Tatort „Krieg im Kopf“ Lindholms Kampf gegen unsichtbare Feinde

In der „Tatort“-Folge „Krieg im Kopf“ muss sich Kommissarin Lindholm mit geheimen Militärtechnologien herumschlagen.

 Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler, l.) in der Gewalt des Geiselnehmers (Matthias Lier). Kollegin Schmitz (Florence Kasumba) klärt.

Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler, l.) in der Gewalt des Geiselnehmers (Matthias Lier). Kollegin Schmitz (Florence Kasumba) klärt.

Foto: dpa/Marion von der Mehden

Es beginnt so furios, dass man sich als Zuschauer sofort fragt: Habe ich was verpasst? Ist das eine Fortsetzung? Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ist in der Gewalt eines offensichtlich verwirrten Mannes, der ihr ein Messer an den Hals hält. Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba) steht mit der Waffe im Anschlag zwei Meter vor den beiden. Bange Minuten vergehen, in den Mienen spiegeln sich Anspannung, Verzweiflung und dann Entschlossenheit. Schmitz schießt, der Mann fällt, tödlich getroffen. Die Situation ist geklärt, aber es bleiben unzählige Fragen – die Antworten bringen beide Polizistinnen bald an ihre Grenzen.

Nach diesem starken Auftakt der „Tatort“-Folge „Krieg im Kopf“ erwartet man als krimikundiger Zuschauer erst einmal eine Rückblende. Einen Zeitsprung, der erklärt, wie es zu dem tragischen Aufeinandertreffen kam. Aber weit gefehlt. Regisseur Jobst Christian Oetzmann und Drehbuchautor Christian Jeltsch preschen mit ihrer Geschichte nach vorne. Das Verhalten des Geiselnehmers, eines ehemaligen Soldaten namens Benno Vegener, bleibt rätselhaft, bis seine Frau erwürgt in der Badewanne gefunden wird. Vieles deutet daraufhin, dass er nach einem tragischen Bundeswehreinsatz in Mali, bei dem viele Kameraden starben, traumatisiert war, durchdrehte, erst seine Frau tötete und Lindholm angriff. Doch die mag sich damit nicht abfinden, zu einfach erscheint ihr die Lösung.

Ganz allmählich weitet sich die Perspektive, ohne dass Jeltsch seine Hauptfiguren vernachlässigt. Im Gegenteil, er lässt die beiden sonst so taffen Frauen verletzlich erscheinen, wirkt der Vorfall bei ihnen doch nach, erschüttert ihr Selbstbewusstsein. Das macht sie nahbar, wahrhaftig. Lindholm und Schmitz wollen sich aber keine Schwächen erlauben, bis sie Stimmen in ihrem Kopf hören und ihre Contenance ins Wanken gerät. Bald jedoch stoßen sie bei ihren Ermittlungen auf militärische Forschungen, bei denen es darum geht, mit Hyperschall Botschaften zu versenden, manipulativ auf Gehirne einzuwirken, unter anderem durch spezielle High-Tech-Helme – was Vegeners Angriff sowie die verstörenden Stimmen plötzlich in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Manches in diesem eher politischen „Tatort“ mag wie Science Fiction wirken, ist aber wohl näher an der Wirklichkeit, als man es sich wünscht. Gerade im Feld der High-Tech-Kriegsführung und der militärischen Nutzung von Künstlicher Intelligenz wird eifrig geforscht. So sind die im Film dargestellten Technologien, die auf entsprechenden Experimenten basieren, einfach nur eine Stufe weitergedacht, aber eben nicht aus der Luft gegriffen. Regisseur Oetzmann findet dabei immer wieder markante Bilder und Szenen, die hängenbleiben. Etwa, wenn Lindholm einen der mit Neurotechnologie vollgestopften Soldatenhelme an sich selbst testet und sich eine Nadel ohne zu murren durch die Hand stößt, weil sich über den Helm das Schmerzempfinden vorübergehend ausschalten lässt.

So liefert „Krieg im Kopf“ einen wichtigen und beängstigenden Diskussionsbeitrag zum Thema Ethik und Technologie, ohne dabei den Spannungsbogen zu vernachlässigen. Furtwängler und Kasumba spielen eindringlich, tragen den Film mühelos, auch weil den von ihnen verkörperten Polizistinnen angesichts eines übermächtigen Gegners wenig Spielraum bleibt. Sieger sehen anders aus. Unterschätzen, das zeigt das Ende, sollte man die beiden Frauen allerdings nie.

„Tatort: Krieg im Kopf“, So., Das Erste, 20.15 Uhr

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