TV-Nachlese „Markus Lanz“ „Herabgucken auf den fleischessenden Verbrennungsmotorfreund“

Düsseldorf · Hat Annalena Baerbock keine Zeit für Markus Lanz? Wer ist eigentlich noch links? Und was muss jetzt in Afghanistan passieren? Im ZDF wird am Abend zu Wahlkampf und Politik wortreich gestritten.

 Markus Lanz spricht mit seinen Gästen über den Wahlkampf, die Grünen und Afghanistan.

Markus Lanz spricht mit seinen Gästen über den Wahlkampf, die Grünen und Afghanistan.

Foto: Screenshot ZDF

Darum ging es

Zwei Politiker, einen Chefredakteur und eine deutsch-afghanische Juristin hat Markus Lanz am Abend ins ZDF eingeladen. Seine Themen sind der Wahlkampf der Grünen, die Position der Linken und der Umgang mit Afghanistan.

Die Gäste

  • Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender Die Linke
  • Michael Kellner, Wahlkampfstratege von Bündnis 90/Die Grünen
  • Ulf Poschardt, Chefredakteur “Die Welt”
  • Homaira Hakimi, deutsch-afghanische Juristin

Der Talkverlauf

Markus Lanz hadert am Abend im ZDF zunächst ausdauernd damit, dass Annalena Baerbock offenbar keine Zeit für seine Sendung hat. Wird sie vom Strategen Michael Kellner kontrolliert? Bevorzugt sie private Sender? Der grüne Bundesgeschäftsführer erklärt ihre Absagen höflich durch viele Termine: Die Kandidatin sei in der dritten Wahlkampfphase unermüdlich in der Republik unterwegs, um über Inhalte zu sprechen. Es gehe unter anderem um Klimaschutz, den 1,5 Grad-Pfad und die Kindergrundsicherung: “Dafür fahren wir durchs Land und werben für unser Angebot.”

Aber auch Ulf Poschardt ärgert, dass er für die “Welt” kein Interview bekommt und nennt das “ganz bewusste Selektion”. Dabei habe er Baerbock durchaus als “kluge und talentierte Frau wahrgenommen”, die sich ja schon mal unbequemeren Medien stellen könnte. Im Übrigen hat der Mann vom Springer-Verlag wenig Gutes über Kellners Partei zu sagen, die habe zwar zunächst im Wahlkampf alles richtig gemacht, aber dann zu sehr an sich selbst geglaubt. Nachdem er tüchtig in die Anglizismen-Kiste greift und von “instagrammig”, “support” und “input” spricht, wirft er den Grünen Abgehobenheit vor und wettert: “Das Milieu, das sie kulturell trägt und unterstützt, der kulturell mediale Komplex ist das unsympathischste, selbstgerechteste Spießertum, das diese Bundesrepublik kennt.” Er sehe “eine unfassbare Selbstgerechtigkeit und Hochmut gegenüber anderen Menschen” und bemängelt ein “Herabgucken auf den fleischessenden Verbrennungsmotorfreund”.

Kellner lässt Poschardts Tirade geduldig über sich ergehen und sagt, es gehe den Grünen nicht darum, einzelnen Menschen vorzuschreiben was sie essen, man kämpfe vielmehr “für andere Regeln für die Gesellschaft, damit wir Paris erreichen”. Er sehe die Grünen nach wie vor als “Underdog” und hoffe auf eine politische Wende, noch nie habe die Partei vor einer Wahl so stark dagestanden wie jetzt. Die Union hab e ihren Führungsanspruch verloren, jetzt könne man mit knapp über 20 Prozent “stärkste Kraft in diesem Land werden. Das gab’s noch nie.”

Nach einem Ende der Großen Koalition sehnt sich auch Dietmar Bartsch. “Mitte-Links ist das Beste, was wir für Deutschland haben können”, sagt er, da sei die FDP aber nicht dabei. Wer da nun allerdings idealerweise ‘dabei’ sein könnte, wird nicht so recht klar, denn: “Grüne und SPD sind nicht mehr Teil eines Linksbündnisses”, urteilt der Linke, denn die Grünen seien längst “eine bürgerliche Partei”, befindet er und fordert: “Die staatspolitisch verwahrloste CDU muss raus aus der Regierung.” Ihn stört vor allem, dass für politische Fehler keine Verantwortung mehr übernommen werde: “Wir haben eine Unkultur der Verantwortungslosigkeit in Deutschland - da tritt keiner mehr zurück.” Jürgen Möllemann sei seinerzeit wegen Einkaufschips zurückgetreten, heute könne Andi Scheuer mit der gescheiterten Pkw-Maut “Millionen versenken  - da passiert gar nichts.”

Dass die Linke das Mandat für die Afghanistan-Mission nicht unterstützt hat, begründet Bartsch mit dem Zeitpunkt: “Das war ein schludriges Mandat”. Man könne der Linken nicht unterstellen, sie wollten keine Leute retten, was jedoch wirklich abgelaufen sei nennt er ein “totales Desaster.”

Als Lanz wissen will, ob eigentlich “die Richtigen” aus Afghanistan ausgeflogen wurden kommt auch die deutsch-afghanische Juristin Homaira Hakimi zu Wort: Alle Personen, deutsche Staatsbürger und solche mit afghanischen Wurzeln, ebenso wie Ortskräfte müssten alle raus, “weil sie sich alle auf gewisse Weise in Gefahr befinden. Jetzt abzuwarten und zu zögern nennt sie “russisches Roulette”.

Die gebürtige Kabulerin floh 1991 mit ihren Eltern über Indien nach Deutschland und wuchs als “klassisches Flüchtlingskind” auf ehe sie in Bremen Jura studierte. 2011 ging sie zurück nach Afghanistan und leistete Aufbauarbeit im Außenministerium in Kabul. Damals habe sie ein “Land im Aufbruch und voller Hoffnung” vorgefunden, “eine junge Generation voller Motivation und Tatendrang.”  Es habe eine Medienlandschaft gegeben, Diplomatinnen, Parlamentarierinnen, eine offene Gesellschaft. “Diese guten Nachrichten haben wir in den Medien hier kaum gehört”, sagt sie, daher sei in Vergessenheit geraten, welche Entwicklung es dort gab bis sich die Situation nach den Wahlen 2014 änderte und Korruption überhand nahm.

Ulf Poschardt kritisiert die deutsche Afghanistan-Politik und sagt: “Natürlich hätten wir drin bleiben müssen.” Hakimi interessiert sich eher für die nächsten Schritte. Überlegt werden müsse: “Was können wir jetzt ad hoc machen? Wie können wir die Kräfte rausholen?” Danach könne man sich daran machen, aufzudecken, warum die Mission so gescheitert ist und ob man nun einen Dialog mit den Taliban findet.

(juju)
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