Rostocker „Polizeiruf“ Die Schatten der Vergangenheit

Düsseldorf · Düster geht es zu in Rostock, die Sprache ist roh, die Nerven liegen blank. Die neue „Polizeiruf“-Folge handelt von den tragischen Konsequenzen gescheiterter Beziehungen.

 Die Mutter (Cornelia Heyse, r.) des dubiosen Unternehmers Michael Norden spricht mit den Kommissaren Katrin König (Anneke Kim Sarnau, l.) und Sascha Bukow (Charly Hübner).

Die Mutter (Cornelia Heyse, r.) des dubiosen Unternehmers Michael Norden spricht mit den Kommissaren Katrin König (Anneke Kim Sarnau, l.) und Sascha Bukow (Charly Hübner).

Foto: dpa/Christine Schroeder

Der erste Rostocker „Polizeiruf“ beginnt mit einer bösen Überraschung für Kommissar Bukow (Charly Hübner). Mitten in der Nacht wird er zur Villa des Unternehmers Michael Norden (Tilman Strauß) gerufen. Dessen Alarmanlage hatte einen Einbruch gemeldet. Einbrecher findet Bukow nicht, stattdessen läuft ihm ein schwer verletzter Mann in die Arme und stirbt.

Norden gerät in Panik, flieht und versteckt sich anschließend tagelang irgendwo in Rostock. Bukow und seine Kollegin König (Anneke Kim Sarnau) finden schnell heraus, dass Norden alles andere als ein feiner Mensch ist. Er scheffelt Geld mit einer dubiosen Zeitarbeitsfirma, gönnt sich schicke Autos und eine Villa. Weil dummerweise ein Termingeschäft geplatzt ist, braucht er dringend mehrere Millionen Euro, die in Rostock natürlich nicht so ohne Weiteres aufzutreiben sind. Norden versucht es dennoch und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück.

Bei den Ermittlungen stoßen Bukow und König auf Nordens Ex-Freundin Beate Hövermann (Katharina Behrens), die sich allein um ihren alkoholkranken Sohn Jon (Oskar Belton) kümmert. Der hat seinen Vater Norden noch nie gesehen und macht alles in allem einen eher derangierten Eindruck. Als sich Jon dann auch noch auf die Suche nach seinem Vater macht, haben Bukow und König gleich zwei Probleme: Sie müssen Norden finden und gleichzeitig verhindern, dass der Junge größere Dummheiten anstellt.

Zu allem Überfluss holen König auch noch die Schatten der Vergangenheit ein. Ein Häftling hat Beweise, dass die Kommissarin vor einigen Jahren vor Gericht eine Falschaussage machte und schreibt ihr Drohbriefe aus dem Gefängnis. Königs Nervenkostüm ist entsprechend angespannt. Die Rollen in Rostock sind nun vertauscht. König ist neben der Spur und trinkt schon tagsüber Alkohol. Bukow wird plötzlich solide und versucht, seine Kollegin vor größeren Fehlern zu bewahren.

Regisseur Christian von Castelberg und Autor Markus Busch sezieren im Fall „Söhne Rostocks“ gescheiterte Beziehungen. Der flüchtige Norden hatte nie ein intaktes Verhältnis zu seinem eigenen Vater, worunter er sein ganzes Leben zu leiden hatte. Zu einem normalen Verhältnis mit seinem eigenen Sohn scheint er auch nicht in der Lage zu sein.

Düster geht es zu in Rostock, die Sprache ist roh, die Nerven liegen blank. Dies wird für den Zuschauer zwischenzeitlich etwas anstrengend, der Fall hält allerdings über weite Strecken die Spannung. Und ganz langsam wird auch Nordens Verhalten verständlicher. Eigentlich dreht sich sein Leben nur darum, alles anders zu machen als sein Vater. Der war arm, Norden will Geld. Der Vater lebte in Tristesse, Norden will den Glamour.

In den Nebenrollen überzeugen Katharina Behrens als überforderte Mutter und Oskar Belton als verzweifelter Sohn. Nicht so richtig weiter geht es allerdings privat bei Bukow und König. Wir erinnern uns: In der vergangenen Episode gab es nach Jahren der verpassten Gelegenheiten tatsächlich den ersten Kuss. Im neuen Fall passiert in dieser Richtung wenig bis gar nichts. Bukow bietet ihr zwar seine Hilfe bei der Erpressung an. So richtig können aber beide nicht aus ihrer Haut. Dies droht langsam langweilig zu werden.

Der Rostocker Polizeiruf muss aufpassen, da nicht in dieselbe Falle zu tappen wie vor einigen Jahren der Kieler „Tatort“. Dort ließ man über viele Folgen eine Romanze zwischen Klaus Borowski und der Psychologin Frieda Jung auf kleinster Flamme köcheln. Als die Schauspielerin Maren Eggert dann überraschend ausstieg, mussten die Autoren sich ein überstürztes und letztlich albernes Ende für diese Liebesgeschichte ausdenken. Als Zuschauer fragte man sich dann, warum man dieses Drama dann eigentlich so lange verfolgt hat. Den „Polizeiruf“-Autoren möchte man da zurufen: Mehr Mut zu klaren Entscheidungen. Dies gilt übrigens für den Handlungstrang mit Königs Falschaussage. So allmählich müsste in die eigentlich guten Rostocker Krimis wieder ein bisschen mehr Drive.

„Polizeiruf 110“, So., ARD, 20.15 Uhr

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