TV-Premiere Liebe Engländer, das müsst Ihr über „Dinner For One“ wissen

Düsseldorf · An Silvester läuft der Kult-Sketch erstmals im britischen Fernsehen. Lässt sich der enorme Erfolg in Deutschland einem Engländer erklären? Unser Autor hat es versucht.

 Gleich stolpert er wieder... ha... ha... ha.

Gleich stolpert er wieder... ha... ha... ha.

Foto: dpa/Annemarie Aldag

Zunächst entschuldigt bitte, sollte ich die Begriffe England, Großbritannien und UK verwenden, als würden Sie dasselbe bedeuten. Für uns Deutsche tut es das nämlich.

Ihr ahnt es nicht einmal, aber es gibt da einen TV-Sketch von zwei britischen Schauspielern, May Warden und Freddie Frinton, der läuft in diesem Jahr zum ersten Mal bei euch im Fernsehen – in Deutschland aber ist seit den 70er Jahren ein Silvester ohne „Dinner For One“ nicht denkbar.

Am 31. Dezember ist er wieder mehr als ein Dutzendmal zu sehen. Dazu kommen mehrere Mundart-Versionen, es gibt nicht nur eine für Hessen, sondern auch eine für Nordhessen. Im nächsten Jahr eröffnet in Bremerhaven eine Ausstellung zu „Dinner For One“, eine Szene haben wir auf einer Briefmarke verewigt. Wir Deutschen lieben den Sketch, als hätte es den Krieg nie gegeben.

Diese 18 Minuten, in denen Miss Sophie ihren 90. Geburtstag auf ihrem Landsitz feiert, wie immer mit ihren besten Freunden Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom. Wir Deutsche kennen mehr Mitglieder der Tafelrunde als der Beatles. Problem ist: Die vier Freunde sind längst tot. Deshalb muss Butler James nicht nur die vier Gänge servieren, sondern auch die Rolle der Verstorbenen übernehmen. Problem Nummer 2: Miss Sophie möchte zu jedem Gang Alkohol, und die vier vornehmen Freunde sollen gefälligst mittrinken.

Die Lacher speisen sich beinahe ausschließlich daraus, dass der arme Butler, der schon zu Beginn nicht mehr völlig nüchtern wirkt, mit jedem Gang dem Vollrausch näherkommt. Er schwankt, er lallt, er trinkt irgendwann aus der Blumenvase und er fragt Miss Sophie vor jeder Runde: „The same procedure as last year, Miss Sophie?“ Und sie antwortet: „The same procedure as every year, James.“

Daraus ergeben sich einige Running Gags und der größte ist, wie James ein Dutzendmal über den Kopf eines Tigerfells stolpert. Einmal geht er daran vorbei, ist selbst überrascht und stolpert dann auf dem Rückweg. Herrlich, oder? Der Sketch wurde vor Publikum aufgezeichnet, 1963 vom Regionalsender NDR, und der Tiger sorgt jedes Mal für Lacher, die ins Hysterische gehen. Ich bin überzeugt, Hunderttausende Deutsche lachen heute noch genau so darüber.

Machen wir uns nichts vor. Falls ihr den Sketch, der bei euch auf dem Spartenkanal Sky Arts läuft, überhaupt anschaut, werdet ihr euch danach vermutlich fragen: Und was soll daran jetzt witzig sein?

Ich könnte vorschieben: Vornehme Frau der Upper Class, Butler, Landsitz - das finden wir so herrlich britisch, dass wir es auch herrlich lustig finden. Aber die Wahrheit könnte leider sein: Der deutsche Humor hat sich seit 1963 nur unwesentlich weiterentwickelt. Dazu müsst ihr wissen: Ihr habt der Welt so viele lustige TV-Serien geschenkt – Monty Python, Fawlty Towers, Blackadder, The Office, Little Britain - aber der einzige, der in Deutschland an den Erfolg von „Dinner For One“ heranreicht, ist Mr. Bean. Wir stehen einfach darauf: Alkohol, Leute, die über Gegenstände stolpern, Running Gags mit höchstens leichten Variationen. Humor, den man sehen kann, keine Pointen, für die man zuhören muss. Ihr seid Humorweltmeister, wir kämpfen in der zweiten Liga gegen den Abstieg.

Wissen müsst Ihr allerdings auch, dass es typisch Deutsch ist, sich über das Humorniveau anderer Deutscher zu mokieren. Und typisch für einen deutschen Journalisten ist es, jedes Silvester irgendwas über „Dinner For One“ zu schreiben.

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