TV-Talk mit Maischberger zum Asylkompromiss “Beim nächsten Streit müssen sie den Papst holen”

Düsseldorf · Sandra Maischberger lässt in ihrer letzten Sendung vor der Sommerpause noch einmal den Unionsstreit und den Asylkompromiss diskutieren. Ihre Gäste haben reichlich Kritik für Horst Seehofer mitgebracht und sehen die geplanten Transitzentren eher skeptisch.

 ARD-Moderatorin Sandra Maischberger

ARD-Moderatorin Sandra Maischberger

Foto: dpa/Oliver Ziebe

Darum ging’s Nachdem der Machtkampf zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer beigelegt scheint, will Sandra Maischberger am Mittwochabend in der ARD einen Blick auf die Regierungskoalition werfen. Der CSU-Chef kassierte seinen bereits angedrohten Rücktritt. Die SPD soll den Asylkompromiss nun absegnen. Maischberger will wissen: Gibt es Grund zur Entwarnung? Wird sich die Große Koalition jetzt ohne internen Streit ihrer eigentlichen Aufgabe widmen?

Darum ging’s wirklich Drei Politiker und zwei Journalisten werten aus, wie schädlich der Streit der Unionsparteien und Horst Seehofers Verhalten wirklich waren - nicht nur für die Regierung, für Deutschland und Europa, sondern auch für den Respekt der Bevölkerung gegenüber der Politik. Sie besprechen außerdem, wie und ob die geplanten Transitzentren eigentlich funktionieren können.

Die Gäste

  • Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister, CDU,
  • Ferdos Forudastan, Innenpolitikchefin der "Süddeutsche Zeitung”
  • Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, SPD
  • Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredakteur der „Bild“-Zeitung
  • Ilse Aigner, stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin, CSU (zugeschaltet vom Tegernsee)

Der Frontverlauf

Für Bundesinnenminister Horst Seehofer und seine Manöver im Streit um den Umgang mit Migranten an den Grenzen – seine persönliche Kampfansagen, die Rücktrittsankündigung und der Rückzug davon – finden die Gäste deutliche Worte: Sie nennen ihn “erratisch und sprunghaft” (Forudastan) und sind von seinem “doppelten Rittberger” überrascht (Blome). Michael Müller schreibt Seehofer, der in Maischbergers Sendung in der Vorwoche allein zu Gast war, ein “Armutszeugnis” dafür aus, wie er mit einem so wichtigen Thema umgegangen ist.

Peter Altmaier fällt eine Entschuldigung nicht schwer: „Ja, es tut mir leid, wie es abgelaufen ist“, sagt der CDU-Mann und bedauert, wie viel Politisches mit Persönlichem durcheinander ging. „Das war gewiss kein Ruhmesblatt.“ Nach zweieinhalb Jahren, in denen intensiv über das Flüchtlingsthema diskutiert worden sei, wünschten sich jetzt aber „viele Bürgerinnen und Bürger, dass wir andere Themen in den Mittelpunkt stellen.“ Ganz soweit ist es allerdings noch nicht. Ilse Aigner, zugeschaltet vom Tegernsee, mag Seehofer kein Fehlverhalten vorwerfen, sie wirbt um Verständnis: Der Bundesinnenminister habe gewiss „hart und hoch gepokert“, für sie zähle aber allein das Ergebnis, das sie für einen Erfolg hält.

Dem Journalisten Blome gingen Seehofers Kartentricks dagegen eindeutig zu weit: „Gepokert und gedroht wird immer“, sagt er, aber in diesem Fall hätten Stabilität der Regierung, der Parteienlandschaft und ein Stück weit Europas auf dem Spiel gestanden. Ego und Eitelkeit so einzusetzen, findet er verantwortungslos. „Beim nächsten Streit müssen sie dann nicht Schäuble holen, sondern den Papst“, stichelt der „Bild“-Vize und nennt Seehofers Herangehensweise „überblasen“. Michael Müller kritisiert, dass Seehofer in dieser heiklen Situation populistische Parteien stärke. Dass unterwegs der bei einigen Bürgern schon angeschlagene Respekt für politisches Vorgehen weiter gelitten habe, findet auch Journalistin Forudastan bedenklich. Sie hätte sich auch klarere Worte von den Sozialdemokraten gewünscht.

„Politische Kräfte brauchten ein Symbol”

Schließlich spekulieren die Gäste, inwieweit die Transitzentren - so die SPD ihnen zustimmen sollte - leisten können, was sich die CSU von ihnen verspricht: Etwa innerhalb von 48 Stunden darüber zu entscheiden, ob jemand schon anderswo in Europa Asyl beantragt hat oder aus anderen, etwa familiären Gründen ein Asylverfahren beginnen kann. Nach Ansicht von Berlins Bürgermeister Müller könnten all diese Prüfungen auch in den Ländern erledigt werden. „Dafür brauche ich keine Transitzentren.“ Er hält sie, wie schon 2015, für „nicht vernünftig”.

Er sehe für geschlossene Einrichtungen an den Grenzen keine Mehrheit in seiner Partei, vor allem solange noch zu viele Fragen offen seien und die Reaktion der Nachbarländer noch unklar sei. Aus Österreich, wo Seehofer an diesem Donnerstag zu Gast ist, gebe es bisher keine positiven Signale zur Rücknahme von Flüchtlingen. Forudastan sieht Vereinbarungen mit Italiens neuer Regierung skeptisch. Allein Peter Altmaier gibt sich durchweg optimistisch. Er hofft auf ein „geordnetes, humanitäres und vertretbares Verfahren“, das eventuell mal länger als 48 Stunden dauern könne, aber funktionieren werde. Auch mit der SPD werde man sich hoffentlich einig.

Politikredakteurin Forudastan glaubt nicht, dass es bei der Schaffung der Zentren vor allem um rasche Rückführungen gehe. „Transitzentren gibt es, weil es politische Kräfte gibt, die ein Symbol gebraucht haben und zeigen wollten ‚Ich tue jetzt was’.“ Sie versteht nicht, wieso die CSU nicht vielmehr die Ängste der Menschen ernst nehme und mit positiven Fakten argumentiere, statt durch ein „Angstförderungsprogramm“ Wähler zur AfD treibe. Unter anderem gebe es derzeit 90 Prozent weniger Flüchtlinge als 2015/16. “Wenn es nur darum ginge, Menschen die Angst haben, zu beruhigen, wäre doch wirkungsvoller darauf hinzuweisen, was man seither alles geschafft hat.”

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