Nachlese zum "König der Gosse" Der Dresden-Tatort packt Krimi, Komödie und Zeitgeist zusammen

Düsseldorf · Fall Nummer Zwei des neuen "Tatort"-Teams aus Sachsen spielte im Obdachlosenmilieu. Wir haben genau hingeschaut.

Bilder aus dem "Tatort - Der König der Gosse"
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Foto: MDR/Gordon Mühle

90 Minuten in 90 Zeichen

Habgieriger Sozialunternehmer lässt habgierigen Sozialunternehmer um die Ecke bringen.

Die besten Sprüche

Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski): "Hier in dem Restaurant gibt es einen gemischten Salat für elf Euro! Womit ist der gemischt? Mit acht Euro?"

Kripo-Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach): "Das ist Deutschland. Hier ist nie alles in Ordnung - irgendwas ist immer."

Beste Szene

Als Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) die drei Obdachlosen Platte, Eumel und Hansi mit nach Hause bringt, ist ihr Freund Ole (Franz Hartwig) alles andere als begeistert. "Wer ist denn mit dem 'Refugees welcome'-T-Shirt angekommen?", fragt sie. "Das war ein T-Shirt, und das sind drei Penner in Echt", antwortet er entsetzt, als die drei sich über Wein und Lachs hermachen. Außerdem habe er nichts getragen, das Einheimische willkommen heißen würde. Böse!

Gesellschaftlicher Hintergrund

Der zweite Dresden-"Tatort" "Der König der Gosse" spielte im Obdachlosenmilieu und förderte unangenehme Wahrheiten zu Tage. Zum Beispiel: Was sieht die Gesellschaft in Menschen, die am Rande oder außerhalb von ihr stehen? Nicht viel, wie der Film zeigt. Als der Sozialunternehmer Hans-Martin Taubert von einer Brücke stürzt, sind die drei Obdachlosen die einzigen Zeugen. Viel Bedeutung wird ihren Aussagen nicht beigemessen — sie seien eh betrunken gewesen. Es geht um den ewigen Konflikt zwischen denen "da oben" und denen ganz unten, der Staat hat wesentliche Aufgaben für das Gemeinwohl ausgelagert. Der gemeinnützige Sektor ist ein interessantes Feld für Glücksritter geworden, wie auch die Diskussion zuletzt um hohe Mieten für Flüchtlingshotels in Berlin gezeigt hat.

Der Geschlechterkonflikt

Das erste weibliche Ermittler-Duo hat im Privaten weiter zu kämpfen. Die alleinerziehende Karin Gorniak bekommt wieder großen Ärger mit ihrem Sohn, Henni Sielend (Alwara Höfels) mit ihrem Partner. Zum Glück spiegeln die Drehbuchautoren Ralf Husmann ("Stromberg") und Ralf Husmann und Mika Kallwass den Konflikt zwischen den beiden Frauen und Kripo-Chef Schnabel. Der hadert noch mit sich, ob er die Emanzipation als Errungenschaft ansehen soll. Doch wird es auch böse und amüsant, wenn die beiden Frauen in schönster Chauvi-Manier über die neue Kollegin Wiebke Lohkamp (Jule Böwe) aus dem Betrugsdezernat lästern, der sie eine Affäre mit dem Chef unterstellen. Schnabel wiederum sorgt sich um den Kaffeegenuss und hat der Truppe einen Milchaufschäumer spendiert — ausgerechnet. Das ist auch eine Erinnerung an Praktikantin Maria (Jella Haase), die in der ersten Folge den Chef in die Feinheiten des Kaffeetrinkens einweisen wollte.

Wie war's?

Gut! "Der König der Gosse" war Krimi und Komödie zugleich und griff zudem ein relevantes Thema auf. Regisseur Dror Zahavi inszenierte interessant die unterschiedlichen Zeugenaussagen in Schwarz-Weiß-Retrospektiven. Den Drehbuchautoren gelangen neben vielen amüsanten und bissigen Dialogen einige Anspielungen auf das politische Klima in Dresden und die Pegida-Bewegung — wie zum Beispiel der Theaterchor, der das Wort "Abendland" kreischte. Auch das Obdachlosen-Sujet wird von den Montags-Demonstranten gerne bemüht: Warum solle man Flüchtlingen helfen, wenn in Deutschland Menschen auf der Straße leben?

Gibt es ein wahres Vorbild für den Fall?

Ja. Der Leiter einer Obdachlosenhilfe im Dresden-"Tatort" lebt in Saus und Braus — und bezahlt in diesem Geschäft der Gier mit seinem Leben. Der gemeinnützige Sektor wird als Selbstbedienungsladen dargestellt, dessen Verwendung staatlicher Gelder nicht kontrolliert wird. In Berlin wurde 2010 dem Miteigentümer der Treberhilfe vorgeworfen, mit öffentlichen Mitteln für Obdachlose zu viel Geld verdient zu haben. Aufgeflogen war es erst, weil er für seinen Dienstwagen einen Strafzettel kassiert hatte und den nicht bezahlen wollte. Vor Gericht erfuhr die Öffentlichkeit dann: Es war ein Maserati.

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