„Maybrit Illner“ zu Italien Olaf Scholz erteilt Bernd Lucke Rechenunterricht

Düsseldorf · Die Pläne der neuen italienischen Regierung sehen neue Staatsschulden vor. Bei Maybrit Illner führte das am Donnerstagabend zu der Frage, ob es eine neue Eurokrise gibt. Bundesfinanzminister Scholz verwahrte sich gegen das Krisengerede.

 Zu Gast bei Maybrit Illner (Mitte) sind Bernd Lucke, Olaf Scholz, Giovanni di Lorenzo, Ulrike Guérot und Paul Ziemiak.

Zu Gast bei Maybrit Illner (Mitte) sind Bernd Lucke, Olaf Scholz, Giovanni di Lorenzo, Ulrike Guérot und Paul Ziemiak.

Foto: ZDF/Screenshot ZDF-Mediathek/Maybrit Illner

Darum ging’s „Ist die Eurokrise wieder da?“ Mit dieser Frage stieg Moderatorin Maybrit Illner in die Sendung am Donnerstagabend ein. Wenn die neue italienische Regierung ihre Pläne in die Tat umsetze, könne das Land in einem Schuldenstrudel versinken und seine Nachbarländer mitreißen, prognostizierte Illner. Auch der Euro sei nun wieder gefährdet. „Was muss Deutschland nun tun?“, fragte Illner ihre Gäste.

Darum ging’s wirklich

Wenn man allein nach dem Unterhaltungswert der Sendung geht, war sie gelungen: Der ehemalige AfD-Politiker, Eurokritiker und EU-Parlamentarier Bernd Lucke versuchte den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu provozieren, womit er scheiterte. Paul Ziemiak kabbelte sich mit einer Professorin für Europapolitik. Die Gäste waren tatsächlich zum Diskutieren aufgelegt. Bloß die These von einer neuen Eurokrise wollte niemand hundertprozentig unterstützen - nicht einmal Bernd Lucke. Inhaltlich hingegen bot die Sendung aufgrund der anhaltenden Profilierungsstreitigkeiten wenig neue Erkenntnisse.

Die Gäste

  • Olaf Scholz, SPD, Bundesfinanzminister
  • Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik
  • Paul Ziemiak, CDU, Vorsitzender der Jungen Union
  • Bernd Lucke, LKR, Europaparlamentarier und Ökonom
  • Sebastian Dullien, Professor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre
  • Giovanni Di Lorenzo, Zeit-Chefredakteur

Der Frontverlauf

Je steiler die These, desto lebhafter die Diskussion - sollte die Redaktion, die den Polittalk bei Maybrit Illner das beabsichtigt haben, ist das Konzept aufgegangen. Zwar wollte sich keiner der Gäste die These aneignen, durch die kostspieligen Pläne der neuen italienischen Regierung stehe eine neue Eurokrise bevor. Aber es wurde trotzdem munter diskutiert. Die Diskussion glich jedoch eher einem Wettbewerb, wer der größte Platzhirsch in der Manege ist. Diesen Wettkampf gewann eindeutig Olaf Scholz, dicht gefolgt von der Professorin für Europapolitik Ulrike Guérot und Bernd Lucke, der den meisten als ehemaliger AfD-Politiker bekannt und nun für seine neue Partei im EU-Parlament sitzt, die dagegen weniger bekannt ist - die Liberal-konservativen Reformer (LKR).

Antworten, welche Maßnahmen der italienischen Wirtschaft aus Sicht der Talkshow-Gäste wirklich helfen würden, blieben die Gäste aber schuldig.

„Fünf-Sterne-Bewegung“ nicht populistisch

Zu Beginn der Sendung positionierten sich alle Gäste erst einmal gegen die Eingangsbehauptung der Moderatorin, eine neue Eurokrise griechischen Ausmaßes stehe kurz bevor.

Die Professorin Guérot wehrte sich dagegen, die „Fünf-Sterne-Partei“, die nun an der Regierung in Italien beteiligt ist, als populistisch zu bezeichnen. Das Wahlergebnis zeige die Wut der Bürgern ihre Regierung, die das Land schlecht regiert habe. Die „Fünf-Sterne-Partei“ habe auch sehr vernünftige Forderungen. Sie sei für eine bessere Digitalisierung, Sicherstellung der Wasserversorgung und den Ausbau des Sozialstaats. Daher sei sie zwar „anti-establishment“, aber nicht populistisch.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, bemerkte ebenfalls am Anfang, es bestehe kein Grund zur Panik. Deutschland werde nun sehen, wo es Italien helfen könne.

Das wiederum brachte Guérot auf die Palme. Sie warf Ziemiak deutsche Arroganz vor. Die sei gänzlich unangebracht. „Deutschland ist wie eine Frau mit Stöckelschuhen, die den anderen Ländern auf den Füßen steht. Wenn die dann ein schmerzverzehrtes Gesicht machen, sagen wir: ‚Habt ihr ein Problem?’“, sagte Guérot.

Lucke provoziert den Bundesfinanzminister

Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz war überzeugt: „Italien wird nicht scheitern. Wir können das gelassen betrachten.“ Er kanzelte Moderatorin Maybrit Illner ab. „Es ist unverantwortlich, wenn wir die Krisen herbeireden, vor denen wir uns vorher so gefürchtet haben.“ Es sei wichtig in Italien, wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen. Vorschläge blieb Scholz schuldig.

Bernd Lucke fand in Olaf Scholz seinen Gegenpart. Er äußerte sich zu Beginn noch positiv darüber, dass nun Euroskeptiker in Italien an der Macht sind, und verteidigte deren politische Überzeugungen. Danach warb er sehr stark für einen freiwilligen Austritt der Italiener aus dem Euro, der nach seiner Lesart für die Misere der italienischen Wirtschaft verantwortlich sei. Andernfalls drohe tatsächlich der italienische Staatsbankrott.

Dieses Szenario wollte er auch dem Bundesfinanzminister verklickern und führte wortreich eine komplizierte Rechnung mit Anteilen und Prozenten an. Im Ergebnis kam er darauf, dass Deutschland ein Verlust in 150 Milliarden Euro drohe, wenn Italien zahlungsunfähig werde. Am Ende forderte er von Scholz, dieser solle seine Zahlen bestätigen.

„Sie haben eine völlig falsche Zusammenrechnung gemacht. Natürlich wird es eine solche Situation nie geben, das weiß auch jeder“, sagte Scholz und ließ sich nicht aus der Reserve locken. Lucke beharrte darauf, dass die Zahlen für den Fall eines Staatsbankrotts stimmen würden. „Ich kann auch sagen, was passiert, wenn ein Meteorit auf die Erde trifft“, sagte Scholz.

Um seinem Szenario noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, zitierte Lucke den italienischen Eurokritiker Paolo Savona, der als Finanzminister der neuen Regierung gehandelt wurde. Dieser habe als zuständiger Minister einen Staatsbankrott samt einkalkuliertem Zahlungsausfall gegenüber der Europäischen Zentralbank, der EU und Deutschland als Plan B skizziert.

Auch das beunruhigte Scholz nicht. Savona sei wegen genau dieser Äußerungen nicht Finanzminister, sondern „nur“ Europa-Minister geworden.

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