Karl Lauterbach bei „Hart aber Fair“ „Skrupellose Händler dürfen Kinder nicht als Dauerkunden gewinnen“

Düsseldorf · „Saufen normal, Kiffen bald legal: Ist Deutschland auf dem falschen Trip?“ Bei “Hart aber Fair” ging es erst um die ganz legale Trinkerei. Dann stritten sich Karl Lauterbach und Markus Blume um die Cannabis-Legalisierung.

 Louis Klamro diskutierte am Abend mit seinen Gästen bei „Hart aber Fair“ über den Konsum von Alkohol und Cannabis in Deutschland.

Louis Klamro diskutierte am Abend mit seinen Gästen bei „Hart aber Fair“ über den Konsum von Alkohol und Cannabis in Deutschland.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging es

Wird der Suff verharmlost und das Kiffen verteufelt? “Hart aber Fair” hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingeladen, der Cannabis legalisieren will. Louis Kalmroth fragt am Abend in der ARD: Wie gefährlich ist das für Jugendliche und wie glaubwürdig ist ein Staat, der zum Dealer wird? Außer einem CSU-Politiker diskutieren eine nicht-trinkende Journalistin, ein kiffender Rapper und eine Psychologin.

Die Gäste

  • Curly, Rapper, Songwriter und Podcast-Host
  • Markus Blume, Bayrischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, CSU
  • Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, SPD
  • Nathalie Stüben, Journalistin und Buchautorin
  • Sabine Ahrens-Eipper, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin

Der Talkverlauf

Legale Rauschmittel machen am Abend bei “Hart aber Fair” den Anfang: Karl Lauterbach, der einräumt, selbst gern ein zwei Glas Rotwein zu trinken, glaubt, “dass wir als Gesellschaft zu viel Alkohol trinken”. Der Bundesgesundheitsminister hat aber auch eine gute Nachricht: Generell werde deutlich weniger getrunken, und vor allem das “sich Betrinken” sei aus der Mode gekommen. Das ist einer der wenigen Momente der Sendung, in dem CSU-Politiker Blume Lauterbach zustimmt: Für viele sei Trinken eher Genuss und nicht Missbrauch, viele könnten Alkohol “verantwortungsvoll konsumieren”, man dürfe den Menschen nicht das Bier am Abend verleiden, das in Bayern wie Klamroth einwirft, ohnehin eine Art Grundnahrungsmittel sei.

Wie viel genau dieses Weniger an Alkohol in Deutschen Landen ist, hat Klamroth anschaulich im Studio aufbauen lassen: Elf Kästen Bier, 28 Flaschen Wein, vier Flaschen Sekt und fünf Liter Schnaps trinkt jeder und jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Psychotherapeutin Sabine Ahrens-Eipper findet, es geht nicht vorwiegend um die Menge: “Aber wenn ich jeden Abend ein Glas brauche, um runterzukommen, wäre für unsere Profession eine Sorge.”

Die Gewohnheit ist auch Journalistin Stüben bekannt. Sie hat das Buch “Ohne Alkohol. Die beste Entscheidung meines Lebens” geschrieben und warnt: “Eine Sucht kann mit einer Gewohnheit beginnen. ”15 Prozent der Menschen, die Alkohol trinken, entwickeln eine Abhängigkeit.” Die Autorin wünscht sich, dass die Verfügbarkeit eingeschränkt wird, Preise nach oben gehen und auf Flaschen Schockbilder wie auf Zigarettenschachteln gezeigt werden.

Die nahende Prohibition des Alkohols ist jedoch nicht Thema des Abends. Klamroth will vor allem über die von der Ampel-Koalition geplante Legalisierung von Cannabis diskutieren und hat mit Markus Blume einen Oppositionspolitiker eingeladen, der die Idee ganz und gar absurd findet: Als Lauterbach berichtet, die Regierung arbeitet in der Tat an mehr Suchtprävention auch im Bereich Alkohol kritisiert er: Auf der einen Seite sei die Koalition “mit dem Thema verbieten unterwegs”, auf der anderen Seite wolle sie neuen Suchtmitteln die Tür öffnen: “Saufen kann sicherlich keine Legitimation fürs Kiffen sein”, sagt er und erntet Applaus, wenngleich sein Punkt nicht ganz klar ist.

