"Hart aber fair" mit Frank Plasberg "Es wird Verteilungskämpfe geben"

Düsseldorf · Frank Plasberg setzt ein dickes Fragezeichen hinter die deutsche Willkommenskultur. Im Talk bei "Hart aber fair" geht es um den Kontrollverlust des Staates. Spannendster Gast: Eyüp Yildiz, stellvertretender Bürgermeister aus Dinslaken. Seine Mahnungen weisen darauf hin, welche Fehler Deutschland auf keinen Fall wiederholen darf.

 Der stellvertretende Dinslakener Bürgermeister Eyüp Yildiuz geriet bei Plasberg mit Roland Tichy aneinander.

Der stellvertretende Dinslakener Bürgermeister Eyüp Yildiuz geriet bei Plasberg mit Roland Tichy aneinander.

Foto: Screenshot ARD

Eines kann man Plasberg nicht vorwerfen. Er scheut nicht davor zurück, auch die unangenehmen Fragen zu stellen. Schon in der Anmoderation seiner Sendung am Montagabend wird das deutlich. "Für Bedenken und für Ängste ist in der deutschen Willkommenskultur kaum Platz" sagt er und lenkt damit auf sein Thema: "Flüchtlingskrise im Bürgercheck: geht das gut mit Jobs, Wohnen, Integration?"

Die Basis für das Gespräch geben Zuschriften von Bürgern, die ihre Eindrücke und Sorgen zu den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte formulieren. Dabei kommt das gesamte Spektrum der Meinungen in Deutschland zum Ausdruck: die der Besorgten, die Angst haben, dass das Land in die Knie geht und die Politik nicht mehr imstande ist, geltendes Recht durchzusetzen. Und die der "Willkommens-Optimisten", die Flüchtlinge als Chance begreifen.

Antworten erwartete Plasberg sich von Katrin Göring-Eckhardt, Vizechefin der grünen Fraktion im Bundestag, CDU-Vize Thomas Strobl, Porsche-Betriebsrat Uwe Hück, Wirtschaftsjournalist Roland Tichy und Eyüp Yildiz (SPD), stellvertretender Bürgermeister von Dinslaken.

 Frank Plasberg versuchte die Wogen zu glätten.

Frank Plasberg versuchte die Wogen zu glätten.

Foto: Screenshot ARD

Yildiz hat in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht, weil er in Dinslaken ohne Rücksichtnahme Integrationsprobleme im Problemstadtteil Lohberg ansprach. Mit der eigenen Partei liegt er über Kreuz, weil er fordert, die Grundschule zu schließen, weil dort auf dem Schulhof nur noch türkisch gesprochen wird und die aufstiegsorientierten Bewohner des Stadtteils — ganz egal ob deutsche oder Türken - ihre Kinder längst in anderen Stadtteilen zur Schule bringen.

Wie in einem Brennglas zeigt sich an diesem Dinslakener Beispiel, was an Integrationsproblemen auf Deutschland zukommen dürfte. "Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen wie vor 30-40 Jahren", warnt Yildiz. Das nämlich liefe nach seiner Überzeugung darauf hinaus, dass sich erneut Parallelgesellschaften mit eigenen Wertesystemen bilden, perspektivlos, wirtschaftlich abgehängt, Ghettobildung.

Yildiz ist es dann auch, der mit seinem streitfreudigen Engagement für den wohl aufregendsten Moment der Debatte sorgt, als er gegen den "menschenverachtenden Neoliberalismus" wettert und damit den versierten Talkshow-Streithammel Tichy zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch provoziert, indem der Muslim Yildiz dem Christen Tichy vorwarf, christliche Werte zu missachten.

Dabei waren die beiden in der Analyse gar nicht so weit entfernt voneinander. Beide befürchten Verteilungskämpfe zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, etwa bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. Die werde wohl eher zu Lasten der finanziell Schwachen gehen.

Nur in den Schlussfolgerungen liegen sie auseinander. Der Sozialdemokrat Yildiz stellt das System in Frage und will mit Hilfe von Vermögens- oder Finanztransaktionssteuer umverteilen. "Das Geld ist da. Der Druck darf nicht nach unten gehen, sondern muss sich nach oben richten", lautet sein Mantra, das er mehrfach wiederholt.

Der Ökonom Tichy hingegen will das System verteidigen und den Zustrom der Flüchtlinge steuern. "Ich nehme bei den Bürgern zunehmend Angst wahr, nicht vor den Menschen, die kommen, sondern vor einer Politik, die damit nicht umgehen kann", so Tichy.

Eines macht der Abend deutlich: Ob die Integration gelingt, entscheidet sich nicht im Parlament oder den Medien, sondern in den Kommunen. Nur dort, auf Schulhöfen, in Vereinen oder im Stadtviertel können Flüchtlinge Teil einer Gesellschaft werden.

(pst)
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