"Maybrit Illner" Ein Flüchtlingstalk zum Abschalten

Düsseldorf · Kaum eine Talkshow, in der zurzeit nicht über Angela Merkels Kurs und die Flüchtlingskrise debattiert wird – so auch bei Maybrit Illner. Zu sehen waren altbekannte Gesichter, zu hören altbekannte Argumente. Es zeigt sich: die Debatte tritt auf der Stelle. Einen kuriosen Moment gab es dann aber doch. Der Talk im Schnellcheck.

 "Wohin führt Merkel Deutschland?" — darüber diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen.

"Wohin führt Merkel Deutschland?" — darüber diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen.

Foto: Screenshot ZDF

Kaum eine Talkshow, in der zurzeit nicht über Angela Merkels Kurs und die Flüchtlingskrise debattiert wird — so auch bei Maybrit Illner. Zu sehen waren altbekannte Gesichter, zu hören altbekannte Argumente. Es zeigt sich: die Debatte tritt auf der Stelle. Einen kuriosen Moment gab es dann aber doch. Der Talk im Schnellcheck.

Darum ging's

"Die gespaltene Republik — wohin führt Merkel Deutschland?" lautete der Titel. Und auch wenn das Wort "Flüchtling" darin nicht vorkam, so ahnte man doch, dass es vor allem um diese Frage gehen würde. Entsprechend eröffnete Moderatorin Illner den Talk auch mit folgenden Worten über Merkel: "Wenigstens sie hat es geschafft, die Kanzlerin geht mit Applaus in die Winterpause. Aber was hat sie eigentlich erreicht?"

Die Runde

Flüchtlinge in Turnhallen – so sieht es in der Region aus
Infos

Flüchtlinge in Turnhallen – so sieht es in der Region aus

Infos
Foto: Dieter Weber

Illner bat alte Bekannte zum Gespräch: Kaum ein Gesicht, das nicht schon mal in einer Talkshow über die Flüchtlingskrise zu sehen war. Aus der Politik waren Linken-Vorsitzende Katja Kipping und CDU-Politiker Michael Fuchs zu Gast. Hinzu kam Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer und Dauer-Talkshowgast Franziska Giffey, Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln. Zudem mit dabei Hila Limar, Freiwillige und einst selbst Flüchtling sowie der syrische Flüchtling Feras, der ebenfalls schon bei Illner seine Geschichte erzählt hatte.

Frontverlauf

Flüchtlinge: Zelte, Kirchen, Schiffe - hier werden sie untergebracht
8 Bilder

Turnhallen, Kirchen und Schiffe: Wo Flüchtlinge wohnen können

8 Bilder
Foto: dpa, rwe jai

Es war eine sachliche Debatte ohne Streitigkeiten. Eigentlich eine positive Sache, doch durch die Wiederholung der ewig gleichen Argumente vermochte der Zuschauer schon nach einer Viertelstunde kaum noch die Augen offenhalten. Fuchs lobte natürlich die Politik der Kanzlerin (sie habe eine "exzellente Rede" auf dem CDU-Parteitag gehalten und "die Kanzlerin schafft das"), Kipping kritisierte das verschärfte Asylrecht und natürlich die Politik der Union. Fleischhauer versuchte, sowohl den Parteitag der CDU als auch die Flüchtlingspolitik der Regierung einzuordnen: Merkel setze derzeit auf den eleganten Weg, die Türken. Denn Präsident Recep Tayyip Erdogan mache jetzt die schmutzige Arbeit für die Europäer. Gemeint war damit, dass Erdogan nun versuchen soll, die Flüchtlinge im Land zu behalten. Hila Limar berichtete von den Problemen der Helfer ("Wir haben nicht viel vom Staat gespürt, außer dass er Container und Zeltlager gestellt hat"), und Firas von seinen Träumen und Wünschen (er lernt deutsch, will seinen Master machen und seine Frau nach Deutschland holen).

