TV-Nachlese Maischberger Im Land der dicken Aldi-Sparer

Sandra Maischberger befasst sich mit dem "Billig-Wahn" der Deutschen. In der Runde lässt sie Aldi auf Bio-Köchin Sarah Wiener und die Elektroindustrie auf Gerätetester los. Am Ende bleibt eine ernüchternde Einsicht.

 Sandra Maischberger widmete sich zu später Stunde Verbraucherthemen.

Sandra Maischberger widmete sich zu später Stunde Verbraucherthemen.

Foto: dpa

Am Dienstag setzte Sandra Maischberger in der ARD mit einem kompletten Rundumschlag auf das Thema Verbraucherschutz. "Lidl, Aldi, all inclusive — Deutschland im Billigfieber", lautet der Titel der Sendung. Leitfrage: Konsumieren wir uns durch Billig-Wahn zugrunde?

Am Beispiel mehrerer Produkte nähert sie sich dem Thema, umgeben von einer Experten-Runde mit mehreren Journalisten, Bio-Köchin Sarah Wiener ("Billig ist am Ende teuer") und einem ehemaligen Spitzenmanager von Aldi. Es geht um geplanten Verschleiß von Elektrogeräten, No-Name-Produkte von Markenartikeln zum halben Preis und am Rande auch um das, was wir mit Billig-Tourismus anrichten.

Eingebauter Verschleiß

Schon früh wird deutlich: Wer auf Antworten hofft, wird enttäuscht werden. Zu überkomplex das Thema, zu weit voneinander entfernt die Einzelthemen, zu grundverschieden die Ansichten. Etwa wenn Aldi-Manager Dieter Brandes mit Billig-Gegnerin Sarah Wiener aneinander rasselt. Oder Gerätetester Stefan Schridde mit Klaus Mittelbach vom Verband der Elektroindustrie.

Noch vor wenigen Wochen war Schridde mit einer Studie stark in den Medien präsent. Seine Thesen sind für Verbraucher hoch interessant. Denn nach seinen Untersuchungen spielen die Hersteller ein mieses Spiel mit ihnen. Demnach ist in den meisten Elektrogeräten vom Werk aus systematisch minderwertiges Material eingebaut, das die Geräte nach drei bis vier Jahren kaputtgehen lässt.

Ein DDR-Mixer macht es allen vor

Als Beispiel für Nachhaltigkeit muss bei ihm ausgerechnet ein Elektromixer aus der DDR herhalten. Moderne Geräte arbeiteten hingegen mit minderwertigen Akkus oder Kunststoffzahnrädern mit hohem Abrieb. Die Folge in der Regel: Die Lebensdauer des Produktes ist beschränkt, das Gerät aber nicht so gebaut, dass es reparabel wäre.

Handel und Industrie halten das für überzogen oder einen Einzelfall. Elektro-Sprecher Mittelbach schiebt indirekt sogar dem Konsumenten die Verantwortung für die Misere zu. Hersteller bauten doch genau das, was Kunden sich wünschten.

"Kaufen Sie sich einen Hammer"

Aldi-Mann Brandes tut sich ohnehin schwer mit der Nachhaltigkeit von Produkten. Die meisten Dinge gingen ja gar nicht kaputt, verteidigt er sich gegen den Vorwurf, Aldi verkaufe Computer, die sich nicht reparieren ließen, weil Hersteller Medion keine Ersatzteile rausrückt. "Kaufen sie sich mal einen Hammer", lautet einer seiner schwachen Einwände. "Der geht auch nicht kaputt."

Zweiter Schwerpunkt des Abends: Lebensmittel . Aus Sicht der überzeugten Bio-Anhängerin Wiener steuert die Lebensmittelindustrie die Verbraucher in eine falsche Abhängigkeit von Fertigprodukten. Folge: Wachsender Raubbau an der Natur, der Gesundheit und unserem Bezug zum Ursprung unserer Ernährung. "Wir sind Opfer und Täter zugleich", sagt Wiener. Denn wir sind es, die die Produkte der Industrie auch nachfragen.

