„Lanz“ über Heizen und Wohnungsnot „Biomasse heißt übersetzt: Wir verbrennen Holz“

Hamburg · Heizen und Wohnen: Die Themen am Mittwochabend bei „Markus Lanz“ klingen gemütlich. Tatsächlich bleibt Streit im Talk aus, aber es sorgt auch niemand für Wohlfühlstimmung – im Gegenteil.

 Die Talkshow „Markus Lanz“ am 26. April 2023.

Die Talkshow „Markus Lanz“ am 26. April 2023.

Foto: ZDF

Am Mittwochabend dreht sich bei „Markus Lanz“ der größte Teil der Sendung um Fragen, die viele Menschen beschäftigen – vom erschwinglichen Wohnraum bis zur klimafreundlichen Heizung.

Die Gäste:

  • Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
  • Julia Löhr, Wirtschaftsjournalistin
  • Peter Wohlleben, Förster
  • Tim von Winning, Baubürgermeister von Ulm

Darum ging’s:

Um Heizen und Wohnen, um Holz und Wald.

Der Talkverlauf:

Erstes Thema der Talkshow am Mittwochabend: Der Verkauf des Wärmepumpengeschäfts des hessischen Heizungsbauers Viessmann in die USA. „Sie haben diese Entscheidung getroffen, damit Viessmann auch noch weiterhin eine lange Tradition in Deutschland hat“, sagt Bauministerin Klara Geywitz, die mit dem Firmeninhaber gesprochen hat, mit Verweis auf die lange Unternehmensgeschichte. Die unternehmerische Entscheidung könne sie nachvollziehen, sagt die SPD-Politikerin. Dabei sei es dem Familienunternehmen auch darum gegangen, den Standort und die Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings brauche Europa eigene Produzenten von Wärmepumpen, um Abhängigkeiten zu vermeiden.

Die Wirtschaftsjournalistin Julia Löhr rückt falsche Vorstellungen von der Unternehmensgröße zurecht. In Japan, Korea und auch China stünde Wärmepumpen-Konkurrenz bereit, die sowohl Erfahrung mit der Technik habe als auch fertige Produktionsstrecken, während Viessmann gerade erst plane, die Wärmepumpenproduktion hochzufahren. „Die deutschen Heizungshersteller waren eben sehr lange auf die Heiztechnik fokussiert, die im deutschen Markt sehr verbreitet war: die Gasheizung“, sagt Löhr.

Für eine Weile reitet Lanz mit Suggestivfragen und Wiederholungen auf seiner eigenen Ansicht herum, Deutschland sei „wieder einmal zu spät dran“, doch Löhr will nicht einstimmen. Wärmepumpen seien ein Massenprodukt, stellt sie klar, und sie würden sowohl in Asien als auch in Amerika und Europa hergestellt – und das sei per se etwas Gutes. „Das ist Wettbewerb, dadurch werden die Preise sinken“, sagt die Journalistin. So werde die Umrüstung für Hausbesitzer günstiger und der Staat müsse weniger Fördermittel ausgeben.

Tim von Winning bringt den Fachkräftemangel ins Spiel. „Der Weg ist der richtige, aber ich glaube, dass die Geschwindigkeit zu hoch ist, um es tatsächlich umsetzen zu können.“ Der Baubürgermeister von Ulm berichtet zwar, dass in seiner Stadt schon seit Jahren keine „leitungsgebundene fossile Energie“ mehr verbaut würde. Dabei weist er darauf hin, dass Viessmann sich nicht etwa vom Heizungsmarkt verabschiede, sondern sich auf zentrale Wärmenetze konzentriere. Eine zentrale Wärmeversorgung – bekannt als Fernwärme – kommt etwa in Ballungsräumen zum Einsatz.

Der Lokalpolitiker erinnert auch daran, wie schnell sich technische Lösungen weiterentwickeln. Ulm etwa sei vor rund 15 Jahren auf Biomasse als Energielieferant für ein solches System umgestiegen. „Aber Biomasse heißt übersetzt: Wir verbrennen Holz“, sagt von Winning. Nach heutigen Kriterien würde das nicht als erstrebenswerte Heizung angesehen.

