Friedestrompreis für Moderatorin Ina Müller - keine quasselt schöner

Düsseldorf (RP). Für ihre Verdienste um die deutsche Dialektliteratur erhält die 45-jährige Moderatorin heute in Zons den Friedestrompreis. Mit ihrer hochgelobten Show "Inas Nacht" hat es die Hanseatin in die ARD geschafft und bietet dort bestes Entertainment. Ihr Erfolgsrezept lautet "Singen, saufen, sabbeln".

Die wunderbare Ina Müller ist wieder da
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Ihr Name steht für das homöopathische Stückchen Anarchie, das sich die ARD zu leisten bereit ist. Allmählich jedoch droht Ina Müller den Status einer Geheimwaffe zu verlieren - und der Sender eines seiner wenigen Qualitäts-Biotope. Nach dem Deutschen Fernsehpreis, dem Deutschen Comedypreis und dem Grimme-Preis erhält die Kabarettistin, Sängerin, Autorin und Moderatorin heute für ihre Verdienste um die deutschsprachige Dialektliteratur in Zons den Friedestrompreis des Rhein-Kreises Neuss.

Nicht dass die 45-Jährige den Preis nicht verdient hätte - doch die ARD könnte auf die fatale Idee kommen, Müller aus der für sie perfekten Programm-Nische nach Mitternacht in die massentaugliche Primetime zu loben. Seit 2007 moderiert Ina Müller in der winzigen Hamburger Kneipe "Schellfischposten" die Show "Inas Nacht". Das Konzept: Zwei Promis erzählen aus ihrem Leben, trällern ein Lied und trinken Bier. "Singen, saufen, sabbeln" umreißt Ina Müller gewohnt deftig ihr Erfolgsrezept. Wobei auch klar ist: Die Moderatorin steht selbst im Mittelpunkt, singt, säuft und sabbelt am meisten und reißt die besten Witze. Schon alleine, weil der Shantychor "Tampentrekker", der aus Platzgründen vor der Kneipe steht, jeden gelungenen Kalauer mit einer Gesangseinlage kommentiert.

Weiblich, ledig, 40

Die Show funktioniert, weil sie auf die Alpha-Frau zugeschnitten ist, ihre Fähigkeiten optimal zum Einsatz bringt - ihren hemdsärmeligen, zupackenden Charme, ihre schnelle Auffassungsgabe und ihren derben Humor, der gerne auch unter der Gürtellinie zündelt. Mit so einer würden wohl viele - Frauen wie Männer - gerne mal ein Bierchen trinken. Weil das so ist, steigen die Quoten, hagelt es Preise und Heiratsangebote. Denn die 45-Jährige ist Single aus Überzeugung. "Weiblich, ledig, 40" heißt ihr vorletztes Album, ehrliches Bekenntnis und zugleich Beleg ihrer künstlerischen Vielseitigkeit.

Wahrscheinlich ist es das, was die Hanseatin aus der Masse der TV-Einheitsgesichter heraushebt: Ina Müller hat eine Geschichte, hat sich den Erfolg über Jahre erkämpft und beschönigt nur moderat die Spuren dieses Kampfes. Allerdings hat sie sich vor kurzem von ihrer grau-blonden Mähne verabschiedet (typischer Müller-Witz: "Ich hatte Läuse") und trägt das Haar nun kurz und leuchtend blondiert, was ihr etwas Hella-von-Sinnen-Mäßiges verleiht - ansonsten aber steht sie zu ihren Problemzonen. "Lieber Orangenhaut als gar kein Profil", heißt es in einem ihrer Lieder.

Als ihre Haut noch vollkommen war, arbeitete die vierte von fünf Töchtern einer Bauernfamilie als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke auf Sylt. Doch schon damals entdeckte sie ihre extrovertierte Ader und gründete mit Edda Schnittgard 1994 das Kabarett-Duo Queen Bee. Das kabarettistisch Bissige, den entlarvenden bis bösartigen Witz hat sie seitdem kultiviert, ihr Spektrum aber deutlich erweitert. Hinzu kamen etwa Moderationen der NDR-Formate "Land und Liebe" sowie "Inas Norden", außerdem ihre Solo-Gesangskarriere sowie drei Bücher auf Plattdeutsch und die Mitarbeit an der Radioreihe "Hör mal'n beten to". Ihr Engagement für die Mundart wird nun mit dem Friedestrompreis gewürdigt. Dass sie nicht mußefähig sei, wie Ina Müller in einem Interview erzählte, glaubt man ihr bei diesem Pensum sofort.

Innehalten oder Stillsitzen passt nicht zu dieser Frau, die schon während der einstündigen Show im "Schellfischposten" ständig über die Theke klettert, Bierdeckel einsammelt und jeden musikalischen Gast gesanglich begleitet - ob er will oder nicht. Dass sie bei aller Unruhe dabei immer wieder für Sternstunden deutscher TV-Unterhaltung sorgt, ist ein kleines Wunder - und wohl nur in der ganz besonderen Konstellation aus Moderatorin, Musikauswahl, Kneipe, Gästen und spätem Sendeplatz möglich.

Beim WDR will man das nicht glauben und kopiert, leicht abgewandelt, die Idee. Ab Ende November moderiert dort Anna Planken am späten Samstagabend eine Show aus einer Kölner Nostalgie-Kneipe, Arbeitstitel: "Zum weißen Holunder". Promis sollen talken, spielen und trinken, der Verlierer zahlt einem Freibiergast die Zeche. Nicht unwahrscheinlich, dass die tatsächlich der Zuschauer zahlt. Ina Müller wird das nicht stören. Solange man sie das machen lässt, was sie kann: singen, saufen, sabbeln.

(RP)
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