Annette Frier "In mir steckt auch eine Löwenmutter"

Die 39-Jährige spielt eine Mutter, deren Sohn eines Mordes bezichtigt wird und die an seine Unschuld glaubt.

Ihre Zwillinge sind fünf Jahre alt – wie reagieren Sie, wenn die beiden auf dem Spielplatz eine Schippe auf den Kopf bekommen?

Annette Frier Ich reagiere instinktiv und stelle mich vor sie. Ich nehme immer eine Verteidigungshaltung ein – ganz egal, ob mein Kind mit der Schippe schlägt oder von einem anderen geschlagen wird.

Das ist selten einfach festzustellen.

Frier Ja, und wenn man sich mit zwei anderen Müttern darüber unterhält, merkt man erst recht, dass es keine objektive Angelegenheit ist.

In Ihnen steckt also durchaus auch eine Löwenmutter wie in Claudia Gudermann, die Sie im Film spielen?

Frier Natürlich, das geht mir aber nicht nur bei meinen Kindern so. Das bezieht sich auf meine ganze Familie, das ist ein Reflex: Wenn etwa mein Mann meine Mutter oder meine Schwestern kritisiert – da kann er noch so sehr recht haben, ich sage als Erstes: "Wie kommst du darauf? Finde ich gar nicht." Das hat die Natur schon schlau eingerichtet.

Die Mutter im Film zweifelt nie an der Unschuld ihres Sohnes Daniel.

Frier Das stimmt so nicht. Es gibt eine Szene, die die Autorin auf meinen Wunsch reingeschrieben hat, weil ich die Frage so interessant finde. Die Mutter kommt natürlich aus Übermüdung und Verzweiflung an den Punkt, an dem sie sich fragt: "Und wenn er es wirklich war?" Darauf geben wir im Film eine Antwort, die allgemeingültig ist. Trotz der schlimmsten Verbrechen bleibt eine Mutter eine Mutter. Meine Figur sagt lakonisch: "Ich habe keine Wahl. Und wenn die ganze Welt sich gegen ihn stellt, werde ich ihn jede Woche im Knast besuchen. Denn ich bin ja die Mutter." Ich glaube, dass die Antwort auch so einfach ist.

Über die sozialen Netzwerke wird die Hetzkampagne gegen den Jugendlichen forciert und organisiert – wie stehen Sie zu Facebook und Twitter?

Frier Das ist ein Raum, der missbraucht, aber auch ordentlich genutzt werden kann. Ich habe eine klare Haltung dazu: Was anonym im Netz verbreitet wird, findet für mich nicht statt und ist zu löschen. Für mich ist aber nicht die Medienkritik in dem Film spannend, sondern das Innenleben der Familie und wie es sich mit dem Verdacht verändert.

Sind Sie bei Twitter und Facebook?

Frier Nein, ich bin durch meinen Beruf schon so viel in der Öffentlichkeit und so transparent.

Gucken Sie bei Google manchmal, welche Begriffe mit Ihrem Namen verbunden werden?

Frier "Annette Frier + Füße" zum Beispiel – lustige, abstruse Dinge.

Sie drehen im Moment in Köln fürs ZDF "Die Mütter-Mafia". Wie schwer ist Solidarität unter Müttern?

Frier In den ersten zwei Jahren, in denen Leute Kinder bekommen, kann man sie abschreiben. Da müssen sie erst einmal lernen, mit der neuen Situation umzugehen, dann erst kommen alle zu ihrem eigentlichen Charakter zurück. Elternwerden ist eine Ausnahmesituation, so wie Verliebtsein. Wenn eine meiner Freundinnen sich verliebt, dann hake ich die auch ein halbes Jahr ab. Dann bin ich ihr auch nicht böse, dann darf sie machen, was sie will. So ist das auch bei Müttern.

Sind andere Mütter nicht manchmal die schärfsten Kritiker?

Frier Das sind aber nur die, die sonst nichts zu tun haben. Die haben immer viel zu erzählen, was bei anderen Leuten richtig und falsch ist. Ich bin zum Beispiel gar kein Mütter-Verabreder, weil ich viel beruflich unterwegs bin. Ich sitze total selten mit anderen Müttern auf der Terrasse zusammen, und unsere Kinder spielen im Garten. Machen wir uns doch nichts vor: Man sitzt da nur oft zusammen, weil zufällig die Kinder im selben Alter sind.

M. STÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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