„Tatort“-Nachlese Ein Krimi von Frauen über Frauen

Köln · Im „Tatort“ aus Köln machten die Frauen den Unterschied, vor wie hinter der Kamera. Entstanden ist dabei ein ungewohnt einfühlsamer Krimi. Doch worum ging es genau? Und was war gut? Hier gibt’s die Antworten.

Regine Weigand (Hildegard Schroedter, mit Dietmar Bär, rechts, und Klaus J. Behrendt) leitet eine Anlaufstelle für Obdachlose und wird wegen 180 Euro im Monat zur Mörderin.

Regine Weigand (Hildegard Schroedter, mit Dietmar Bär, rechts, und Klaus J. Behrendt) leitet eine Anlaufstelle für Obdachlose und wird wegen 180 Euro im Monat zur Mörderin.

Foto: WDR/Martin Valentin Menke

Worum ging’s? Die obdachlose Moni wird mit Fentanyl vergiftet, danach ihr Schlafsack in Brand gesteckt. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln in der Szene und treffen dabei unter anderem auf Regine (Hildegard Schroedter), die eine Anlaufstelle für Obdachlose betreibt, Altenpflegerin Katja (Jana Julia Roth), die keine Wohnung findet und im Auto schläft, und Ella (Ricarda Seifried), die vor ihrem gewalttätigen Ehemann auf die Straße geflüchtet ist. Und dann ist da noch Tomas Stranz (Jean-Luc Bubert), dem Moni vorwirft, sie vergewaltigt zu haben.

Alle hatten irgendwie mit der Toten zu tun, doch nur eine hatte auch ein Interesse an ihrem Tod: Regine, die Moni kurzzeitig als Bürokraft eingestellt hatte – und dabei nicht bedachte, dass dieser auffallen könnte, dass sie jeden Monat 180 Euro Spendengelder vom „Kabäuschen“ abzwackt. Der Grund dafür passt ins Bild: Ihr wurde die Miete erhöht, sie hätte ihre Bleibe verloren – und sagt am Ende einen so bitteren wie wahren Satz: „Ohne Wohnung hast du keine Chance, egal wie du kämpfst und machst und tust, am Ende gewinnt immer die Straße.“

Worum ging’s wirklich? Es war ein Film von Frauen über Frauen. Vor der Kamera überzeugten die durchweg unbekannten Darstellerinnen auf ganzer Linie, vor allem Ricarda Seifried als Ella. Mit ihr beginnt und endet dieser Film von Nora Wolfrum, die das zweite Mal für das Kölner „Tatort“-Team Regie führte. Warum Frauen in die Obdachlosigkeit geraten und was das mit ihnen macht, das ist das Thema von „Wie alle anderen auch“.

Die Geschichte  verpackt Kamerafrau Katharina Diessner in ungewohnt einfühlsame und teilweise anrührende Bilder vom Leben auf der Straße, von der Einsamkeit und Angst, die den Alltag der Frauen prägen. Dass das nicht überzeichnet oder sentimental wirkt, ist ebenfalls eine Stärke des Films. So nah dran war lange kein „Tatort“. „Der fertige Film hat mich extrem bewegt“, sagt denn auch Schauspieler Dietmar Bär über den 81. gemeinsamen Fall des Kölner Teams.

Immer wieder geht es dabei um soziale Missstände, nicht immer gelingt der Mix aus Krimi und Sozialstudie. Manch einer wird da jetzt sagen, nicht schon wieder, doch das wird diesem „Tatort“ nicht gerecht. Obdachlose Frauen sind stark gefährdet, viele von ihnen machen sich deshalb quasi unsichtbar. Das zu thematisieren, ist richtig und wichtig – und dieser Krimi ist eben nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht.

Was war noch interessant? Keine Blödeleien zwischen den Kommissaren, kein endloses Philosophieren an der Würstchenbude: Der Fall nimmt sich angenehm ernst, was sicher auch dem Drehbuch des Dortmund-Erfinders Jürgen Werner zu verdanken ist, der auch für die Kölner schon mehrere Fälle geschrieben hat. Das fällt auch beim zuletzt arg nervigen Assistenten Jütte (Roland Riebeling) auf. Er darf endlich mal nicht nur Sparringspartner für die schnellen Lacher sein, sondern mit ermitteln und zeigt sich gleich von seiner empathischen Seite. Außerdem ist von Tinka Fürst als Kriminaltechnikerin Natalie Först mehr zu sehen – ebenfalls eine positive Entwicklung für das Kölner Team.

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