TV-Nachlese zu „Maybrit Illner“ „Von Massenbüffets und Polonaise durch den Sand muss man sich verabschieden“

Düsseldorf · Ob und wie funktioniert ein Sommerurlaub während einer Pandemie? Bei „Maybrit Illner“ stößt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet mit seinen Ideen bei anderen Gästen auf Gegenwind – und auf konkrete Forderungen.

 Die Talkrunde bei "Maybrit Illner" am 28.05.2020.

Die Talkrunde bei "Maybrit Illner" am 28.05.2020.

Foto: ZDF

Reise ins Ungewisse – wie gefährlich wird der Urlaub?“ ist das Thema der Sendung „Maybrit Illner“ am Donnerstagabend. Über eine große Gefahrenquelle sind die Talkgäste sich einig.

Die Gäste:

  • Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe
  • Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von NRW
  • Katja Kipping (Die Linke), Parteivorsitzende
  • Marija Linnhoff, Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbständiger Reisebüros
  • Reinhold Messner, Extrembergsteiger

Darum ging’s:

Wohin, wann und wie in den Urlaub fahren? Die gleichen Regeln überall würden das Reisen stark vereinfachen, da scheinen sich die Talkgäste einig. Armin Laschet hat auch klare Vorstellungen davon, wer beim Regelwerk den Ton angeben sollte.

Der Talkverlauf:

Europa, Europa, Europa. Armin Laschet hat in die Talkrunde eine Kernbotschaft mitgebracht, die bestens zum Thema Urlaub passt. Jedenfalls gehen die Gäste eher davon aus, dass die meisten Deutschen in diesem Sommer nicht ganz so weit in die Ferne schweifen werden. Und Laschet schweben europaweite Absprachen über Standards vor, die Reisenden ebenso wie der Reisebranche einen Rahmen für die Vermeidung neuer Infektionsherde vorgeben.

In seiner Argumentation bedient er sich ohne Scheu bei der Angst vor dem Fremden. Bei den Öffnungen der letzten Wochen in seinem Land habe er keine Sorge gehabt, aber „wenn Menschen in ganz Europa unterwegs auf unbekannte Menschen aus anderen Ländern treffen“, das mache ihm Sorgen. Deshalb brauche es Standards in Europa, die „unseren deutschen Standards ähnlich sind“.

Als Moderatorin Maybrit Illner danach fragt, wer denn dann verantwortlich ist, wenn urlaubsbedingte Infektionshochburgen entstehen, wankt Laschets Gemeinschaftsbotschaft. Die Einhaltung der Regeln müssten die örtlichen Gesundheitsämter überwachen, also jeder für sich.

Einzelentscheidungen wiederum standen gleich zu Beginn der Sendung auf der Tagesordnung. Bodo Ramelow sei angesichts seiner Lockerungen und der Forderung, Verbote mit Geboten zu ersetzen, schon als „Ost-Laschet“ beschrieben worden, so Illner. Damit kann Laschet nichts anfangen. „Wir brauchen weiter Regeln“, sagt er und stichelt gleich noch gegen den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der die Kanzlerin nicht eingebunden sehen will: „Wir brauchen möglichst deutschlandweite Rahmenbedingungen.“

Aber so leicht lässt ihn die Linken-Vorsitzende Katja Kipping nicht davonkommen. Sie findet die Bezeichnung „Ost-Laschet“ für Ramelow aus anderen Gründen unsinnig. Laschet habe zuerst dafür gesorgt, Autohäuser zu öffnen, Ramelows erste Zielgruppe dagegen seien Kinder gewesen. Flugs fasst sie zusammen, welche drei Punkte bei der Urlaubsfrage im Mittelpunkt stehen sollten: Massenveranstaltungen, der Aufenthalt vieler Menschen in geschlossenen Räumen und Mobilität.

Angesichts der Kritik findet Laschet die Unterschiede innerhalb von Deutschland „gar nicht so groß“. Aber damit sticht er in ein Wespennest. Von den Auswirkungen der Einzelentscheidungen in den Bundesländern kann nämlich Marija Linnhoff ein Liedchen singen. Die Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbständiger Reisebüros erklärt, wie schwierig es ist, Kunden für eine Reise über eine Bundeslandsgrenze zu beraten.

Linnhoff fordert einheitliche Regeln innerhalb Deutschlands und stutzt lässig Laschets Traum von europäischen Standards zurecht: „Da brauchen wir über Brüssel gar nicht mehr zu reden.“ Man könne aber auch nicht 55 Millionen Menschen an die Ostsee schicken.

„Daran müssen wir arbeiten“, räumt Laschet ein. Aber das reicht Linnhoff nicht. Sie konstatiert, dass Reisebüros seit Beginn des Shutdowns ohne Bezahlung als Krisenzentrum fungieren und fordert Unterstützung. Sie hoffe, dass Laschet auch auf Bundesebene für die Reisebüros eintrete. Schließlich habe er ja Einfluss. Als jener daraufhin ein erstauntes Gesicht macht, setzt sie nach: „Na, Sie wollen doch Kanzler werden.“

Auch den Virologen Jonas Schmidt-Chanasit veranlassen Laschets Europapläne zu einem Hinweis: Es gebe ja bereits eine Einrichtung, die übergreifend koordinieren könnte – die Europäische Seuchenschutzbehörde. Jene bräuchte nun dringend Stärkung. Generell befindet er: „Man kann sich mehr Freiheit durch mehr smarte Maßnahmen erkaufen.“ Österreich etwa biete Reisenden kostenlose Tests. Auf Urlaubsorte bezogen warnt Schmidt-Chanasit allerdings vor „Superspreader-Events“.

In diesem Punkt stimmen alle Talkgäste überein: Von Massenveranstaltungen geht große Gefahr aus. „Von Massenbüffets und Polonaise durch den Sand muss man sich verabschieden“, sagt Linnhoff. Reinhold Messner fand Massenveranstaltungen auf Berggipfeln ohnehin falsch. Und Laschet glaubt sogar, es sei „ein großer Schritt zur europäischen Gemeinschaft und Reisefreiheit“, Diskotheken geschlossen zu halten – so wie in Deutschland. Eine Ballermannparty mit Sangriatrinken aus dem Eimer könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen, sagt er.

So etwas wird in seinem Urlaub allerdings ohnehin nicht angeboten: In der Schlussrunde enthüllt Laschet, er fahre wie jedes Jahr an den Bodensee – auf der baden-württembergischen Seite, nicht etwa nach Bayern.

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