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"Hart aber fair" Unter leidenschaftlichen Europäern

Düsseldorf · Die Europäische Union feiert dieser Tage ihren 60. Geburtstag. Bei Frank Plasberg wurde über das Vermächtnis, den Zustand und die Zukunft eben dieser EU lebhaft gestritten – und das im besten Sinne: leidenschaftlich, kontrovers und mit dem ein oder anderen Augenzwinkern.

Chronologie von Europa seit 1957 - die wichtigsten Ereignisse
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Eine Chronologie Europas seit 1957

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Foto: Zörner

Die Europäische Union feiert dieser Tage ihren 60. Geburtstag. Bei Frank Plasberg wurde über das Vermächtnis, den Zustand und die Zukunft eben dieser EU lebhaft gestritten — und das im besten Sinne: leidenschaftlich, kontrovers und mit dem ein oder anderen Augenzwinkern.

Darum ging's: Europa beging am Wochenende in Rom das 60. Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die Geburtsstunde der EU. Frank Plasberg nahm dieses historische Datum zum Anlass, die EU mit seinen Gästen einem Bürgercheck zu unterziehen und fragte angesichts der mannigfaltigen Herausforderungen für die Gemeinschaft: "Feiern gegen die Krise?"

Darum ging's wirklich: In Plasbergs Talk-Runde mit dem Thema EU saß dieses Mal kein einziger überzeugter Anti-Europäer. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, kam eine leidenschaftliche und sehenswerte Diskussion zustande. Die Runde diskutierte kontrovers über viele Themen, betonte aber auch unverbrüchliche Gemeinsamkeiten. Ganz so, wie man sich das für die EU als Ganzes wünschen kann.

  • Edmund Stoiber (CSU), ehemaliger bayerischer Ministerpräsident
  • Bernd Lucke, Europaabgeordneter der Liberal-Konservativen Reformer, früherer AfD-Vorsitzender
  • Louise Mansson, EU-Befürworterin, Kommunikationsberaterin
  • Jean Asselborn, Minister für auswärtige und europäische Angelegenheiten in Luxemburg
  • Markus Preiß, Leiter des ARD-Studios Brüssel

Der Frontverlauf: Die erste Einschätzung des Abends kam nicht von Frank Plasberg, sondern von einer Taxifahrerin aus Osnabrück. Sie fand, dass es für die EU keinen Grund gebe, zu feiern. Für die Bürger sei sie ohnehin "nicht greifbar", und vielen Menschen im Staatenverbund gehe es sehr schlecht. Jean Asselborn konterte, dass es "ohne die Europäische Union viel, viel schlimmer wäre" und zählte die Errungenschaften der Gemeinschaft auf.

Solidarität und Rechtsstaatlichkeit gehörten für ihn dazu, aber auch ein nachhaltiger Friede unter den Mitgliedstaaten. Dass es in der EU seit 70 Jahren keinen Krieg mehr gegeben habe, sei ein Vermächtnis eben dieser EU. "Das dürfen wird nicht einfach so wegschmeißen", befand er. Gleichzeitig betonte Asselborn, die EU müsse ihre soziale Dimension stärken, dort gebe es "sehr viel Luft nach oben".

Auch Edmund Stoiber, der im Laufe der Diskussion immer wieder zu langen und lautstarken Reden anhob, lobte die friedensstiftende Kraft der EU und nannte sie eine "unglaubliche Leistung". Spanien und Portugal, die jahrelang unter Diktaturen gelitten hätten, wären erst mithilfe der EU zu Demokratien herangewachsen. Auch im Hinblick auf mitunter schwierige Mitgliedsstaaten sei die EU unabdingbar, befand er. "Wenn Polen nicht in der EU wäre, das würde uns, und wenn sie noch so sperrig sind, Probleme bereiten", sagte Stoiber.

Im Gegensatz zu Asselborn beharrte Stoiber aber darauf, dass die EU nicht für alles verantwortlich sei. Für Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik zum Beispiel seien in erster Linie die 27 Nationalstaaten und nicht die EU zuständig. Aber "in den großen Dingen brauchen wir mehr Europa", befand Stoiber. Der Schutz der Außengrenzen müsse in der Verantwortung der EU liegen, bei der Verteidigungspolitik müsse die EU enger zusammenrücken und darüber hinaus brauche es ein europäisches Asylsystem.

Damit war die Runde bei ihrem beherrschenden und kontroversesten Thema angelangt: der europäischen Flüchtlingspolitik. Diese empfanden Plasbergs Gäste als die wohl größte Herausforderung und Gefahr für die Zukunft des Staatenverbunds. ARD-Korrespondent Preiß nannte die Uneinigkeit in dieser Frage einen bedrohlichen "Spaltpilz" für die EU. Bernd Lucke kritisierte, bei der Flüchtlingsfrage sei die EU einfach über kleinere Länder hinweg gegangen. Gleichzeitig distanzierte sich der Gründer und ehemalige Parteichef der AfD von Flüchtlingsklischees. "Die allermeisten Flüchtlinge benehmen sich sehr ordentlich hier und versuchen sich anzupassen", kommentierte Lucke einen offenen Brief des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte.

Edmund Stoiber forderte, das Thema Migration müsse endlich europäisiert werden, vor allem was die drohende Armutsmigration aus Afrika angehe. Dagegen müsse vor Ort in Afrika etwas getan werden. "Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Da muss ich die Polen und die Ungarn und die Tschechen und die Dänen und die Schweden dazu bringen und das ist möglich", sagte Stoiber. Wie das aber zu bewerkstelligen sei, diese Antwort blieb Stoiber schuldig.

Asselborn ärgerte sich im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise vor allem darüber, dass manche Länder nur dann Solidarität von der EU forderten, wenn es ihnen nütze. "Solidarität kann man nicht wie eine Wurst in Stücke schneiden", bemerkte er. "Man kann nicht solidarisch sein, wenn es um das Autobahn-Bauen geht und wenn es um das Menschliche geht, verwehren sich Länder", sagte Asselborn.

Dass EU-Bürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hätten, war für die überzeugte Europäerin Louise Mansson eine Selbstverständlichkeit. Sie präsentierte sich in der Diskussion wenig streitlustig, dafür pragmatisch von der EU überzeugt. "Es geht nicht alleine", betonte sie. "Die Richtlinie sollte sein: gemeinsam und nicht alleine."

Das wahrste Wort des Abends: "Warum bringen wir es nicht fertig? Ich hatte mir eigentlich eine Antwort von Ihnen erwartet." (Frank Plasberg als Kommentar auf eine Antwort von Jean Asselborn)

Fazit: "Hart aber fair" bot eine abwechslungs- und ideenreiche Diskussion. Der EU und ihren Bürgern kann man nur mehr davon empfehlen.

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