TV-Nachlese "Maybrit Illner" Stoiber will "mehr Kohl", Gabriel "Solidaritätsprojekt" für Deutsche

Düsseldorf · Erneut beschäftigt sich eine Talkshow mit der Frage, wie es um die Macht der Kanzlerin bestellt ist. Doch der Gähn-Faktor bleibt aus – dank eines streitlustigen Sigmar Gabriel und eines Edmund Stoiber, der sich wie in alten Zeiten in Rage redet. Der Talk im Schnellcheck.

 Beherrschten den Talk: Edmund Stoiber und Sigmar Gabriel.

Beherrschten den Talk: Edmund Stoiber und Sigmar Gabriel.

Foto: Screenshot ZDF

Erneut beschäftigt sich eine Talkshow mit der Frage, wie es um die Macht der Kanzlerin bestellt ist. Doch der Gähn-Faktor bleibt aus — dank eines streitlustigen Sigmar Gabriel und eines Edmund Stoiber, der sich wie in alten Zeiten in Rage redet. Der Talk im Schnellcheck.

Darum ging's

"Angela Merkel verhandelt noch, da schaffen andere Länder Fakten", sagt Maybrit Illner zu Beginn der Sendung angesichts geschlossener Grenzen in Europa. Und fragt dann: "Wird Angela Merkel ihren Kurs ändern oder gehen müssen?" Ja, es ist wieder soweit: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik stehen im Mittelpunkt einer TV-Talkshow — ebenso wie am Tag zuvor bei Sandra Maischberger. Und natürlich lässt kaum einer ein gutes Haar am Handeln der Kanzlerin.

Die Runde

Die Gästeliste versprach zumindest eine kurzweilige Sendung. Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber geht mit dem Statement in die Sendung, dass es nicht um Merkel, sondern um Deutschland gehe. SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt die SPD einen Stabilitätsanker in der Koalition, die CSU dagegen eine Belastung. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski sagt, für Christen stelle sich nicht die Frage, ob, sondern wie sie helfen — und der CSU sei das C einfach abhanden gekommen. Der Publizist Christoph Schwennicke nennt Merkels Politik gescheitert. Und die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks sagt: Nicht Deutschland habe Europa, sondern Europa Deutschland im Stich gelassen.

Frontverlauf

Man ahnte es schon im Vorfeld, und am Ende tat Edmund Stoiber denn auch das, was man von ihm erwartete: Er redete sich gewohnt in Rage, griff die Politik der Bundesregierung und damit auch Sigmar Gabriel an. Der wiederum konterte in gewohnter Manier und lieferte sich manches Scharmützel mit Publizist Schwennicke. Die anderen beiden Gäste kamen so erwartbar wenig zu Wort — und wenn doch, schaffte es Stoiber, sie irgendwie niederzureden, was insbesondere Präses Rekowski zu spüren bekam.

Zu Beginn der Sendung gab sich der CSU-Ehrenvorsitzende noch ganz zahm, sagte Dinge wie "Angela Merkel ist doch nicht Schuld an der Flüchtlingssituation dieser Welt". Aber die Antwort, die Deutschland gebe, sei eben nicht die richtige. Mit den anderen Gästen kann er zumindest soweit Einigung erzielen, dass alle sicher sind, dass es ohne eine gemeinsame Linie in Europa eben keine Lösung der Flüchtlingskrise geben werde. Doch ab dem Moment, als Illner ihn nach der möglichen Verfassungsklage der CSU fragt, hält sich Stoiber nicht mehr zurück. Er lässt kaum jemanden zu Wort kommen, schimpft über die Politik der Bundesregierung wie ein Rohrspatz. "Wir bräuchten im Umgang mit den kleineren Ländern in Europa wieder mehr Kohl", "die haben das Gefühl: Mit uns wird nicht mehr richtig geredet'", sagt er etwa. Und man dürfe doch auch nicht die Kommunen und Länder im Stich lassen — was ihm von Gabriel ein "Ich habe endlich mal einen Unionspolitiker neben mir, der das fordert", einbringt.

Der Lacher des Abends

Präses Rekowski wünschte sich von Stoiber mehr Leidenschaft bei der Bekämpfung der Fluchtursachen. Das aber bringt den CSU-Mann erneut auf. Was das denn dann bedeute, mit Waffen in die Länder gehen? Der Präses verschafft sich an dieser Stelle tatsächlich Gehör, sagt: "Ich kann doch mal einen Satz entfalten." Woraufhin Gabriel sagt: "Das ist in der Politik unüblich" — was ihm jede Menge Lacher am Tisch und im Publikum einbringt.

Das Fettnäpfchen des Abends

Wer anderes als Edmund Stoiber sollte da hineingeraten. Moderatorin Illner provoziert ihn, sagt: "Herr Stoiber hat nicht so viele Probleme mit Herrn Orban — und auch nicht mit Putin." Klar, dass der CSU-Mann das nicht auf sich sitzen lässt. "Was heißt denn das?", fragt er und sagt, man müsse doch mit den Menschen reden, die in Europa Verantwortung tragen, und Russlands Präsident sei doch Teil der Lösung. Und dann fügt er noch hinzu: Willy Brandt hätte doch auch keiner kritisiert, als er sich mit dem sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew getroffen habe. Sofort kontert Schwennicke: "Doch, von der CSU." Die Lacher von allen Seiten hat Schwennicke damit auf seiner Seite — und Stoiber schweigt tatsächlich mal einen Moment.

Der SPD-Chef machte schon recht früh klar, dass er es ja gar nicht leiden könne, wenn ihm Journalisten die SPD erklärten. Und das ließ er Schwennicke den ganzen Abend über spüren, dieser konterte aber immer wieder zurück. So etwa, als Gabriel anmerkte, dass es durchaus andere Länder gebe, die Flüchtlinge aufnähmen — so etwa Schweden oder Portugal 10.000. Schwennicke: "Das sind doch homoöpathische Dosen." Gabriel: "Für Portugal nicht. Das kann nur jemand sagen, der das Land nicht kennt, ganz im Ernst."

Das ist am Ende nicht etwa Stoiber, sondern Publizist Schwennicke. Er sagt, er persönlich glaube nicht mehr, dass Merkel ihre Position noch ändern werde, aber genau das müsse sie tun. Für ihn grenze das an "Realitätsverweigerung", "man kann fast damit meinen, ob sie sich damit zur Märtyrerin stilisieren möchte".

Erkenntnis des Abends

Die Positionen der Parteien sind bekannt, ändern sich auch nicht an diesem Abend. Immerhin gibt auch Gabriel zu, "dass wir nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge integrieren können". Und er fordert ein "neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Gesellschaft". Die Menschen müssten merken, "dass ihre Bedürfnisse nicht weiter unter die Räder geraten". Damit dürfte er durchaus die Gedanken vieler Menschen getroffen haben. Ob sie ihm das aber abnehmen, steht auf einem ganz anderen Blatt.

(das)
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