Maybrit Illner diskutiert über Roma-Zuwanderer Minister wettert über "Faulpelze und Schlawiner"

Maybrit Illner diskutierte im ZDF über Armutszuwanderung. CSU-Innenminister Herrmann spricht von "Faulpelzen und Schlawinern", der Grüne Özdemir erinnert daran, dass auch sein Vater nicht lesen und schreiben konnte, als er nach Deutschland kam. Dass die Zuwanderer letztlich gar nicht das Problem sind, machten zwei Gäste aus Duisburg deutlich.

 Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zeigte sich bei Maybrit Illner als harter Hund.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zeigte sich bei Maybrit Illner als harter Hund.

Foto: Screenshot

Spätestens seitdem die CDU den zweifellos populistischen Satz "Wer betrügt, fliegt" in die Debatte einbrachte, ist das Thema Armutszuwanderung politisch vergiftet. Auch bei Illner wurde deutlich, dass mit solchen Ansätzen dem Problem nicht beizukommen ist. Ungemindert kollidierten in der Talk-Show die Thesen aufeinander. Titel der Sendung: "Armut auf Wanderschaft — wie viel Freizügigkeit können wir uns leisten?"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schimpfte mit zweifelhaftem Vokabular auf "Faulpelze und Schlawiner", nicht ohne die CSU über den Klee dafür zu loben, dass sie den Mut hatte, das Thema aufzugreifen. Natürlich nicht, weil es sich als Wahlkampfparole nutzen lässt, sondern nur, um Problemen vorzubeugen, wie Herrmann behauptet. "Wir können nicht das Sozialamt ganz Europas werden", wettert er. Dass Herrmann dabei fortwährend lächelte, als andere das himmelschreiende Elend von Armutsflüchtlingen aus Osteuropa schilderten, machte seinen Auftritt nicht eben sympathischer.

Dunkle Kanäle

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir erwies sich als erster Widersacher des CSU-Ministers. Eine Lösung des Problems verortet er in den Herkunftsländern Bulgarien und Rumänien, wo die Not der Migranten ihre Heimat hat. Özdemir empörte sich mehrfach über Zustände "mitten in Europa", wo Kindern der Schulbesuch vorenthalten würde. Anstatt gegen Zuwanderer zu mobilisieren, müsse Deutschland vor allem den Druck auf diese Länder erhöhen. Zudem wies er darauf hin, dass Hilfsmittel aus dem EU-Sozialfonds nur zu einem geringen Teil abgerufen werden. Oftmals versickere das Geld zudem in korrupten Ämtern, nur ein Rinnsal komme tatsächlich an.

Freilich ist der Ansatz Özdemirs nicht eben neu. Sein Problem aber bleibt ungelöst: Nur auf lange Sicht lässt sich auf diesem Weg die Not mildern. Den betroffenen Kommunen in Deutschland, wo sich die negativen Auswirkungen ballen, hilft das wenig.

Als die Duisburgerin spricht, werden die Politiker ganz still

Das machten zwei Gäste deutlich, die vor Ort versuchen, der Sache beizukommen. Sabine Keßler aus Duisburg-Meiderich sieht sich dabei von der Politik im Stich gelassen. Schon seit Monaten setzt sie sich für eine Verbesserung der Lage in ihrem Stadtteil ein. Inzwischen liege nicht mehr so viel Müll auf der Straße herum, doch sonst hat sich aus ihrer Sicht kaum etwas geändert.

Bei ihr überwiegen schlechte Erfahrungen. Und die schildert sie in drastischen Worten, spricht von Clan-Chefs mit goldenen Wasserhähnen, Kindern, die nicht zur Schule gehen, Lärm. Nachdem sie sich mehrfach beschwert habe, sei sie bespuckt worden, Frauen hätten den Rock gelüftet und ihr ihre Geschlechtsteile gezeigt. Die Duisburgerin ist überzeugt: Diese Leute in ihrem Straßenzug wollen sich nicht integrieren. Die Politiker, die vorher noch lauthals stritten, sind in diesen Minuten auffallend still. Letztlich stehen gerade sie am Pranger, nicht die Zuwanderer.

Sklavenähnliche Zustände

Die Berliner Franziska Giffey (SPD) kennt diese Probleme. Man traut dieser Frau mit dem sanften Wesen auf den ersten Blick gar nicht zu, dass sie sich in Neukölln gegen das Elend stemmt und dabei immer Zuversicht demonstriert. Aus ihrer Sicht kommen die Zuwanderer nicht, um Sozialhilfe zu kassieren wie es die CSU behauptet, sondern in der Hoffnung auf ein besseres Leben. "Sie wollen arbeiten", betont sie.

Erst am selben Tag hatte die Bundesagentur für Arbeit darauf hingewiesen, dass ein Großteil der Hartz-IV-Empfänger aus Rumänien und Bulgarien tatsächlich arbeiten geht, aber nur kümmerlich bezahlt wird und deswegen aufstocken muss. Bei Illner wurde am Rande deutlich, wie sich das im Leben der arbeitswilligen Zuwanderer darstellt: In sklavenähnlichen Zuständen auf dem "Arbeiterstrich" der Tagelöhner, oftmals mit einem Stundenlohn von drei oder vier Euro. Wer Fragen stellt, fliegt raus.

Dass die Lebensumstände von so vielen Rumänen und Bulgaren oftmals so prekär sind, machte Stadträtin Giffey an Kriminellen fest: nämlich jenen, die Zuwanderer skrupellos ausbeuten. Etwa indem sie ihnen bis zu 200 Euro für einen Platz auf einer alten Matratze in einer Massenunterkunft abknöpfen. Oder sich deren Unwissenheit zu Nutze machen. Wie im Fall einer Frau, die nur drei ihrer vier Kinder zur Schule geschickt habe, weil ihr gesagt worden war, dass es für den Schulbesuch einen Kindergeldantrag brauche, dieser aber 5000 Euro koste.

Rainer Wendt macht der Politik schwere Vorwürfe

Nachdenklich machten die Anmerkungen von Dzoni Sichelschmidt, einem Sozialarbeiter aus Hamburg, der in den 90ern als Roma vor dem Krieg im Kosovo nach Deutschland floh. Er mahnte mehrfach Sensibilität in der Debatte in Deutschland an. Er geht davon aus, dass derartig befeuerte Vorurteile gegenüber Sinti und Roma in tätlichen Angriffen enden können und verwies auf Beispiele aus dem Ausland. Er wisse von Rumänen und Bulgaren, die aus diesen Gründen ihre Herkunft geheim halten.

Zu den am stärksten beklatschten Gästen zählte indes Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Mehrfach warf er der Politik Tatenlosigkeit vor, obwohl die schon seit Jahren davon wisse, mit welchen Problemen deutschen Städte zu kämpfen hätten. Wendt weiß, wovon er spricht, er stammt selbst aus Duisburg.

Die drastischen Parolen der CSU hält er für Spiegelfechterei. Denn auch hier erweist es sich als zu kurz gegriffen, mit dem Finger auf Armutsflüchtlinge zu zeigen. Mehrfach wies der Polizist im Laufe der Sendung darauf hin, dass es in NRW gar nicht genug Beamte und Verwaltungsangestellte gebe, die als Arm des Staates Gesetze auch durchsetzen könnten. Auch deswegen, so wird deutlich, besuchen viele der Kinder aus den Armutshäusern nicht zur Schule. Auch gebe es in Deutschland um die 120.000 ausreisepflichtige Ausländer, aber keine Beamten, die sich darum auch kümmern könnten.

(pst)
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