„Markus Lanz“ zu Rassismus im Fußball „Es fehlt einfach Zivilcourage“

Düsseldorf · Ein Dokumentarfilm seines Senders ist der Anlass für „Markus Lanz“, das Thema „Rassismus im Fußball“ aufzugreifen. Dazu sind drei afrodeutsche Fußballer eingeladen.

 Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 17.6.2021.

Die Talkrunde bei „Markus Lanz“ am 17.6.2021.

Foto: ZDF

Der morgen auf dem TV-Programm stehende Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ über Rassismus im deutschen Fußball liefert mit vielen Szenen Diskussionsmaterial bei „Markus Lanz“ am Donnerstagabend.

 Die Gäste:

  • Gerald Asamoah, Ex-Fußballnationalspieler
  • Otto Addo, Fußballtrainer
  • Patrick Owomoyela, Ex-Fußballprofi
  • Ewald Lienen, Fußballtrainer
  • Serap Güler (CDU), Staatssekretärin für Integration in NRW

 Darum ging’s:

Um Rassismus im Fußball. Vor allem sollen die afrodeutschen Fußballer dem Moderator erzählen, wie sich der ihnen entgegengebrachte Hass anfühlt. Erst ganz zum Schluss geht es um Lösungsansätze.

 Der Talkverlauf

Die Dramaturgie der Sendung präsentiert Rassismus zunächst als Problem aus der Vergangenheit – um dann am Schluss mit einer Szene aus dem vergangenen Jahr zu überraschen. Am Beginn lässt Moderator Markus Lanz einen Clip von 1992 einspielen, in dem ein Wattenscheider Fußballfan rassistische Sprüche von sich gibt. Bald darauf kommt Lanz dann zum Thema Herkunftsland. Als die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration, Serap Güler, bekundet, beim Fußballgucken klar zu Deutschland zu halten, will Lanz wissen, ob ihre türkischen Freunde sie dafür anfeinden. Auch den in Deutschland geborenen Fußballtrainer Otto Addo, der in seiner aktiven Zeit für die Nationalmannschaft von Ghana spielte, fragt Lanz: „Für wen schlägt Ihr Herz?“ – „Ich glaube schon, dass es erlaubt sein darf, dass man für mehrere Mannschaften ist“, sagt Addo. Schwierig würde es, wenn Deutschland und Ghana gegeneinander spielten. Dann würde er zu der Mannschaft halten, die die Punkte brauche, so Addo.

Dann sollen die drei schwarzen Fußballprofis in der Runde von ihren Erfahrungen mit Rassismus erzählen und dabei in ihrer Kindheit beginnen – da ist sie wieder, die Vergangenheit. Patrick Owomoyela berichtet von einer Kindheit in einem Viertel mit Menschen verschiedener Migrationshintergründe, in dem Rassismus kaum ein Thema war. Otto Addo erzählt, wie er bereits als Kind von bierflaschenwerfenden Autofahrern terrorisiert wurde. Und Gerald Asamoah sagt, dass er vor seiner Ankunft in Deutschland mit 12 Jahren das N-Wort nie gehört hatte. Der Ex-Nationalspieler bekundet, er habe schnell gelernt, dass er mehr leisten müsse als die anderen, um Respekt zu bekommen. In diesem Licht wirkt es seltsam, dass Lanz die drei Schwarzen in der Runde mit dem Vornamen anspricht, die beiden anderen Talkgäste nicht.

