Interview Jürgen Prochnow „Umgang mit alten Leuten ist empörend“

Berlin · Der Schauspieler Jürgen Prochnow über seine neue Seniorenkomödie „Der Alte und die Nervensäge“, die Generation Greta und seinen 80. Geburtstag.

 Wilhelm Schürmann (Jürgen Prochnow, r.) mit dem Ausreißer Felix (Marinus Hohmann, l.) im Film „Der Alte und die Nervensäge“.   Foto: Martin Rottenkolber/ARD Degeto/dpa

Wilhelm Schürmann (Jürgen Prochnow, r.) mit dem Ausreißer Felix (Marinus Hohmann, l.) im Film „Der Alte und die Nervensäge“. Foto: Martin Rottenkolber/ARD Degeto/dpa

Foto: dpa/Martin Rottenkolber

Mit dem „Boot“ nach Hollywood: Die Rolle als U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg machte Jürgen Prochnow 1981 international zum Star. Es zog ihn in die USA – 2017 kehrte er nach Deutschland zurück, um in seiner Heimat regelmäßig Fernsehfilme zu drehen. In der Komödie „Der Alte und die Nervensäge“ (11. Dezember, 20.15 Uhr, Das Erste) nimmt der 79-Jährige als eigenwilliger Rentner vor seiner überfürsorglichen Familie Reißaus. Bei seiner Flucht im Campingbus bekommt er unfreiwillig Gesellschaft von einem jugendlichen Ausreißer.

Herr Prochnow, mit „Das Boot“ feierten Sie Ihren internationalen Durchbruch, danach haben Sie in vielen aufwendigen Hollywoodfilmen mitgewirkt. Jetzt drehen Sie wieder in Deutschland, ist hierzulande alles immer eine Nummer kleiner?

Prochnow Natürlich, das sind in den USA ganz andere Dimensionen. Die Filme hier unterscheiden sich von ihren Budgets her völlig von dem, was drüben produziert wird, das sind wahnsinnige Unterschiede. Ich will nicht sagen, dass deshalb bei uns nur schlechte Filme produziert werden können, auch in Deutschland werden immer wieder sehr gute Filme gedreht. Aber es ist schwieriger, man hat das Geld nicht, muss deshalb mit weniger Drehtagen auskommen und kann Szenen nicht in einer solchen Ausführlichkeit drehen, wie man es drüben macht. Die Mittel für Computergrafiken und solche Dinge fehlen, man muss sich behelfen. Bei meinem letzten Film konnte man es sich zum Beispiel nicht leisten, eine Steadycam einzusetzen, da das zu teuer war.

In Ihrem neuen Film spielen Sie einen Witwer, der Sorge hat, seine Selbstständigkeit zu verlieren und mit dem Auto vor seiner übergriffigen Tochter flieht. Können Sie seine Ängste verstehen?

Prochnow Absolut, damit kann ich mich sehr gut identifizieren. Man will diesem Mann den Führerschein wegnehmen, er soll bei seiner Tochter in einem Zimmer wohnen statt in seinem Haus, wo er seine Freiheit genießt. Wenn jemand so behandelt wird, dass er dann ausbricht und sagt, das will ich mir nicht gefallen lassen, kann ich das verstehen. Ich finde es generell empörend, wie oftmals mit alten Leuten umgegangen wird, so entmündigend – und das nicht nur in Altenheimen.

Sie selbst zählen wegen Ihres Alters zur Corona-Risikogruppe. Wollen Sie trotzdem weiterhin Filme drehen?

Prochnow Seit Beginn der Corona-Krise habe ich gar nichts gedreht. Es wird ja insgesamt weniger produziert, und wenn dann nur unter den Hygieneauflagen mit Abstand und Maske, und Theater geht gar nicht mehr. Ich bedaure das sehr. Gar nicht so sehr wegen mir, ich bin ja mit meinen 79 Jahren am Ende meiner Karriere angekommen, aber für sehr viele meiner Kolleginnen und Kollegen ist es existenzbedrohend und -vernichtend.

Nächstes Jahr werden Sie 80. Wollen Sie das groß feiern?

Prochnow Meine Frau möchte eine große Geburtstagsfeier für mich ausrichten und plant das schon länger, wir haben auch schon mit den Vorbereitungen angefangen. Aber im Augenblick habe ich überhaupt keine Lust, auch nur daran zu denken, weil ich ja gar nicht weiß, wie es bis dahin aussieht.

Der Senior im Film wird gegen seinen Willen von einem jungen Ausreißer begleitet, für den er wenig Verständnis hat. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit in Berlin?

Prochnow Ich bin in Berlin zwischen Trümmern aufgewachsen, und trotz der ganzen Entbehrungen damals würde ich immer sagen, dass ich eine ganz tolle Kindheit hatte – zwischen Ruinen. Die ganze Stadt war für uns Kinder ein riesiger Abenteuerspielplatz. Wir wurden ja nicht von unseren Vätern großgezogen, die waren entweder im Krieg gefallen oder in Gefangenschaft, wie mein Vater, sondern es waren die Mütter und die Großeltern. Die Straßen gehörten uns. Es gab keine Autos, wir waren nur draußen, mit anderen Kindern zusammen.

Wie blicken Sie auf die Generation Greta?

Prochnow Ich finde diese Generation toll, die heute auf die Straße geht und gegen die Umweltsünden und den Klimawandel protestiert, um zu erreichen, dass sich endlich etwas ändert. Meine Frau und ich bemühen uns ebenfalls, unseren kleinen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Ich habe kein eigenes Auto mehr, fahre wo immer möglich mit dem Zug, wir vermeiden Plastik, meine Frau nimmt immer eigene Tragetaschen für den Einkauf.

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