Der Gast mit dem größten Gähn-Faktor

Ihr Vorgänger im Amt des Neuköllner Bezirksbürgermeisters war bekannt für seine provokanten Thesen und ist auch heute noch Gast in mancher Talkshow. Vielleicht wurde Franziska Giffey deshalb nach Amtsantritt in viele Sendungen eingeladen — weil man von ihr Ähnliches aus dem "Problembezirk" zu hören erwartete. Selbst Illner muss zugeben, dass sie schon vier oder fünfmal da war. Giffey aber ist anders, argumentiert sachlich und ruhig. Nach ein paar Sendungen mit ihr wird dann jedoch klar, dass sie auch nicht wirklich Neues zu berichten hat. Sie warnt davor, dass die Menschen überfordert seien, dass man sich wirklich um die Flüchtlinge kümmern müsse, um sie nicht zu verlieren und Ghettoisierung zu fördern. Wirkliche Maßnahmen aber kann auch sie nicht nennen.

Spannendster Gast

Hila Limar bot schon allein aufgrund ihrer Biografie spannende Einblicke. Sie kam als Kind mit ihrer Familie 1990 als Flüchtling nach Deutschland, lebte vier Jahre in einer zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Schule in Hamburg. Inzwischen ist sie Architektin und kümmert sich selbst um Flüchtlinge. "Man weiß nicht, was morgen passiert", bringt sie die Probleme der Helfer auf den Punkt. Oft sei man auf sich allein gestellt, es sei für viele auch eine seelische Belastung. Und sie erzählt, dass unter den Flüchtlingen teils illusorische Vorstellungen über Deutschland herrschen. So werde etwa gemunkelt, dass wer nach Deutschland komme, Besitz erhalte — also ein Haus und Unterhalt. Das seien Dinge, welche die Schlepper verbreiteten. Entsprechend verkauften die Menschen ihr ganzes Hab und Gut daheim, machten sich auf die gefährliche Reise und seien dann erst einmal geschockt, wenn sie in einem Zeltlager landeten.

Kuriosester Moment

Jan Fleischhauer erklärte, er sehe Gemeinsamkeiten zwischen der Linkspartei und der AfD. Denn beide Seiten versprächen Homogenität — die einen sozial, die anderen kulturell. In jedem Fall hätten beide Parteien ein Problem mit Andersartigkeit. Das konnte Katja Kipping natürlich nicht auf sich sitzen lassen, nannte das eine Unterstellung, die jeglicher Grundlage entbehre. Ihre Partei sei die einzige gewesen, die sich gegen eine Asylrechtsverschärfung gestellt habe, und viele Linke seien in der Flüchtlingshilfe aktiv. "Wenn Sie meinen, weil wir gegen Armut kämpfen, sind wir gegen Vielfalt, dann ist das eine große Verdrehung", sagt sie und kontert geschickt: "Für mich gehört Armut nicht zu Vielfalt dazu."

Satz des Abends

"Seehofer und Merkel machen ganz offensichtlich Paartherapie auf offener Bühne" — Katja Kipping zum CDU-Parteitag

Erkenntnis

Es ist kurz vor Weihnachten, wirklich neue Denkanstöße will niemand mehr geben. Klar wird entsprechend aber auch, dass die Debatte auf der Stelle tritt. Die wirklich wichtige Herausforderung, die Integration der Flüchtlinge, wird immer wieder angesprochen, doch Deutschland ist noch zu sehr mit der Bewältigung der Zahl der Neuankömmlinge beschäftigt, um hierbei wirklich tiefer in die Diskussion einzutauchen.

Liebe Leserinnen und Leser,
Ihre Meinung zu RP Online ist uns wichtig. Anders als sonst bei uns üblich gibt es allerdings an dieser Stelle keine Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Zu unserer Berichterstattung über die Flüchtlingskrise haben wir zuletzt derart viele beleidigende und zum Teil aggressive Einsendungen bekommen, dass eine konstruktive Diskussion kaum noch möglich ist. Wir haben die Kommentar-Funktion bei diesen Themen daher vorübergehend abgeschaltet. Selbstverständlich können Sie uns trotzdem Ihre Meinung sagen — per Facebook oder per E-Mail.

(das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort