Der "Polizeiruf" aus Brandenburg Männer weinen heimlich

Frankfurt/Oder · Da war es nur noch einer: In „Der Gott des Bankrotts“ muss sich Kommissar Vincent Ross ohne die Hilfe seines Kollegen Raczek mit Mord, Glaubensfragen, menschlichen Abgründen und männlicher Eitelkeit herumschlagen. Hilfe bekommt er dabei von unerwarteter Seite.

Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk, r.) Auge in Auge mit dem undurchsichtigen Isolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir)

Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk, r.) Auge in Auge mit dem undurchsichtigen Isolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir)

Foto: dpa/Volker Roloff

So ein Tagebau kann ganz malerisch sein, auch wenn man es in diesen Zeiten kaum glauben mag. In der Grube, in der Antoni Mazur (Frank Jendrzytza) liegt, wird allerdings Kies abgebaut, nicht Braunkohle, und das sieht natürlich gleich viel freundlicher aus, erst recht, wenn die Sonne scheint. Und lächelte der Sterbende nicht in den letzten Momenten seines Lebens? So jedenfalls deutet es Kriminalhauptkommissar Vincent Ross (André Kaczmarczyk), als er die Leiche begutachtet. „Hat vermutlich mehr mit der Schwerkraft zu tun, als mit dem Anblick des ewigen Lichtes“, bemerkt Kollege Marian Kaminski (Tomek Nowicki) aus der Pathologie. So viel zur Wissenschaft. Andererseits: Wer weiß? Schließlich führt wenige hundert Meter am Tatort der Jakobsweg vorbei, Antoni Mazur war als Pilger unterwegs – als einer von vielen auf Erleuchtung Hoffenden.

Grund, nach Beistand zu suchen, hatte der gebürtige Pole genug: Sein Betrieb ist bankrott und sein Insolvenzanwalt Udo Schick (Bernhard Schir) hat Mazur und andere Klienten massiv unter Druck gesetzt und bei seiner Arbeit offenbar zu unlauteren Methoden gegriffen. Wie viel wusste Mazur? Genug, um deswegen sterben zu müssen? Schick jedenfalls war am Tattag in Mazurs Nähe, die Tochter des Anwalts pilgerte ebenfalls, sehr zum Unmut ihres Vaters, denn Maria Schick (Anna-Maria Bednarzik) hat kurz vor dem Abi die Schule geschmissen und will nun auf dem Jakobsweg bis nach Spanien laufen. Wollte Schick seine Tochter wirklich nur zum Umdenken bewegen? Oder hat er die Gelegenheit genutzt, einen Erpresser aus dem Weg zu räumen?

Ein Tatort, eine Leiche, ein Verdächtiger und viele potenzielle Zeugen – bei dieser Versuchsanordnung kommt es Ross nicht ungelegen, dass der Erste am Tatort, Polizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder) aus dem nahen Ort, sich schon mal an die Befragung gemacht hat. Seit dem Abgang von Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) ist der unkonventionelle Kommissar schließlich wieder ohne echten Partner unterwegs.

Die anderen Kollegen allerdings haben ein Problem mit dem forschen Rogov, der von Hierarchie und eingeübten Betriebsabläufen wenig hält und Vincent Ross überdies bei ihrer ersten Begegnung anstarrt, als sei dieser ein exotischer schwarzer Vogel, der sich in die brandenburgischen Wälder verflogen hat. „Warum geht einer wie Sie zur Polizei?“, fragt Rogov mit Blick auf den Kollegen im engen Shirt mit Schlangenprint und hochhackigen Stiefeln. „Weil sich einfach alles ändern muss“, entgegnet Ross – und schenkt noch einen tiefen Blick aus Kajal-umrahmten Augen hinterher.

Nein, auf dem Papier passen sie so gar nicht zueinander, der schillernde Hauptkommissar und der hemdsärmelige Kleinstadt-Polizist, und natürlich macht genau das den Reiz des Zusammenspiels aus. Die Entwicklung des ungleichen Paares kommt nicht ohne Klischees aus, wird aber von Kaczmarczyk und Schröder liebevoll gespielt und bildet außerdem Auftakt und Rahmen für das eigentliche Thema von „Der Gott des Bankrotts“: In diesem Film stehen Männerbeziehungen im Mittelpunkt, ständig zwischen Gewalt und Zärtlichkeit oszillierend, zwischen Liebe und Hass, Triumph und Niederlage, weil sie die Welt wohl anders gar nicht ertragen können.

Rogov, der zum ersten Mal eine echte Chance zu bekommen scheint, ausgerechnet von diesem seltsamen Kauz mit den schwarz geschminkten Augen. Marian, der durch die Leichenhalle poltert und ins Telefon schreit, bevor er mit Ross auf dem Boden des Seziersaals den Tathergang nachspielt. Antoni Mazurs Vater (Roman Wieslaw Zanowicz), den das Entsetzen über den Tod seines Sohnes fast verstummen lässt. Und der schmierige Insolvenzanwalt Schick, dessen Dämonen viel zu nah sind, als dass er sie zu fassen kriegen könnte.

Regisseur Felix Karolus und Drehbuchautor Mike Bäuml haben für diesen Polizeiruf große Themen miteinander verwoben und um sie herum eine tragische Kriminalgeschichte mit eleganten Wendungen gebaut, die in tiefe menschliche Abgründe führt. Und obwohl der Fall am Ende aufgeklärt wird – Erlösung hält er nicht bereit. Nicht dieses Mal.

„Polizeiruf 110 - Der Gott des Bankrotts“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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