Sonntagabend-Krimi aus Frankfurt Ein deutsches Leid im „Polizeiruf“

Frankfurt/Oder · Ein Jude kehrt nach Jahrzehnten in seine Heimatstadt zurück und muss kämpfen – für sein Erbe und gegen Ressentiments. Aber sind er und die Seinen auch für einen Mord verantwortlich? Ein „Polizeiruf“ als Geschichtsstunde und Vergangenheitsbewältigung.

 Elisabeth Behrend (Monika Lennartz vorn) und ihr Sohn Jakob Behrend (Heiko Raulin) behaupten, eine Immobilie gehöre ihnen. 

Elisabeth Behrend (Monika Lennartz vorn) und ihr Sohn Jakob Behrend (Heiko Raulin) behaupten, eine Immobilie gehöre ihnen. 

Foto: dpa/Maor Waisburd

Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) wählt den Flur einer Polizeidienstelle in Cottbus als Ort für die größten Fragen im Leben von Zvi Spielmann (Dov Glickman). Der alte Mann hat im Holocaust seine ganze Familie verloren. „Können Sie verzeihen?“, fragt Raczek. „Was soll ich verzeihen? Dass ein SS-Mann auf das verbrannte Gesicht meiner Schwester gepisst hat?“, antwortet Zvi, der vor seiner Emigration nach Israel Hermann geheißen hat. Dass alle seine Lieben tot sind, er unsägliches Leid erlebt hat und aus seiner Heimatstadt Cottbus vertrieben wurde, weil es nichts mehr gab, was ihn dort hielt? Wie soll man das verzeihen?

Spielmann kehrt mit seiner Tochter nach Cottbus zurück, weil er vor Gericht aussagen will. Dort geht es um die Frage, wem sein Elternhaus gehört, das sein Vater einem Nachbarn geschenkt hatte, damit es nicht an die Nazis fiel. Dessen Tochter sieht sich als rechtmäßige Besitzerin, mittlerweile ist es eine Million Euro wert, weil Immobilien-Investor Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf) dort ein Großprojekt entwickelt. Doch Spielmann erklärt, die Bauingenieurin Daniela Nowak hätte Beweise, dass die Schenkung einen Zusatz gehabt habe. Als Nowak tot in einem Baucontainer gefunden wird, reist Raczek an und muss sich durch eine deutsch-jüdische Familiengeschichte wühlen. Es ist sein erster Fall ohne Partnerin Olga Lenski, die den Dienst quittiert hat.

Regie in „Hermann“, ein „Polizeiruf“ aus Frankfurt/Oder, hat Dror Zahavi geführt, ein Israeli, der in Potsdam an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Regie studierte, seit Längerem in Berlin und fürs deutsche Fernsehen arbeitet. Für ihn geht es in dem Krimi nicht um die Restitution einer Immobilie, sondern um die „Schuld und das Bedürfnis der Deutschen nach Versöhnung und die Schwierigkeit der ersten Holocaust-Generation, dies zu leisten“. Er selbst kenne aus Israel Menschen, die Deutschland nicht mehr betreten wollen.

Auch Zvi Spielmann fällt diese Reise schwer. Sein Deutsch hat er fast vergessen: An den Begriff „am Arsch“ erinnert er sich noch, weil nach diesen Worten im Konzentrationslager die SS-Männer begannen, die Menschen auszupeitschen. Später werden ihn diese zwei Wörter in die Vergangenheit zurück schleudern, als der Immobilien-Mogul ihm ein „am Arsch“ entgegen brüllt. „Diese Szene ist nach der persönlichen Geschichte meines Großonkels geschrieben und liegt mir sehr am Herzen“, sagt Regisseur Zahavi.

Sie gehört auch zu den berührendsten in diesem Krimi. Ebenso ein Lichtblick: Der israelische Schauspieler Dov Glickman (auch bekannt als Rabbiner in der Netflix-Serie „Shtisel“) spielt den heimkehrenden Juden mit schmerzhafter Intensität. Er weiß nicht, in was für ein Land er kommt, und vertraut seiner Tochter nicht, dass Deutschland sich geändert habe. Als seine Tochter mit der Polizei sprechen soll, quält der alte Mann sich aus dem Bett. „Zur deutschen Polizei gehst du nicht allein.“ Es waren Gestapo-Männer, die seine Familie und ihn abholten.

Es hätte ein wirklich guter Krimi werden können, wenn der Film sich auf diesen Konflikt und diese Tragik konzentriert hätte. Aber Raczek  muss noch ein altes Scharmützel mit einem unsympathischen und ausländerfeindlichen Dienststellenleiter in Cottbus klären – ein relativ sinnfreier Nebenstrang, der nichts zur Handlung beiträgt, außer einen Piesepampel bei der Polizei zu präsentieren. 

„Polizeiruf 110 – Hermann“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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