Der Fußballveteran Ewald Lienen nimmt direkten Bezug auf den Dokumentarfilm „Schwarze Adler“, an dem Asamoah, Addo und Owomoyela mitgewirkt hatten. Darin habe er Dinge erfahren, von denen „selbst er“ nicht gedacht hätte, dass sie in Deutschland passieren. Lienen fordert Maßnahmen, die bereits in Kindergarten und Schule ansetzen – und: „Gerade im Sportverein, wo Integration automatisch passiert.“

Statt Maßnahmen will Lanz nun aber die Entscheidungen der Fußballer für verschiedene Nationalmannschaften besprechen: Asamoah und Addo spielten für Hannover 96, als dies anstand. Addo entschied sich für Ghana, Asamoah für Deutschland. Addo berichtet, man habe ihm nach dem Angebot aus Ghana geraten, abzuwarten und auf den Sprung in die 1. Bundesliga und dann in die deutsche Nationalmannschaft zu hoffen. Aber da sei ihm klargeworden, das wolle er nicht. „Weil ich mich am Ende so gesehen habe, wie sehr viele Menschen mich gesehen haben. Und das war: nicht deutsch.“ Er sei zunächst enttäuscht gewesen, als Asamoah sich für die deutsche Nationalmannschaft entschieden hatte. Schließlich hätte beide gemeinsam Rassismuserfahrungen gemacht – ob an der Discotür oder in der Polizeikontrolle, sie wurden anders behandelt als ihre Teamkollegen, sagt Addo. Später habe er anders über Asamoahs Mitgliedschaft im deutschen Team gedacht. „Die haben durch Gerald begriffen, dass es auch schwarze Deutsche gibt.“

Nun soll Güler sagen, was diese unterschiedlichen Entscheidungen über Integrationsprobleme in Deutschland sagen. An Lanz gerichtet sagt sie: „Weil Sie das jetzt zur Integrationsfrage gemacht haben: Ich finde, dass Addo nicht weniger integriert ist, nur weil er für Ghana gespielt hat.“ Deutschland müsse heute viel deutlicher die Botschaft vermitteln: Diese Menschen sind ein selbstverständlicher Teil unseres Landes.

Weitere Clips aus dem Dokumentarfilm zeigen Schmähgesänge und die Sportberichterstattung darüber. Die Folgen fasst Owomoyela zusammen: „Die Schimpfworte werden wiederholt, in die breite Masse getragen und damit verharmlost und alltagsfähig gemacht.“ Addo beschreibt das Dilemma, das entsteht, wenn es an den Betroffenen hängenbleibt, auf solche Beleidigungen zu reagieren. Diejenigen Fußballer, die sich wehrten, gälten als aggressiv, undiszipliniert, würden aus Mannschaften geworfen. „Wenn ich nicht immer ruhig geblieben wäre, wäre ich nie Profi geworden“, sagt Addo. Asamoah verweist darauf, dass die rassistischen Sprüche nicht aus dem luftleeren Raum kommen. „Es fehlt einfach Zivilcourage“, sagt er und gibt Lienen recht, der zuvor gefordert hatte, die Menschen sollten eingreifen, wenn sie so etwas sähen. Nach einem weiteren Einspieler, der Rassismus im Fußballstadion illustriert, lenkt Addo den Blick auf die Fußballverbände, die solche Vorfälle „einfach geduldet“ hätten.

Bei der Suche nach Antworten kämen die Betroffenen viel zu kurz, sagt die Politikerin Serap Güler. „Als nicht-schwarzer Mensch kann ich kein Urteil darüber fällen, ob das N-Wort anwendbar sein sollte oder nicht, denn mir tut das nicht weh“, sagt sie. Und dann passiert’s: Fünf Minuten vor Ende der Sendung fragt Lanz nach Lösungen. „Otto, was muss passieren?“

Otto Addo rät, zunächst die Betroffenen zu fragen und sie unbedingt bei Ideen zur Lösung einzubinden. Zum Beispiel in der Schule. Patrick Owomoyela findet, als Teil unserer Geschichte sollte Rassismus dort schon früh ein Thema sein. „Warum gibt es kein Unterrichtsfach ‚soziale Intelligenz‘?“, fragt Addo. In Dänemark und in Ghana gäbe es das. Zudem könnten Fußball verbände eine Bühne wie die EM nutzen, um für Menschenrechte einzutreten. So etwas müsse nicht der belgischen Nationalmannschaft überlassen bleiben.

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