihnen misslungen ist, im Vorfeld den Erfolg einer Sendung zu verhindern, dann ergreifen sie alle Mittel, um das Format nachträglich zu dekonstruieren. Als besonders schönes Beispiel kann da die Serie "Dr. House" gelten. Die war von so exzellenter Qualität und so intelligentem Humor, dass man bei RTL Angst bekam, solch ein Ausreißer könne das Restprogramm so alt und schäbig aussehen lassen, wie es eigentlich ist.

"Dr. House" erfolgreich sabotiert

Also machte man sich daran, das Produkt nachhaltig zu beschädigen. Staffeln wurden unterbrochen, Wiederholungen mit anderen Schauspielern eingeschoben. Und gerade dann, wenn sich die meisten abgewöhnt hatten, dienstags zu schauen, liefen wieder neue Folgen an.

Man sollte gerade an Ostern dieser Menschen gedenken. Wenn sich wieder alle Welt auf die Suche nach Hühnerprodukten begibt und Egg-Caching betreibt, dann sollte man an die heimatlosen Seelen des TV-Caching erinnern, die viel zu oft an Fernbedienungen verzweifeln und dabei häufig wirken wie jener Esel, der zwischen zwei Heuhaufen verhungerte, weil er nicht wusste, an welchem er zuerst knabbern sollte.

(csi)
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