TV-Nachlese zu „Maybrit Illner“ „Wir brauchen eine unabhängige Impfstoffforschung“

Düsseldorf · Das Thema der Talkrunde lässt Optimismus vermuten, aber zunächst geht es doch nur wieder um die Versäumnisse der letzten 15 Monate. Erst zum Schluss kommen Verbesserungsvorschläge.

 Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 10. Juni 2021.

Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 10. Juni 2021.

Foto: ZDF

Am Donnerstagabend sollten die Talkgäste bei „Maybrit Illner“ zum Thema „Der Sommer wird gut – wird die Corona-Politik besser?“ diskutieren.

 Die Gäste:

  • Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsexperte
  • Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe
  • Helge Braun (CDU), Kanzleramtsminister
  • Birgid Puhl, Ärztin
  • Robin Alexander, Journalist

 Darum ging’s:

Über weite Teile lässt die Talkrunde die vergangenen 15 Monate mit dem Coronavirus Revue passieren. Am Schluss geben die Gäste ihre Empfehlungen für die zukünftige Corona-Politik ab.

 Der Talkverlauf:

Ganz am Anfang der Sendung steht die Nachricht des Tages: Die Entscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko), eine Corona-Impfung nicht allen 12- bis 17-Jährigen zu empfehlen, sondern nur jenen mit Vorerkrankungen. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit stellt sich hinter diese Entscheidung. „Ich hätte mir gewünscht, dass im Vorfeld der Entscheidung die Kakophonie der Meinungen nicht so stark durchschlägt, weil das zu Verunsicherung führt“, sagt er. Entscheidend seien die letzten Absätze der Stellungnahme: Es handle sich um eine Momentaufnahme, die angesichts der künftigen Datenlage noch angepasst werden könne.

Da hakt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ein. „Langfristige Folgeschäden sieht man nicht in zwei Monaten“, sagt er und dämpft die Erwartung, dass sich an der Empfehlung bald etwas ändern könnte. Uneins sind Lauterbach und Schmidt-Chanasit über die Folgen für den Schulunterricht. Chanasit findet, eine Impfung dürfe auf keinen Fall die Bedingung für den Schulbesuch sein. Lauterbach will das zu Ende denken. Das würde darauf hinauslaufen: „Bei den Erwachsenen schützen wir durch Impfung, bei den Kindern durch Infektion.“ Als Beleg verweist Lauterbach auf Daten aus Großbritannien, denen zufolge rund ein Prozent der Kinder im Krankenhaus behandelt werden und bei ihnen zudem auch Long Covid eine Rolle spiele. Chanasit stemmt sich allerdings gegen internationale Daten: In Deutschland gebe es nur wenige Fälle. Im Verlauf der Talkrunde beklagt der Virologe dann aber immer wieder, dass in Deutschland nicht genug Daten erhoben worden seien.

Über den Großteil der Sendung geht es gar nicht wie angekündigt um die Zukunft, sondern um die Vergangenheit. Ausführlich befragt Moderatorin Maybrit Illner ihre Gäste zum Wellenbrecher- und Brücken-Lockdown, zum Schutz von Risikogruppen, zu den Versäumnissen beim Testen und Impfen, auch die Corona-Warn-App bekommt eine Bühne, eben so das politische Management und – so der Journalist Robin Alexander – „das Regieren über diese eigentlich doch seltsame Runde der Ministerpräsidenten“. Dazu sagt Kanzleramtschef Helge Braun (CDU): „Wir haben sehr viele Rechte im Hinblick auf das Corona-Management an die Bundesländer delegiert, und als wir gemerkt haben, dass dieser Weg nicht mehr funktioniert, haben wir die Notbremse gemacht.“

Erst in der Schlussrunde blitzen ein paar Zukunftsgedanken auf. Eigentlich sollen die Talkgäste sagen, was nicht wieder passieren darf. Erstaunlicherweise liefern sie aber keine weiteren Kritikpunkte, sondern neue Ideen oder zumindest Lehren aus der Vergangenheit. Kanzleramtschef Braun mahnt: „Wir dürfen nicht wieder im Sommer unterschätzen, was im Herbst und Winter passiert.“ Die Ärztin Birgid Puhl fordert mehr Pragmatismus und weniger Bürokratie – und erinnert daran, „die Kollateralschäden nicht aus dem Blick zu verlieren“.

Der Journalist Robin Alexander erinnert daran, dass Deutschland zwar die Forschung von Biontech jahrelang gefördert hat, aber die Firma sich über die US-Börse finanzierte und bei der Produktion an ein US-Unternehmen hängte. Es sei doch kein Miesmachen, sich darüber zu unterhalten, wie man das verbessern könne, sagt Alexander.

Karl Lauterbach denkt an neue Strukturen. „Wir brauchen eine unabhängige Impfstoffforschung und Produktkapazitäten für Impfstoffe, die vorgehalten werden“, sagt er, auch im Hinblick auf Auffrischungsimpfungen für diese Pandemie. Generell brauche Deutschland ein Institut, das Viren genetisch überwacht und international arbeitet, so Lauterbach. Den Blick über die Landesgrenzen empfiehlt auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Deutschland sollte sich auch damit befassen, Impfstoffkapazitäten im globalen Süden zu schaffen. Und: „Wir sollten bessere Daten erheben, damit zielgerichtet Maßnahmen ergriffen werden können.“

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