„Hart aber Fair“ zum Staatsbegräbnis der Queen Einigkeit „vom Punker bis zum Banker“

Düsseldorf · Nach dem Staatsbegräbnis in Großbritannien serviert „Hart aber Fair“ einen Nachschlag zum Wert der Monarchie. Sascha Lobo bringt Sklaverei und Rassismus ins Spiel. James Hawes erklärt, dass sich die Briten ausnahmsweise mal über etwas einig sein durften. Der Kater werde folgen.

Frank Plasberg spricht mit seinen Gästen bei "Hart aber Fair" am Tag nach dem Begräbnis von Queeen Elizabeth II über den Blick auf die Monarchie.

Frank Plasberg spricht mit seinen Gästen bei "Hart aber Fair" am Tag nach dem Begräbnis von Queeen Elizabeth II über den Blick auf die Monarchie.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging es

Frank Plasberg hatte eine Menge Fragen am Abend nach dem Staatsbegräbnis von Queen Elisabeth II, das auch viele Deutsche gebannt verfolgten. “Was fasziniert heute noch so am Tamtam um Adel und Königshäuser?” will der Moderator bei “Hart aber Fair” herausfinden, und: “Täten auch uns solche Vorbilder gut?” Nicht alle Fragen finden einen Antwort.

Die Gäste

  • Sascha Lobo, Kolumnist und Autor
  • Mareile Höppner, Adelsexpertin und ARD-Moderatorin
  • Katarina Barley, SPD, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
  • Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny, Journalist, SWR3
  • James Hawes, birtischer Schriftsteller

Der Talkverlauf

Wer nach den ausführlichen Berichten zum Abschied von Elizabeth II noch Appetit auf mehr Königliches im TV hatte, bekam im ARD-Talk noch einen zäh bis klebrigen Nachtisch serviert. Sascha Lobo nimmt bei “Hart aber Fair” den Anfang kein Blatt vor den Mund. “Völlig in Ordnung” sei, dass man sich für den Tod der Königin interessiere. Gestört habe ihn, dass sich die Medien dem Phänomen Monarchie “so unkritisch nähern”. “Morde, Kolonialismus, Sklaverei”, zählt er auf: So viel Schlimmes sei passiert im britischen Empire, da fehlte ihm die Stellungnahme: “Wenn man sieht, dass die Queen es nicht geschafft, sich in 70 Jahren maßgeblich zu entschuldigen für die Verbrechen, die von dem System ausgegangen sind, das sie repräsentiert, dann halte ich das nicht für eine Lebensleistung, die man feiern kann”, sagt Lobo. Für ihn sei das eher ein großes Versäumnis.

Die übrigen Gäste sehen das etwas anders. Vor allem Bertram Graf von Quadt, der aus einem Adelsgeschlecht in Oberschwaben stammt, “verneigt sich vor der Lebensleistung der Queen”. Für James Hawes hatten die Feierlichkeiten zum Tod der Monarchin vor allem eine verbindende Funktion: “Im Moment sehnen sich die Briten danach, über etwas einig sein zu können, denn sonst stimmen sie über nix überein.” Mareile Höppner stimmt zu: “Es gab heute ein großes Wir-Gefühl”, so die Adelsexpertin. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wohnten einem Pomp bei, der für Deutsche ungewöhnlich sei. “Aber trotzdem sitzen wir vor den Fernsehern”, sagt sie und sieht einen selten Moment der Gemeinsamkeit als Grund: “Vom Punker bis zum Banker konnten sich die Menschen mal alle einig sein über die Queen.”

Nun allerdings warte der wenig pompöse Alltag auf die Britinnen und Briten, und für den kündigt James Hawes einen unschönen Kater an. Nicht nur sei Charles III weniger beliebt als seine Mutter, es warteten schlicht extrem viele Probleme, vor allem wirtschaftlicher Art, die nicht zuletzt mit dem Brexit zusammenhängen. Etwas Skepsis gegenüber dem neuen König äußert auch SPD-Politikerin Katarina Barley, deren Vater als junger Mann aus England ausgewandert ist, weil es für ihn als Kind aus einer Farmerfamilie dort schwer gewesen sei “einen guten Bildungsweg zu gehen”. Sie hätte sich vom Königshaus klarere Signale zum Brexit gewünscht, der die Briten so entzweit habe. Auch von Quadt findet, sie hätte mehr zum Brexit sagen können, erinnert aber daran, dass die Verfassung ihr keine politischen Kommentare erlaubt.

Die Gäste scheinen auf halber Strecke froh, über ein anderes Thema als die Monarchie reden zu dürfen. Eine Runde lang bedauern sie die Briten für ihre gesunkene Wirtschaftsleistung, für geschrumpfte Ex- und Importe des Landes, fehlende Zahnärzte und Lkw-Fahrer. Sascha Lobo legt noch einmal nach und kritisiert, die überhöhte Darstellung der glorreichen Vergangenheit hänge auch mit der Monarchie zusammen, auch habe dieser “der Elitismus England heruntergewirtschaftet.”

Als Plasberg fragt, warum Boris Johnson am Rande der Feierlichkeiten nicht mit Tomaten beworfen worden sei - von Menschen, die unter den Brexit-Folgen leiden, und “sich verarscht fühlten”, klärt ihn Hawes auf: Die Briten stellten einen klassischen Fall für die Psychologie dar, fraglich sei allerdings, “ob der Patient jetzt bereit ist, die Wahrheit ins Auge zu fassen”, oder ob er weiterleben will “im Wahn der guten alten Zeiten”, die König Elisabeth repräsentierte. “Die glauben noch nicht, dass sie verarscht worden sind”, greift Hawes Plasgergs Wortwahl auf. “Das ist die Tragödie.”

Zuletzt müht sich das “Hart aber Fair”-Team herauszufinden, ob denn auch Deutsche gern solche Vorbilder oder Idole brauchten, wie es die Königin in England war und befragt Passanten in Bochum mit gemischtem Erfolg. Höppner ernüchtert etwaige Königsphantasien: “Das kommt für uns gar nicht in Frage”, kommentiert sie. Das sei ein rein britisches Ereignis und “hat mit uns wenig zu tun.” Auch von Quadt lehnt ab: Deutschland habe Führungsfiguren im 20. Jahrhundert ausprobiert, “Das sollten wir bleiben lassen”, rät der Graf.

(juju)
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