"Marvel's The Defenders" Vier gegen das Böse auf Netflix

Düsseldorf · Nach Daredevil, Jessica Jones, Luke Cage und Iron Fist erfüllt Netflix den Marvel-Fan-Wunsch: In der neuen Serie "The Defenders" kommen alle Superhelden zusammen. Unser Autor hat sich das Spektakel angesehen und gibt sein Fazit ab.

Fünf mal 13 — das sind 65 Episoden, die wir bei Netflix mit Matthew "Daredevil" Murdock (Charlie Cox), Jessica Jones (Krysten Ritter), Luke Cage (Mike Colter) und Danny "Iron Fist" Rand (Finn Jones) verbracht haben. Und ab Freitag können wir endlich das erleben, worauf wir seit 2015 gewartet haben: Alle vier Marvel-Superhelden kommen in "The Defenders" zusammen — in einer mit nur acht statt bisher üblichen 13 Episoden ungewohnt kurzen Staffel. Vorab konnten wir die ersten vier der acht Folgen sehen und uns selbst ein Bild von der großen Zusammenkunft machen.

Und die Serienmacher spannen uns anfangs auf die Folter. Schritt für Schritt wird gezeigt, wo sich unsere Helden gerade befinden. Nicht nur geographisch, sondern vor allem emotional: Matthew Murdock hat sein Daredevil-Kostüm im Schrank versteckt und kämpft gegen seinen Drang an, der Teufel von Hell's Kitchen zu sein. Jessica Jones leidet nach wie vor unter der ungewollten Berühmtheit, die sie im Kampf gegen Kilgrave erlangt hat. Luke Cage wird aus dem Gefängnis entlassen, in dem er am Ende seiner "eigenen" Serie gelandet ist. Und Danny Rand jagt weltweit nach dem ominösen Geheimbund "Die Hand" und leidet unter dem Versagen, die mystische Stadt K'un-Lun nicht beschützt zu haben. Denn das wäre seine Aufgabe als "Iron Fist" gewesen.

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Stattdessen hat er versucht, in New York an sein altes Leben anzuknüpfen. Gerade Danny Rand hat in "The Defenders" die größte Wandlung durchgemacht: Bewegte er sich bislang zwischen langweilig, kindisch und nervig, wird er in "The Defenders" nach der Konfrontation mit der bitteren Realität von Albträumen und Schuldgefühlen geplagt. So gewinnt er an Tiefe und wird langsam erwachsen.

Schritt für Schritt setzen sich die Teile des Puzzles zusammen und dreht sich ein Rädchen ins andere: Jeder der Helden kommt alleine und für sich langsam der großen Bedrohung näher, die im Dunkeln lauert. Und es macht Spaß zu sehen, wie jeder von ihnen einer Spur folgt und einen Faden aufgreift, der sie am Ende zusammenführen wird. Zumal es der Serie die Gelegenheit bietet, uns zu zeigen, dass Matthew Murdock nicht nur Daredevil, sondern auch ein begabter Anwalt ist. Und Jessica Jones verlässt sich nicht nur auf ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten: Sie ist eine fähige Privatdetektivin, die sich in eine zeitintensive Recherche stürzt.

Die Spannung baut sich in "The Defenders" langsam auf, bis die vier Helden endlich zueinanderfinden. Als es dann passiert, knallt es. Nicht nur buchstäblich. Die Figuren sind zu unterschiedlich und haben zu verschiedene Hintergründe, dass es einfacher scheint, wütende Wespen mit bloßen Händen zusammenzuhalten als diese vier: Eine rotzige Jessica Jones schert sich einen Dreck um die Probleme der anderen und stößt sie immer wieder vor den Kopf: "Mit dem Schal siehst du aus wie ein Arsch", sagt sie zu Daredevil.

Der kontert: "Den Schal habe ich von dir geliehen." Auch Luke Cage kommt zunächst mit Danny Rand alles andere als klar, dem er vorwirft, naiv und sein ganzes Leben lang privilegiert gewesen zu sein. Und wer würde nicht die Augen verdrehen, wenn ein junger, reicher Snob von der mystischen Stadt K'un-Lun erzählt und behauptet, einen Drachen besiegt zu haben?

Es brodelt darum heftig, als die vier Superhelden zusammensitzen. Mal will der eine mit den anderen nichts zu tun haben, dann der nächste. Trotz der Gefahr, die von Anfang an wie ein dunkler Schatten über New York liegt — verkörpert von Alexandra: Sigourney Weaver spielt diese Grande Dame des Bösen mit Zurückhaltung und schafft so einen der besten Gegenspieler in Marvels Film- und TV-Universum. Die Schauspielerin strahlt als Alexandra eine solche Überlegenheit und gleichzeitig eine solche Kälte und Düsternis aus, dass sie an Darth Vader in Star Wars heranreicht — nur ohne eine Maske. Zumal sie die Gelassenheit eines Wesens an den Tag legt, das sehr viel älter ist, als es scheint.

Es sind immer nur eingestreute Kleinigkeiten. Aber sie spricht von dem klassischen Komponisten Brahms wie von einem alten Bekannten. Und in einem türkischen Restaurant sagt sie Konstantinopel, woraufhin sie vom Wirt korrigiert wird: Es heiße Istanbul und schon lange nicht mehr Konstantinopel. Sie lächelt milde und wissend. Sigourney Weaver spielt ihre Rolle heraus- und überragend gut und voller Andeutung dessen, wozu sie in der Lage ist. Denn vor ihr kuscht sogar Madame Gao (Wai Ching Ho), die wir bislang als mächtige Figur kennengelernt haben — der ominösen "Hand".

Um diese Schattenorganisation geht es auch in der neuen Netflix-Serie, nachdem sie in Daredevil eingeführt worden war und in "Iron Fist" dann nur wie ein besseres Drogenkartell wirkte. Tatsächlich steckt sehr viel mehr dahinter. In "The Defenders" lernen wir die Hintergründe und Ursprünge der "Hand" kennen. Und wir sehen nach den düsteren Andeutungen in der zweiten Daredevil-Staffel auch, was aus Elektra Natchios (Elodie Yung) geworden ist.

Das Fazit nach den ersten vier von acht Folgen: "The Defenders" legen eine gelungen erste Halbzeit hin. Die Serie geht sehr liebe- und respektvoll mit den etablierten Figuren und auch den bekannten Nebencharakteren um. Man bringt sie langsam in Position und baut gerade dadurch immer mehr Spannung auf. Die Serie verliert sich nicht in Materialschlachten, überhastet nichts, sondern gibt dem Zuschauer Zeit, sich an das Ensemble zu gewöhnen — so wie die Helden Zeit brauchen, um sich aneinander zu gewöhnen. Und nach Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio) hat man mit Alexandra erneut einen beeindruckenden, interessanten und komplexen Gegenspieler eingeführt.

(jov)
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