Lauterbach war kürzlich im Görlitzer Park unterwegs, einer Gegend in Berlin, in der viel mit Drogen gehandelt wird und widerspricht dem CSU-Mann aus München: “Wir führen ja nicht den Cannabis-Konsum in Deutschland ein”, sagt er. Der sei ja da und werde immer mehr. Das Elend der “heruntergekommenen Abhängigen” im Görlitzer Park sei es, dem man beikommen wolle, das stehe für eine misslungene Drogenpolitik. “Wenn schon gekifft wird, würde ich lieber haben, dass wenigstens der Schwarzmarkt und die ganze Kriminalität wegkäme und daran arbeiten wir”, verteidigt er die geplanten Gesetzesänderungen. Wenn der Staat die Preise kontrolliere, werde der Schwarzmarkt verschwinden, so eine der Ideen.

Einig sind sich die meisten, dass es wichtig ist, junge Menschen, deren Gehirne noch im Entwicklungsstadium sind, früh über die Gefahren von Drogen aufzuklären, und zwar nicht erst mit 18. Kindertherapeutin Ahern fordert: “Wir müssen viel früher in die Schulen gehen und dort Suchtprävention machen - in der dritten Klassen, in der siebten, in der neunten Klasse.” Rapper Curly, der Wein mag und auch gerne kifft, macht ein Dilemma der Nachvollziehbarkeit aus: “Wie soll man jemandem erklären, dass er mit 16 ein Bier kaufen kann, aber erst mit 25 Marihuana?”

Blume scheint vor allem angetreten um Karl Lauterbach zu nerven. Es sei absurd wenn der Minister einerseits über die Gefahren rede, und dann dann über die Freigabe spricht. “Ich würde würde mir einen Gesundheitsminister wünschen, der Gesundheitsschutz und Prävention in den Vordergrund stellt.” Bei der legalisierten Abgabe von Cannabis wähnt der Bayer “den Staat im Preiswettbewerb mit der organisierten Kriminalität.” Lauterbach entgegnet: “Bei so einem komplizierten Thema kommt man mit populistischen Gassenhausern nicht weiter. Wolle man “ehrlich was erreichen” müssen man auch Lösungen zulassen, die anderswo funktionieren.

Das Beispiel Kanada scheint nicht geeignet. Dort ist der Cannabis-Konsum seit der Legalisierung 2018 gestiegen. Lauterbach verteidigt: Es habe vorher sicher eine deutlich höhere Dunkelziffer gegeben. Und um wie viele Menschen geht es eigentlich in Deutschland? Hierzulande würde eine Legalisierung dem “Hart aber Fair”-Team zufolge 4,5 Millionen der 18- bis 64-Jährigen treffen, die derzeit Cannabis rauchen – nicht eingeschlossen jene Konsumenten, die medizinisches Cannabis in der Apotheke bekommen.

Lauterbach verteidigt weiter den Legalisierungsansatz, bei dem es vor allem darum gehe, dass “skrupellose Händler Kinder nicht als Dauerkunden gewinnen und nicht in eine Multiabhängikgeit bringen.” Die Kontrolle von Markt und Anbau könne dabei eine wichtige Funktion haben.

Blume kritisiert weiter, Lauterbach wolle “die Niederlande links überholen”, dabei sei das Land im Griff einer Drogenmafia. “Das ist doch die Kombination von Vollgas und Handbremse gleichzeitig”, bemüht der CSU-Politiker weitere Bilder, da werde einerseits “der Rausch unter staatlicher Anleitung organisiert” und andererseits mehr Prävention betrieben. “Nur ein Ansatz wäre dem Gesundheitsminister würdig”, findet Blume und zitiert den wenig neue Parole: “Keine Macht den Drogen”.

Lauterbach ist genervt, bleibt aber ruhig und tadelt: “Das sind doch Ausschankargumente: Handbremse Vollgas, keine Macht den Drogen.” Dann sagt er: “Wenn ich die Möglichkeit als Minister hätte Cannabis zu eliminieren, würde ich das doch tun. Aber wir müssen doch leben mit dem Problem. da kann man doch die Augen nicht zumachen.” Legalisierung sei auf dem Weg zur Problemlösung für ihn ein wichtiger Schritt.

(juju)
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