TV-Talk mit Maybrit Illner "Die Nato ist kein Geschäft sondern ein Wertesystem"

Düsseldorf · Nach dem Trump-Sieg rätselt alle Welt was wirklich in Washington passieren wird. Maybrit Illner und ihre Gäste rätselten mit: Können wir mit einem Präsidenten Trump unseren Frieden machen?

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Foto: afp, mw

Darum ging's

"Was wird sich wirklich ändern, und was steht jetzt auf dem Spiel?" waren Fragen, die Maybrit Illner mit ihren Gästen besprechen wollte. Wie schätzt die Runde ein, was der Neue im Weißen Haus wirklich mit seiner Macht anstellen könnte? Und: Ist das gefährlich für Europa?

Darum ging's wirklich

Wird Trump so laut wie sein Wahlkampf? Oder wird er Ton und Ansichten mäßigen, wenn er eine Weile im Amt ist? Sind Demokratie und Menschenrechte in Gefahr? Was wird Trump für die Wirtschaft bedeuten? Einig waren sich die Gäste in ihrer Sorge, sein Sieg könnte populistischen Bewegungen in Deutschland und Europa Rückenwind verschaffen.

Die Runde

  • Fred Kempe, US-Journalist
  • Ursula von der Leyen, (CDU), Bundesverteidigungsministerin
  • Katharina Nocun, ehemalige Piraten-Politikerin und Netzaktivistin
  • Nicholas Smith, US-amerikanischer Gastronom und Trump-Wähler
  • Martin Richenhagen, deutsch-amerikanischer Geschäftsmann

Frontverlauf

Warum Medien und Meinungsforscher mit ihren Prognosen für einen Clinton-Sieg so falsch lagen, interessierte Maybrit Illner zum Einstieg. Die schnellste Antwort gab ihr Katharina Nocun: "Die Medien sind oft über Stöckchen gesprungen, die Trump ihnen hingehalten hat, anstatt sich wirklich mit seinen Inhalten auseinanderzusetzen." Diese Inhalte diskutierte die Runde dann im Verlauf der Sendung: Wird er wirklich hohe Mauern bauen, die Nato zur Kasse bitten und die Rolle der Weltpolizei an Putin abgeben? Der Ton unter den Gästen blieb fast immer höflich und respektvoll — fast als wollten sie angesichts der befürchteten Bedrohung demokratischer Werte erst recht Toleranz für andere Meinungen beweisen.

Fred Kempe hält Trumps Sieg für einen globalen Wendepunkt in der internationalen Politik. Im besten Fall, so der Journalist werde diese Wende ein Traum, im schlimmsten ein Albtraum. Doch seiner Ansicht nach können der Ruck, die Erneuerung und die Impulse, die von Trump ausgehen, auch gesund sein für Amerika. Dort seien vor allem Mittelständler und kleine Unternehmer Verlierer der Globalisierung. Und diese Verlierer hätten ihn gewählt. Das Establishment habe versagt. Trump indes habe die Probleme des Mittelstandes erkannt. Riskant sei nur, wenn er die Konsequenz zöge sich abzuschotten.

Abschottung hielt auch Manager Richenhagen für eine "absolute Katastrophe", für die Wirtschaft, aber erst recht im Verein mit einem Aufschwung der europäischen Populisten. Trump-Wähler Smith hoffte, dass Trumps "tolle Energie" genau jene Neuerung bringe, das Ende der Großunternehmenspolitik bedeuten und er Probleme mit Obamas Gesundheitsversorgung anfassen würde.

Ursula von der Leyen gab zu, am Morgen nach der Wahl schockiert gewesen zu sein. Jetzt aber müsse man sehen, wie man Kompromisse und zueinander finde. Es könne passieren, dass Trump wie die Brexit-Populisten erst viel verspreche, es dann aber nicht halte. "Das Gegenteil von dem zu tun, was man verspricht, zerstört die Glaubwürdigkeit in die Politik. Sie kritisierte die Verrohung der Umgangstons, das habe allerdings nicht mit Trump begonnen, sondern mit der Tea Party.

Die Bundesverteidigungsministerin sorgte sich aber vor allem um Trumps Einstellung zur Nato. "Hoffentlich sagen ihm seine Berater das, und hoffentlich wird er lernen, dass die Nato kein Geschäft ist", sagte von der Leyen. Das Bündnis sei ja eine Wertegemeinschaft und kein Unternehmen. "Das ist nicht so etwas, wo man sagt: Die Vergangenheit ist mir egal. Die Werte, die wir gemeinsam vertreten, sind mir egal, ich gucke lieber, wie viel Geld ich hinten rauskriege und ob ich einen guten Deal bekomme. So regiert man kein Land, und das ist auch nicht der Grundsatz der Nato", unterstrich die CDU-Politikerin.

Mehr Fragen als Antworten hatte die Gesprächsrunde zur Frage, welches Verhältnis Trump und Putin künftig haben würden. Wird Trump die Rolle des "Weltpolizisten" an Putin abgeben um Kosten zu sparen? Richenhagen wünschte sich, dass künftig mehr geredet und weniger geschossen würde. "Nicht zuletzt sterben täglich viele junge Amerikaner in den Konflikten." Die gebürtige Polin Nocun sah vor allem die Gefahr, kleinere Länder wie ihr Geburtsland könnten in dieser Machtkonstellation leicht zum Spielball der Großmächte werden.

Applaus erntete von der Leyen, als sie Trump an Putins Annexion der Krim und die Bombardierung Aleppos erinnerte. In Syrien verhungerten gerade eine Viertelmillion Menschen, Putin könne das mit einem Federstrich beenden. "Als amerikanischer Präsident kann er das ansprechen", verlangte sie.

Zu Merkels Rede nach Trumps Sieg gab es in der Runde gemischte Reaktionen. Amerikaner Smith kritisierte sie als falschen Schritt, seine Mutter etwa hätten die Worte der Kanzlerin beleidigt. Ursula von der Leyen war anderer Ansicht, an gemeinsame Werte zu erinnern, fand sie, sei keine Beleidigung. Richenhagen gab zu bedenken, man könne das intelligenter anstellen. Wenn jemand gerade gewählt worden sei, müsse man ihn vielleicht nicht daran erinnern was Demokratie ist. "Wir sollten uns eher fragen: Wie können wir ihn coachen? Denn das hat er nötig."

Fred Kempe hielt Merkels Worte zur Wertegemeinschaft angesichts des "politischen Erdbebens, das wir gerade erleben" für genau richtig. Auch müsse Trump bald klare Ansagen machen, wo er in puncto Menschenrechte und Demokratie stehe. Er vergleiche sich ja etwas mit einem Nixon-artigen Realpolitiker. Richenhagen erntete Lacher, als er retournierte: "Nixon war ja auch nicht der Hellste".

Satz des Abends

"Wenn Donald Trump so regiert wie er wahlkämpft, dann wird es ein Albtraum." (US-Journalist Fred Kempe)

Erkenntnis

Einig waren sich die Gäste darüber, dass ein "globaler Rechtsruck" nach Trumps Sieg um jeden Preis vermieden werden müsse. Wie genau das bewerkstelligt werden könne, dürfte allerdings Gesprächsthema für diverse weitere TV-Talks liefern.

Sie gesamte Sendung können Sie hier ansehen.

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(jj)
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