Billig kann auch gut sein

Dass dabei Billig nicht automatisch schlechte Qualität bedeutet, macht dabei die Journalistin Martina Schneider deutlich. Sie hat die bis zu 80 Prozent günstigeren No-Name-Produkte mit bekannten Markenartikeln desselben Herstellers verglichen und keine nennenswerten Unterschiede feststellen können. "Marken sind so teuer, weil Werbung und Entwicklung darin steckt", erläutert Schneider. Die Deutschen haben das aber offenbar längst kapiert. Die schmucklosen Produkte vom Discounter verkaufen sich bestens, weiß Schneider

Die ganze Sendung über schwebt über allem die Frage, ob denn letztlich unser Konsumverhalten oder Industrie die Verantwortung für den Siegeszug von Wegwerfprodukten und ungesunden Nahrungsmitteln trägt.

Wiener rechnet mit der Industrie ab

Zum Höhepunkt der Sendung geriet daher auch die Konfrontation zwischen Wiener und Brandes. Aus Sicht der Köchin hat längst die Profitgier der Unternehmen die Interessen der Verbraucher überrollt: "Wir haben uns eine Nahrungsmittelindustrie geschaffen, die mit unseren herkömmlichen Urteilen von Qualität nichts mehr gemeinsam hat. Die Qualitätsbezeichnung vom Handel und von diesen industriellen Erzeugern ist Haltbarkeit und Lagerfähigkeit. Je länger ein Produkt haltbar ist, desto lieber hat es der Handel, weil es kann dann auch ein Jahr lang in diesen Regalen stehen", erläutert sie ihre Vorwürfe.

"Für mich fängt Qualität beim Bodenschutz, Produktionsbedingungen, Frauenrechten an", erläutert die TV-Köchin. Sie plädiert dafür, ebenso regionale wie saisonal zur Jahreszeit passende frische Grundnahrungsmittel einzukaufen - und selber zuzubereiten, anstatt etwas aus der Fertigpackung in den Top zu schmeißen. Dass solche Produkte in der Regel auch noch überaus günstig zu bekommen sind, kommt als erfreulicher Nebeneffekt daher.

Der Aldi-Mann hält nichts vom Kochen

Brandes aber winkt augenrollend ab. Wiener und die ähnlich argumentierende WDR-Journalistin Yvonne Willicks tut er als ahnungslose Weltverbesserinnen ab. Sein verächtlicher Kommentar zum Aufruf "Selber kochen": "Das ist doch nicht relevant." In seinem Kosmos gibt immer der Verbraucher die Richtung vor, der Handel folgt dessen Interessen. "Immer das System ändern", sagt er verächtlich. Auch Maischberger erkennt: Diese beiden Welten werden im Laufe dieser Sendung nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sein.

Im Finale widmet sich die Sendung noch dem Thema Tourismus. Reisejournalist Mikka Bender darf in diesem Zusammenhang sein Buch "Die All-Inclusive-Lüge" vorzustellen. Seine Kernthesen: Das Rundum-Sorglos-Paket enthält oftmals Tücken, weil an anderen Enden gespart wird, macht Urlaubsorte kaputt, weil Touristen ständig im Hotel bleiben, schadet den Einheimischen vor Ort.

Angriff auf die dicken Deutschen

Dabei ist Bender nicht eben zimperlich in seiner Wortwahl: "Die Deutschen sind alle dick und rund und fett - und haben offensichtlich immer noch Angst zu verhungern", zieht er über seine Landsleute her. Eine bessere Erklärung kann er für den Boom solcher Angebote auch nicht anbieten.

So bietet Maischberger dem Zuschauer einen Rundumgang durch durchaus interessante Verbraucherthemen. Nichts davon ist neu, aber hat deswegen an Relevanz nichts eingebüßt, zumal die Vertreter von Industrie und Handel in der ARD nicht den besten Eindruck hinterließen. Über die wahren Motive der Verbraucher schwieg sich die Sendung allerdings bedauerlicherweise aus.

Magere Bilanz

Ob nun billig oder bio, kochen oder Fertigpackung - "Sie müssen selber schauen, was Ihnen wichtiger ist." Mit diesem Satz entlässt Maischberger ihre Zuschauer in die Nacht.

(pst)
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