TV-Nachlese "Hart aber Fair" Die achtlose Gesellschaft

Düsseldorf · Gaffer bei Unfällen, Pöbeleien und Gewalt gegen Polizisten, Applaus bei Bränden von Flüchtlingsheimen: Ist unsere Gesellschaft komplett verroht? Das diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen Montagabend bei "Hart aber Fair".

Das ist Frank Plasberg: Alle Infos zum TV-Journalisten und Moderator
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Das ist Frank Plasberg

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Foto: dpa/Horst Galuschka

Darum ging's

Der Rentner, der in einem Kassenraum in Essen vor einigen Wochen starb, während vier Bankkunden über den am Boden liegenden Mann stiegen. Gaffer, die die Arbeit von Polizei, Feuerwehr und Sanitätern behindern. Menschen, die applaudieren, weil ein Flüchtlingsheim brennt. Es scheint, als laufe etwas schief in unserer Gesellschaft. Frank Plasberg wollte in seiner Sendung wissen: "Hassen, Pöbeln, Gaffen — wie verroht ist unsere Gesellschaft?"

Darum ging's wirklich

Tatsächlich ging es dieses Mal wirklich um das Thema, das Plasberg geplant hatte: die Verrohung unserer Gesellschaft. Die schlimmsten Beispiele der vergangenen Wochen wurden rausgepickt und diskutiert.

Die Gäste

  • Thomas de Maizière, Bundesinnenminister, CDU
  • Renate Künast, Grüne
  • Wolfgang Huber, Theologe
  • Christian Pfeiffer, Kriminologe
  • Sandro Poggendorf, MDR-Reporter ("FAKT")

Frontverlauf

Plasberg stieg in seine Sendung ein mit dem Bericht über den sterbenden Rentner in einer Bankfiliale, dem niemand der Bankkunden half. Die Videobilder, auf denen zu sehen war, wie Kunden über den am Boden liegenden Renter stiegen, gingen durch ganz Deutschland. Und sie schockieren auch die Runde bei Plasberg. "Die Bilder sind ein Aufruf der Polizei, mehr zu machen", erklärt Künast.

Eine Steilvorlage für den Innenminister de Maizière: "Natürlich sind auch Videokameras an öffentlichen Plätzen wichtig für die Aufklärung solcher Fälle." Künast kontert: "Wie man daran sieht: Sie können damit Taten aufklären, aber viele Taten lassen sich damit nicht verhindern." De Maizière: "Besser Aufklärung einer Straftat als keine Aufklärung!"

Nach einigen weiteren Beispielen und Empörung in der Runde um die Unachtsamkeit füreinander fordert de Maizière: "Wir müssen jetzt mal aus dieser Empörungshaltung raus." Und er hat direkt eine Liste von Vorschlägen, wie es besser werden könnte: Jeder sollte ein Vorbild sein, man brauche bessere Erziehung, mehr Repressionen und man brauche ein gesellschaftliches Übereinkommen, wann man sage: "Das tut man nicht!".

Dann geht es um Gewalt gegen Polizisten. Im vergangenen Jahr habe es 68.000 Fälle von Angriffen gegen Polizisten gegeben — 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch der Fall aus Düren, bei dem sich der Streit um ein Knöllchen so hochschaukelte, dass am Ende zehn Polizisten verletzt wurden, wurde besprochen. "Die Polizisten stehen für den Staat. In solchen Fällen brauchen wir eine harte, repressive Antwort", sagt de Maizière und kündigt an, die Strafen für solche Fälle zu verschärfen.

Dann geht es um einen ganz aktuellen Fall aus Hameln: Ein Mann hat dort am Sonntag seine Ex-Frau an einem Strick hinter seinem Auto hergezogen. Sie liegt im künstlichen Koma. Kriminologe Christian Pfeiffer macht Hoffnung: "Die Gewalt geht insgesamt umso stärker zurück, desto jünger die Menschen sind." Aber: Es gibt Teilbereiche, in denen alte Machostrukturen weiterhin lebendig ist. Wo der Mann nicht akzeptieren kann, wenn die Frau einen eigenen Willen hat." Doch es gibt eine tröstliche Botschaft von ihm: Bei einer Studie in Hannover sei bei jungen Einwanderern die Machobereitschaft stetig gesunken. "Es gibt einen Lernprozess."

Jan Rühmling, Feuerwehrmann, berichtet von einem Großeinsatz, bei dem Gaffer sogar der Polizei die Brötchen wegaßen und fragten, ob man auch Tee haben könnte — denn für die Feuerwehr stand nur Kaffee bereit. "Mit leerem Magen ist schlecht gaffen", schrieb Rühmling später auf Facebook.

Ist das Schlimmer geworden? "Es hat ganz andere Ausmaße angenommen", sagt er. Als er einmal einen Menschen reanimierte in der Fußgängerzone, bildeten die Menschen einen Kreis und ließen sogar die Kinder nach vorne, damit sie gut sehen können."Meine Verwunderung wird größer, aber ich mach es tatsächlich noch gerne."

Fazit

Die Kriminalitätsstatistiken sprechen teils dagegen, dass alles schlimmer geworden ist. Am Ende sagt de Maziere, dass der Großteil der Gesellschaft hilfsbereit ist: "Nur eine kleine Minderheit wird immer verrückter." Wir sollten wohl aufpassen, dass diese nicht größer wird.

(mre)
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