NRW-Gesundheitsminister Laumann bei Markus Lanz „Keiner weiß genau, welche Maßnahme am meisten geholfen hat“

Düsseldorf · Die Diskussion in der Talkshow „Markus Lanz“ drehte sich am Donnerstag um Impfungen für Kinder und falsche Hoffnungen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach Tacheles und verteidigte die Corona-Politik in NRW.

 Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 27. Mai 2021.

Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 27. Mai 2021.

Foto: ZDF

Wieder einmal ging es bei „Markus Lanz“ am Donnerstagabend vor allem um die Bekämpfung der Corona-Pandemie.

 Die Gäste:

  • Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales
  • Yasmine M’Barek, Journalistin
  • Dirk Brockmann, Physiker
  • Jörg Dötsch, Kölner Kinder- und Jugendmediziner

 Darum ging’s:

Die Diskussion drehte sich um Impfungen für Kinder und Jugendliche, um falsche Hoffnungen – und ein bisschen auch um die Corona-Politik in NRW und um Armin Laschet.

 Der Talkverlauf:

Gleich zu Beginn der Runde steckt Moderator Markus Lanz den Erwartungsrahmen ab. Er stellt Karl-Josef Laumann als einen Menschen vor, der „so klar und bodenständig redet wie kaum ein anderer in der Politik“. Und der nordrhein-westfälische Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales liefert dann auch Tacheles. Zur Diskussion um Impfungen für Kinder und Jugendliche sagt er: „Dadurch, dass man eine zusätzliche Gruppe von Menschen beim Impfen hinzunimmt, wird der Impfstoff nicht mehr.“ Mehrfach betont Laumann, er sei froh, dass bei diesem Thema zuletzt „ewas mehr Realität reingekommen“ sei. Wenig angetan zeigt er sich von jenen, die unerfüllbare Erwartungen schüren. „Das Impftempo bei uns liegt nicht an der Organisation, sondern es wird ausschließlich durch die Menge des Impfstoffs bestimmt“, so Laumann.

Die Journalistin Yasmine M’Barek wirft ein, dass es nur wenige Politiker gibt, die das so klar äußern. In der Bevölkerung sei es entsprechend nicht angekommen, dass der Lieferstatus beim Impfstoff unveränderbar ist. Daraufhin erklärt Laumann am Beispiel NRW, wie es mit den Mengen an Impfstoff ausschaut. Für das Bundesland gebe es 485.000 Dosen pro Woche für die Impfzentren, und der Bund verteile zudem Impfstoff an Hausärzte – nach Laumanns Schätzung kämen dabei in den nächsten vier bis fünf Wochen insgesamt etwa 2,7 Millionen Dosen zusammen. NRW hat rund 1,2 Millionen Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren, so Laumann.

Der Kölner Kinder- und Jugendmediziner Jörg Dötsch erinnert daran, worum es bei einer Impfung von Kindern eigentlich geht. „Da geht es nicht um den Nutzen für die Erwachsenen, sondern für das einzelne Kind.“ Er plädiert dafür, keinen Druck zu machen und die Entscheidung individuell zu treffen. Auch Laumann plant inzwischen, diese Altersgruppe nicht gesondert zu impfen, etwa in Schulen, sondern ihr etwaigen Impftermine über das normale System mit anzubieten.

Bald kommt das Gespräch damit dann auf das Gerangel um einen Impftermin. Laumann unterstützt eine Aufhebung der Priorisierung. Die Prioritätsgruppe 3 sei angesichts ihrer Größe nicht beherrschbar, und die Regeln kaum nachvollziehbar – zum Beispiel durch feine Unterschiede dabei, wer wo und wie arbeitet. „Da bin ich bei drei Vierteln der nordrhein-westfälischen Bevölkerung“, poltert Laumann.

Als Lanz eine Kurvendiskussion mit dem Pandemie-Modellierer Dirk Brockmann beginnt, findet Laumann Anlass zum Schmunzeln. Brockmann erklärt, dass man in seinem Beruf früh lerne, zu einer Prognose stets die dazugehörigen Annahmen zu nennen. „Und die typische Annahme ist, dass sich in der Zeit der Prognose nichts ändert.“ Erfahrungen aus anderen Fällen wie etwa mit Ebola hätten in seinem Arbeitsgebiet zu dem Konsens geführt: Länger als eine Woche in die Zukunft geht es nicht.

Das nimmt Laumann zum Anlass, die Corona-Politik in NRW zu verteidigen. Dort sei man dafür belächelt worden, nach dem Prinzip „auf Sicht fahren“ vorzugehen. Nun sei der Landesdurchschnitt bei einer Inzidenz um die 50. „Aber wenn man mal ehrlich ist: Keiner weiß genau, warum, und auch nicht, welche Maßnahme am meisten geholfen hat.“ Dennoch äußert Laumann die Hoffnung, dass Impfungen im Herbst dafür sorgen, dass die Inzidenzen nicht mehr so sehr in die Höhe schnellen wie im Vorjahr.

Brockmann reagiert allerdings allergisch – auf das Prinzip Hoffnung, aber auch auf die Idee, dass einwöchige Prognosen ein „auf Sicht fahren“ rechtfertigen könnten. „Dass man nicht prognostizieren kann, wo die Inzidenz in drei Monaten ist, heißt ja ncht, dass man auf Sicht fahren muss“, sagt der Physiker. Ein eindringliches Beispiel dafür hat er auch zur Hand, für das Lanz wieder eine der beliebten Kurven einblenden lässt: Mitten in die dritte Welle hinein sei geöffnet worden. „Das ist nicht auf Sicht fahren, das ist idiotisch gewesen“, sagt Brockmann.

Nun will Lanz aber nicht mehr weiter Corona-Geschichte aufarbeiten, sondern die jüngste CDU-Geschichte. Da stellt sich Laumann klar hinter den Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Die Alternative hätte ihm nicht so gut gefallen, bekundet Laumann. „Ich glaube, dass die Union keine Bewegung ist, wir sind nicht etwas, das man voll auf eine Person konzentrieren kann“, sagt er. Für Jungpolitiker, die durch Beratungstätigkeiten in Verruf gerieten, hat Laumann kein Verständnis. „Ich finde, ein Politiker ist dafür da, sich um das Allgemeinwohl zu kümmern“, sagt er. An eine Beratungsfirma habe er nicht gedacht, als er mit 33 Jahren in den Bundestag gewählt worden war. In seiner Zukunft sieht Laumann es nicht, mit Laschet gegebenenfalls nach Berlin zu gehen. „Es sind jetzt so viele Nordrhein-Westfalen wichtige Menschen in Berlin – lass mich mal lieber in NRW bleiben.“

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