Maybrit Illner zu Nato-Gipfel „Trump hat eine krachende Niederlage erlebt“

Düsseldorf · Trump bringt den Nato-Gipfel an den Rand des Scheiterns und sieht sich trotzdem als Gewinner. Maybrit Illners Gäste widersprechen dem US-Präsidenten. Aber sie sind sich einig, dass Europa ohne die USA nicht auskommt.

 Maybrit Illner (M.) diskutierte mit (v.l.) Oskar Lafontaine, Ursula von der Leyen, Ben Hodges, Nicole Deitelhoff, und Wolfgang Ischinger.

Maybrit Illner (M.) diskutierte mit (v.l.) Oskar Lafontaine, Ursula von der Leyen, Ben Hodges, Nicole Deitelhoff, und Wolfgang Ischinger.

Foto: Maybrit Illner / ZDF / Screenshot

Darum ging’s Auf dem Nato-Gipfel in Brüssel hat US-Präsident Trump Donald mit den anderen Mitgliedstaaten über höhere Militärausgaben gestritten. Zwischendurch mussten sich die Staats- und Regierungschefs sogar zu einer Krisensitzung zurückziehen. Deshalb diskutiert Maybrit Illner mit ihren Gästen darüber, ob Europa einen Plan B für den Fall braucht, dass die USA aus der Nato austreten. Titel der Sendung: „Schutzmacht ade – muss Europa aufrüsten?“

Gäste

  • Ursula von der Leyen, CDU, Bundesverteidigungsministerin
  • Oskar Lafontaine, Die Linke, Fraktionschef im Landtag Saarland
  • Nicole Deitelhoff, Friedens- und Konfliktforscherin
  • Ben Hodges, US-Generalleutnant a. D., Center for European Policy
  • Wolfgang Ischinger, Leiter Münchner Sicherheitskonferenz

Frontverlauf Auf dem Nato-Gipfel soll Donald Trump mit einem Bruch des Nato-Bündnisses gedroht haben, sollten die anderen Staaten nicht mehr Geld für ihr Militär ausgeben - und zwar sofort. „Dieser Satz ist gefallen“, bestätigt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am späten Abend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Sein eigenes Ding würde er dann machen, was auch immer das bedeutet.“ Die CDU-Politikerin zeigt sich dennoch gut gelaunt, trotz der „intensiven Diskussion“ mit Trump. Die Europäer und Kanadier hätten sich selbstbewusst zur Nato bekannt. „Das war toll zu sehen.“ Die Verteidigungsministerin schwärmt sogar von einer „Sternstunde der Nato“.

Das klingt ganz anders als am Nachmittag, als Trump vor die Presse getreten war. Der US-Präsident hatte sich als Gewinner dargestellt und von einem „enormen Fortschritt“ gesprochen. Die anderen Nato-Mitglieder wollten künftig mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, er habe ihnen Zugeständnisse abgerungen. „Die USA wurden nicht fair behandelt, aber jetzt ist das der Fall.“

Nicole Deitelhoff lächelt, als sie abends von Maybrit Illner auf die Aussagen des US-Präsident angesprochen wird. „Im Grunde genommen hat Trump eine krachende Niederlage erlebt“, sagt die Friedens- und Konfliktforscherin. Der US-Präsident habe den anderen Staaten gedroht, und seinetwegen habe Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine Krisensitzung einberufen. „Aber wenn ich mir die Abschlusserklärung anschaue, dann hat er das, was er wollte, nicht erreicht.“ In ihrer Gipfel-Erklärung hatten die Staats- und Regierungschefs bekräftigt, dass sie die Militärausgaben bis 2024 „in Richtung zwei Prozent" des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern wollten. Das hatten sie schon vorher versprochen. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutete lediglich an, dass Deutschland Zugeständnisse bei den Militärausgaben machen könne.

Aber muss ein Land wirklich zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben? „Wir sind uns einig, dass die Bundeswehr besser ausgestattet werden muss“, sagt von der Leyen. Deutschland müsse seine Soldaten in die Lage versetzen, das Land zu verteidigen - zu Land, zu Wasser, in der Luft, aber auch online. Aber die Verteidigungsministerin will sich nicht darauf festlegen, wie viel Geld die Bundesregierung künftig für die Streitkräfte ausgeben will - es soll nur mehr sein als in den vergangenen Jahren. Darin ist sich die Bundesverteidigungsministerin mit US-Generalleutnant a.D. Ben Hodges einig. Viele Nato-Mitglieder sollten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, auch Deutschland, das seine Streitkräfte modernisieren müsse. Aber die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien kein „nützliches Maß“, zumal die Deutschen schon einen „hervorragenden Beitrag“ zur Sicherheit der Nato leisteten, lobt der US-Amerikaner. „Wir brauchen Euch als unseren Verbündeten.“ Umgekehrt brauchten Deutschland und Europa weiterhin die USA, sagt Wolfgang Ischinger. Er wünsche sich eine nukleare Abrüstung auf der Welt. Aber solange andere Staaten Atomwaffen hätten, „sind wir von den Vereinigten Staaten abhängig“.

Lafontaine widerspricht der gesamten Runde. Deutschland und die anderen Nato-Staaten müssten nicht mehr für ihre Armee ausgeben. Davon profitiere nur die Rüstungsindustrie. Die Militärbudgets der westlichen Staaten lägen heute schon deutlich über Russlands Ausgaben für Verteidigung. Sie sollten mehr Geld für die Entwicklungshilfe ausgeben. Während sich die Nato-Staaten über die Aufrüstung stritten, verhungerten weltweit mehrere Millionen Menschen oder stürben an Krankheiten. „Warum kann man nicht einmal zehn Prozent dieser Rüstungen dafür aufwenden, um Hunger und Krankheiten zu bekämpfen“, sagt Lafontaine, senkt dann aber resigniert seinen Kopf, als glaube er nicht mehr daran.

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