TV-Nachlese zu „Hart aber fair“ „Merkel macht nicht die Gesetze“

Düsseldorf · Einen großen Streit bricht Plasberg am Montag nicht vom Zaun. Aber es kristallisiert sich eine Herausforderung an den Bundestag heraus, zu der der Talkshow-Moderator bereits einen Einspieler vorbereitet hat.

 Die Talkrunde bei „Hart aber fair“ am 29.03.2021.

Die Talkrunde bei „Hart aber fair“ am 29.03.2021.

Foto: WDR

Am Montag stand die Talkshow von Frank Plasberg unter dem Motto „Verzeihung, wir haben da eine Frage: Scheitert Deutschland in der Krise?“. Zur Diskussion sollte eigentlich auch der ehemalige Spitzenpolitiker Klaus von Dohnanyi (SPD) beitragen. Doch technische Probleme verhinderten seine virtuelle Teilnahme.

Die Gäste:

  • Norbert Röttgen (CDU), Bundestagsabgeordneter
  • Herfried Münkler, emeritierter Politik-Professor
  • Marina Weisband (Grüne), Psychologin und Publizistin
  • Melanie Amann, Journalistin
  • Matthew Karnitschnig, US-Journalist

Darum ging’s:

Um mehr oder weniger konkrete Vorstellungen, wie die Corona-Politik in Deutschland effizienter gestaltet werden könnte.

Der Talkverlauf:

Am Vortag war Angela Merkel (CDU) bei „Anne Will“ zu Gast, und die Kritik der Kanzlerin an den Ministerpräsidenten – allen voran an Armin Laschet – scheint ein gefundenes Fressen für Frank Plasberg. Gleich zum Einstieg möchte er wissen, wie das zu bewerten sei. Eine Breitseite? Definitiv, findet die Journalistin Melanie Amann. Allerdings sei es vielleicht gut, dass die „gespielte Harmonie“ zwischen Ministerpräsidenten und Kanzlerin nun aufgebrochen sei – und die Zeit für Klartext gekommen.

Der nordrhein-westfälische CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen findet diese Rangeleien nebensächlich. „Das Entscheidende ist, dass wir am Beginn der ernstesten und gefährlichsten Phase dieser verheerenden Pandemie stehen“, sagt er und fängt sich damit ein Etikett des Moderators ein: Er mache den Lauterbach, der schon auf demselben Stuhl gesessen habe. „Wenn wir beide Recht haben, liegt das bestimmt am Stuhl“, frotzelt Röttgen. Dann verweist er mit ernster Miene auf die Naturwissenschaft und stellt sich hinter Merkel: „Je länger wir mit dem Handeln warten, desto größer werden die Schäden.“

Das „in der Pandemie erfundene spezielle Regierungsformat“ der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin habe sich als dysfunktional erwiesen, so Röttgen. Seine Forderung: Entweder kommt die MPK in der Woche nach Ostern zu „gefahrenangemessenen Entscheidungen“ oder der Bundestag müsse es richten – mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage.

Von der Psychologin und Publizistin Marina Weisband will Plasberg wissen, wie das Interview der Kanzlerin bei den Menschen in Deutschland angekommen ist. „Ich hatte das Gefühl, Frau Merkel wendet sich bei ‚Anne Will’ in erster Linie an 16 Menschen“, sagt Weisband. Und was nun diese Gruppe anbetrifft: „Statt der Pandemie bekämpfen viele Ministerpräsidenten den Lockdown.“ Ihrer Ansicht nach ist die Behauptung falsch, die Menschen wollten nichts als Lockerungen. Dabei verweist Weisband unter anderem auf eine Petition für einen härteren Lockdown.

Als Einzige in der Runde formuliert sie eine konkrete Idee – was auch daran liegt, dass Plasberg nur sie danach fragt. Unter der Voraussetzung eines klaren Zielwerts bei den Inzidenzen und gleichzeitig massiver Impfkampagne kann sich Weisband strenge Maßnahmen vorstellen: einen sofortigen Lockdown mit Home Office-Pflicht beziehungsweise Testpflicht, wo Home Office nicht möglich ist, begleitet von einer dezentralen Beschulung und Betreuung von Kindern in Kleingruppen und praktischen, ausgeglichenen Hilfen für Familien und Unternehmen. Ein Beispiel für „ausgeglichen“ nennt sie auch: Künstler hätten schon die ganze Zeit zu leiden, aber „die Wurstproduktion haben wir noch nicht angehalten“.

Eine klare Richtung der Corona-Politik vermissen indes offenbar alle in der Talkrunde. „Es ist aufgeflogen, dass keine Strategie da war, sondern nur eine Fülle von Taktiken, die sich in vieler Hinsicht widersprochen haben“, analysiert der emeritierte Politikprofessor Herfried Münkler. Der US-Journalist Matthew Karnitschnig hält die mangelhafte Impfstrategie für die „Erbsünde“ Deutschlands und Europas.

Schließlich weist die Journalistin Amann darauf hin, dass die rechtliche Grundlage für eine „entschlossene, strategische Führung“ in Deutschland vorhanden sei. Röttgen pocht auf die eigenständige Verantwortung und Funktion des Bundestags. „Merkel macht nicht die Gesetze“, sagt er. Daraufhin wendet sich Amann direkt an Röttgen, der auch Mitglied im Präsidium seiner Partei ist: „Ja, wo ist denn dann der Gesetzesentwurf der Unionsfraktion zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes?“ Nun wendet Röttgen ein, die MPK sei doch erst in der vergangenen Woche gescheitert. Und in dieser Woche sei da nichts mehr zu reparieren. Aber in der nächsten Woche müsse der Bundestag seiner Ansicht nach als Gesetzgeber aktiv werden.

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