Jauchs ARD-Talk zum Krim-Konflikt in der Ukraine "Eine gefühlte Intervention, die alle ausflippen lässt"

Berlin · Die Lage auf der Krim ist explosiv und die Redaktion von Günther Jauch disponierte kurzfristig um. Es sollte sich lohnen, denn die Gäste diskutierten den Konflikt zwischen Ukraine und Wladimir Putins Russland differenziert und ruhig – nur zwischen zwei Gästen verschärfte sich die Stimmung.

Krim Krise ind er Ukraine bei Günther Jauch:  differenzierte und ruhige Diskussion
Foto: Screenshot ARD

Die Lage auf der Krim ist explosiv und die Redaktion von Günther Jauch disponierte kurzfristig um. Es sollte sich lohnen, denn die Gäste diskutierten den Konflikt zwischen Ukraine und Wladimir Putins Russland differenziert und ruhig — nur zwischen zwei Gästen verschärfte sich die Stimmung.

Die Drohgebärden aus der russischen Machtzentrale reißen nicht ab, und die scharfen Antworten aus den westlichen Hauptstädten lassen nicht lange auf sich warten — die Lage auf der Krim droht, in einem neuen Krieg der Großmächte zu münden. Für Wladimir Putin ist der Weg frei für einen militärischen Einsatz auf der Halbinsel im Süden in der Ukraine, US-Präsident Obama drohte, der Kremlchef werde eine Invasion der Ukraine "teuer zu stehen kommen".

Nicht wenige Beobachter fühlen sich an den ersten Ausbruch des Krim-Konflikts vor 100 Jahren erinnert und an die darauffolgende Zeit des Kalten Kriegs, als westliche und östliche Weltanschauung die Großmächte an den Rand eines atomaren Weltkriegs drückte — nun also erneut die Krim. Die Redaktion von Günther Jauch ließ das ursprüngliche Thema der Sendung - Armes Deutschland, reiches Deutschland - Wie ungerecht ist das Geld verteilt? - fallen und diskutierte die brenzlige Situation im Osten Europas.

Nur Gysi als Talkshow-Größe

Das tat Jauch mit folgenden Gästen: Gregor Gysi (Die Linke), Fraktionschef im Deutschen Bundestag, die Piratin Marina Weisband, dem russischen Journalisten Ivan Rodionov, Wolfgang Ischinger (Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemaliger deutscher Botschafter in Washington) sowie Christiane Hoffmann, eine ehemalige Moskau-Korrespondentin "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Bis auf Gysi war keiner der sonst üblichen Talkshow-Polit-Größen vertreten — und das sollte der Sendung gut tun, die weitestgehend auf polemische und scharfzüngige Kommentare ausblieb. Thematisiert wurden, ob Europa vor einem neuen Krieg im Osten steht? Lässt sich eine militärische Konfrontation noch vermeiden? Wie kann man diese Situation befrieden? Welche Folgen hat der Krim-Konflikt für uns alle?

Um eines vorab zu sagen: Die Gäste sprachen sich allesamt gegen eine Option des Westens aus: Nein, die militärische Karte, das Eingreifen und Einmarschieren, dürfe es in keinem Fall geben. Als ehemaliger Botschafter plädierte Ischinger verständlicherweise für die friedliche Lösung des Konflikts, "noch ist das die Stunde der Diplomatie". Die Piratin und gebürtige Ukrainierin Weisband sagte, dass alle Landsleute vielmehr eine "Angst vor einem Bürgerkrieg" hätten.

"Mit Kriegen lösen wir keine Probleme"

Damit der Krim-Konflikt sich nicht weiter anheizt und womöglich in einem "Dritten Weltkrieg" (Gysi) endet, schlug der Linken-Fraktionschef vor, man müsse als Vermittler Kofi Annan ("Der ist nicht verbraucht") nach Kiew und Gerhard Schröder nach Moskau schicken. "Mit Kriegen lösen wir die Probleme der Menschheit nicht — wir spitzen sie jedes Mal zu. Ich appelliere Putin, auf gar keinen Fall einen Krieg zu führen."

Da schaltete sich der russische Journalist Rodionov ein, der im Laufe der Sendung immer stärker die Moskau-Linie vertrat und die Frage aufwarf, dass im Ukraine-Konflikt viel zu häufig mit Schlagworten gehandelte werde. "Den Krieg will ja bestimmt keiner. Es interveniert ja auch noch niemand auf der Krim. Es ist ja eher eine gefühlte Intervention, die alle ausflippen lässt", so die Meinung des Journalisten.

Dass der geschasste Präsident Viktor Janukowitsch als pro-russisch bezeichnet wird, sei erst sei November 2013 der Fall, als er sich weigerte das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. "Kurz zuvor führte er noch einen Gaskrieg mit Russland", sagte Radionov, der schließlich meinte, dass dieses Problem der "Kolonialpolitik zum Nulltarif der EU vor die Füße fiel". Erst ab dem Zeitpunkt galt Janukowitsch als "pro-russischer Diktator".

"Haben wir Beweise für die Heckenschützen?"

Vielfach trat in der Sendung das eigentliche Grundübel der Ukraine zutage — die tiefe Spaltung innerhalb des Landes zwischen pro-westlichen Regionen im Westen und pro-russischen im Osten. Besonders explosiv ist die Mischung auf der Krim, auf der mehrheitlich Russischstämmige leben und nur wenige Ukrainer und Krimtataren. Für Gysi war nur der Schluss möglich: "Das Ganze läuft auf eine Spaltung hinaus, selbst wenn alle sie nicht wollen."

Der Konflikt wurde auch in der Sendung fortgeführt — zwischen der Ukrainerin Weisband und dem Russen Radionov. Beide stritten sich. Sie sprach vor der Angst vor einem Bürgerkrieg, er versuchte, die Drohgebärden Putins zu relativieren. Es ging um die Berichterstattung der russischen Medien und über den Einsatz von Heckenschützen in Kiew während der Proteste. Beweise, das Janukowitsch Heckenschützen eingesetzt habe, gebe es nicht, sagte Radionov. "Gibt es die? Nein."

Jauch stellte zudem die Frage, wie viel wir über das Land kennen, das uns geografisch "näher ist als Mallorca" - das Fazit der Sendung dürfte sein: wenig. "Das ist die Wahrheit", sagte Gysi.

(nbe)
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