Sebastian Koch "Ich lebe überschaubar"

Berlin · Der Schauspieler ist heute in "Eine Liebe für den Frieden - Bertha von Suttner und Alfred Nobel" zu sehen.

Der Rauschebart ist ab. Glatt rasiert kommt Sebastian Koch zum Interview ins Hotel de Rome in Berlin. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Presseheft mit einem Foto von ihm in seiner Rolle als Alfred Nobel. "Ich fühle mich gleich viel weniger staatstragend", sagt der Schauspieler. Er drückt seinen Rücken durch, setzt einen strengen Blick auf und sinkt wieder ironisch grinsend in sich zusammen.

In "Eine Liebe für den Frieden" spielen Sie den Chemiker Alfred Nobel. Nach Andreas Baader, Klaus Mann, Albert Speer und Richard Oetker wieder eine historische Person ...

Koch Von der ich nur wusste, dass er ein Chemiker war, der das Dynamit erfunden hat. Aber sobald ich anfing, über ihn zu lesen, hatte ich das Gefühl: Mit dem möchte ich Zeit verbringen. Nobel war einer der reichsten Männer seiner Zeit. Er hätte alles haben können, stattdessen verkriecht er sich in seiner Villa in Paris, forscht und erfindet. Ein Kauz.

Empfinden Sie Verantwortung für eine Rolle, die Sie übernehmen?

Koch In erster Linie habe ich Verantwortung für mich. Es ist ja meine Lebenszeit, die ich da investiere. In der Auswahl meiner Rollen frage ich: "Was fühlt sich richtig an?" und nicht: "Was ist karrieretechnisch das Beste?"

Trotzdem läuft es "karrieretechnisch" bei Ihnen ja nicht schlecht.

Koch Vielleicht gerade, weil ich so viel absage. Ich sage gern "Nein", denn das heißt ja auch "Ja" für vieles andere.

Privates vor Erfolg?

Koch Erfolg ist relativ. Es gibt Menschen mit großen Karrieren, die todunglücklich sind. Als Außenstehende denken wir oft: "Der ist reich und berühmt, das muss ein fröhlicher Mensch sein." Leider ist das nicht immer so. Ich führe ein wunderbares Leben, versuche mich nicht davon beherrschen zu lassen, was die Öffentlichkeit von mir denkt und erwartet. Ich häufe keine Reichtümer an und lebe relativ bescheiden.

Bescheiden?

Koch Vielleicht ist "überschaubar" das bessere Wort. Ich wähle meine Rollen ziemlich unabhängig von Ruhm und Glamour aus. Das ist deshalb möglich, weil ich keinen großen Luxus brauche. Ich muss keine Filme drehen, um ein schickes Anwesen mit Hofstaat zu finanzieren.

Sie sind in einfachen Verhältnissen, einem Kinderheim, aufgewachsen.

Koch Meine Mutter war dort Hauswirtschaftsleiterin. Sie hat mich alleine groß gezogen. Bis ich sieben Jahre alt war, wohnten wir in dem Heim. Ich schlief im großen Schlafsaal mit zwölf anderen Jungs. Für mich war das eine wunderbare Zeit. Ich fühlte mich privilegiert: Ich hatte, im Gegensatz zu den anderen Kindern, eine Mutter. Ich bin fest davon überzeugt: Kinder brauchen andere Kinder. Für mich war das Heim ein großer Abenteuerspielplatz.

Was hat Ihre Mutter zu Ihrem Berufswunsch gesagt?

Koch Erstmal war sie völlig entsetzt - das ist doch kein Beruf, um Geld zu verdienen. Ich komme aus einer Familie, die künstlerisch völlig unbelastet ist. Nach der anfänglichen Skepsis hat sie gespürt, wie wichtig es mir war, und hat dem, was ihr fremd war, dennoch eine Chance gegeben. Eine tolle Haltung.

In Ihrer Rolle des Alfred Nobel altern Sie. Der Bart wird immer grauer, bis er schlohweiß ist. Welches Lebensalter spielen Sie am liebsten?

Koch Ich mag die alten Männer. Plötzlich kommen die kleinen Gebrechen, die man subtil spielen kann. (Sebastian Koch nimmt im Sofa eine andere Sitzposition ein und ächzt dabei kaum hörbar.) Nicht übertreiben ist oberstes Gebot. Viele Schauspieler machen den Fehler, einen 65-Jährigen wie einen 80-Jährigen zu spielen.

Sie sind 52 Jahre alt. Hat sich Ihre Sicht auf die Dinge schon geändert?

Koch Die Perspektive verändert sich, und man beurteilt viele Dinge anders als früher. Dabei versuche ich, aus meinen Erfahrungen immer das Positive zu ziehen und nicht misstrauisch zu werden. Auch wenn ich mal auf die Fresse falle, wenn ich enttäuscht werde, mache ich weiter und bin bereit, mich auf Neues einzulassen.

(RP)
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