„Das ist ein sehr schöner Fall von Lobbyismus“, steigt Peter Wohlleben beim Thema „Biomasse“ in die Diskussion ein. Der „bekannteste Förster Deutschlands“ hat viele Jahre lang im Gemeindewald Hümmel im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler gearbeitet und mit seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ weltweites Interesse geweckt.

Im Talk über Biomasse zeigt sich Wohlleben meinungsfreudig: Wie die Erdölindustrie, die trotz besseren Wissens jahrelang den Klimawandel geleugnet habe, so behaupte die Forstindustrie fälschlicherweise, die Verbrennung von Holz sei CO2-neutral. Lanz hilft sogleich mit dem Rest der Argumentationskette aus: Das Kohlendioxid, das beim Holzverbrennen entstehe, habe der Baum ja vorher aus der Luft gezogen. „Genau“, sagt Wohlleben. „Wie die Kohle auch.“ Die Wissenschaft sei sich einig, dass das Verbrennen von Holz klimaschädlich sei. Dennoch werde in Deutschland mehr als die Hälfte des Holzverbrauchs verfeuert.

Der Waldexperte betont die Klimawirkung des Waldes, die ihm zufolge schon Alexander von Humboldt kannte: Bäume kühlen Landschaften und sorgen für Regenkreisläufe. Wo abgeholzt werde, werde es heißer, was auch ein Wiederaufforsten erschwere.

Die Hoffnung, dass nachwachsende Bäume das CO2, das Menschen jetzt in die Atmosphäre schicken, später wieder aus der Luft ziehen, hält Wohlleben für eine riskante Wette. Seine Begründung: „Wir sehen in Deutschland großflächig zusammenbrechende Wälder.“ Wegen der schrumpfenden deutschen Wälder hält er auch die Idee für „Fantasie“, Neubauten mit Holz zu bauen. „Wo soll das Holz denn herkommen?“, fragt Wohlleben. Er fordert die Erforschung alternativer Baustoffe.

Als Lanz die Idee zitiert, die Leute sollten in leerstehenden Wohnraum auf dem Land ziehen, klingt offenbar Dünkel durch. Jedenfalls sagt Geywitz dazu: „Ich komme ja aus Brandenburg, und ich kann Ihnen sagen, Herr Lanz, es gibt Menschen, die wohnen sehr, sehr gerne auf dem Land und sind nur in die Stadt gezogen, weil sie keine Arbeit gefunden haben.“ Allerdings sieht Geywitz neue Chancen für das Landleben durch Homeoffice und 49-Euro-Ticket. Deshalb fordert die Bauministerin, in ländlichen Gegenden mit hoher Einfamilienhausdichte auch für Mietwohnungen zu sorgen. Für Städte schlägt sie vor, ungenutzte Büros in Wohnraum umzuwandeln und bestehende Wohnhäuser um mehrere Etagen nach oben zu erweitern – auch mit Blick auf Grundstückspreise.

Geywitz setzt sich zudem für serielle und modulare Bauweisen ein, weil damit ihrer Ansicht nach auch das Problem des Arbeitskräftemangels in der Bauindustrie gelindert werden könnte. Die Journalistin Löhr wendet ein, dass bereits genehmigte Wohnungsbauvorhaben nicht mehr umgesetzt werden, weil Baukosten und Zinsen zu teuer geworden seien. „Als Deutschland insgesamt haben wir keinen Wohnraummangel, sondern der Wohnraum fehlt da, wo die meisten Menschen sind“, sagt Löhr mit Blick auf 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen. Sie hält es für unumgänglich, Wohnraum in den Ballungszentren zu schaffen.

Der Ulmer Lokalpolitiker von Winning pocht auf staatliche Fördermaßnahmen. „Wir hatten auch schon mal Zinsen von acht oder zehn Prozent, da ist auch gebaut worden“, sagt er, allerdings habe es damals staatlichen Kredit mit langen Laufzeiten bekommen. Bauministerin Geywitz zählt daraufhin mehrere Beispiele für Bauförderung auf, schränkt aber ein: „Einen allgemeinen Baukostenzuschuss für 300.000 oder 500.000 Wohnungen kann der Staat niemals bezahlen.“

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