"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Ist diese Frau eine Einbrecherin?

Düsseldorf · Frank Plasberg hat zu seinem Talk Polizisten, Journalisten und Verbrecher eingeladen. Die Polizei überfordert, Bürger im Stich gelassen – bei der Suche nach den Ursachen bekommt die Diskussion schnell einen gefährlichen Zungenschlag. Das bekam vor allem eine Frau mit Migrationshintergrund zu spüren.

 Irene Mihalic geriet bei Plasberg wegen ihres Namens in den Fokus.

Irene Mihalic geriet bei Plasberg wegen ihres Namens in den Fokus.

Foto: Screenshot ARD

Frank Plasberg hat zu seinem Talk Polizisten, Journalisten und Verbrecher eingeladen. Die Polizei überfordert, Bürger im Stich gelassen — bei der Suche nach den Ursachen bekommt die Diskussion schnell einen gefährlichen Zungenschlag. Das bekam vor allem eine Frau mit Migrationshintergrund zu spüren.

Deutschland ein Paradies für Einbrecher? Am Montagabend stellte Frank Plasberg in der ARD diese Frage sich und seinen Gästen. Schon direkt zu Beginn wird angesichts der gesammelten Fakten klar, wie erschütternd die Lage ist. Die Einbruchszahlen sind so hoch wie seit 16 Jahren nicht, die Aufklärungsquote der Polizei liegt bundesweit bei kümmerlichen 15 Prozent, in einigen Regionen wie etwa Köln/Leverkusen sogar bei nur 7,9 Prozent, wie der langjährige Kölner Oberstaatsanwalt Egbert Bülles versichert.

Er sieht Deutschland im Würgegriff krimineller Banden und diagnostiziert gleichzeitig Staatsversagen. Schon zu Beginn hatte Plasberg erwähnt, dass Polizisten angeblich nur noch "Beileidsbesuche" machen, wenn sie ein Haus nach einem Einbruch aufsuchen.

Ein Polizist spricht von "Heuschrecken"

Neben Bülles sitzen am Podiumstisch weitere Leute vom Fach. Joachim Lenders, Hamburg-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD), die ehemalige Polizeioberkommissarin Irene Mihalic (Grüne) und der Journalist Fritz Pleitgen. Gewissermaßen als Experte ist als Extra-Gast Hammed Khamis eingeladen, der auf die Erfahrung von mehr als 50 Einbrüchen zurückblicken kann.

Die Diskussion dreht sich schnell um die sensible Fragen nach der Herkunft der Täter und ob man über so etwas in Zeiten von "Pegida" und anderer Hetze offen reden darf. Der Polizist Joachim Lenders bejaht das ausdrücklich und rühmt sich als einer, der Klartext spricht. Er spricht dann auch ungebremst von organisierten Banden aus dem Ausland, die durch Deutschland reisen und "wie Heuschrecken" über deutsche Städte herfallen. Das Einsatzgebiet wechselten sie, sobald ihnen die Polizei zu nah auf die Schliche kommt.

Pleitgen entsetzt

Fritz Pleitgen reagiert darauf mit Entsetzen. Schon während Lenders spricht, ringt er um Fassung. Mit Nachdruck warnt er vor Panikmache und wirbt für ein zurückhaltenderes Vokabular sowie eine differenziertere Betrachtung. "Ich bin sehr dafür, dass wir die Bevölkerung aufklären", sagt er. "Aber Deutschland ist doch kein Verbrecherland." Berichte über organisierte Banden gebe es schon seit den 60er Jahren.

Bemerkenswert auch die Reaktion des ehemaligen Straftäters Hammed Khamis, der sich inzwischen als Sozialarbeiter um Jugendliche kümmert. Den Heuschrecken-Vergleich von Lenders hält er für völlig überzogen. Er kenne seine Leute in Hamburg persönlich. Seine und deren Tätigkeit als Einbrecher beschreibt er als ganz gewöhnliche Arbeit. Da bereite man sich vor, kundschafte aus, gebe sich mehr Mühe, wenn man mal etwas Größeres rausholen wolle. "Sie haben sich doch für heute Abend auch vorbereitet?", sagt er zu Plasberg.

Die Sache mit dem "ic"

Wie gefährlich die Frage nach der Herkunft der Täter sein kann, zeigt viel deutlicher noch ein anderes Beispiel. Staatsanwalt Bülles erzählt von seinen Erfahrungen vor Gericht. Dort seien bei Einbruchsdelikten auffallend oft Menschen mit einem Namen gewesen, der auf "ic" endete. Eine deutliche Anspielung auf eine Herkunft aus dem osteuropäischen Raum rund um das ehemalige Jugoslawien.

Welch absurden Schlussfolgerungen solche Behauptungen nahelegen, zeigt sich unmittelbar darauf beim Blick auf eine Teilnehmerin in der Diskussionsrunde: Ihr Name: Irene Mihalic, geboren in Deutschland, mit Wurzeln aus Kroatien. "Da bin ich dann also prädestiniert", wirft die frühere Kommissarin dazwischen. Das sei der Versuch, Straftaten bestimmten Bevölkerungsgruppen zuzuschreiben, und in dieser Pauschalität sicher nicht haltbar. Auch Bülles räumt auf Nachfrage ein, dass sich von Nachnamen nicht auf das Verhalten schließen lässt.

Was sagt uns die Herkunft der Täter?

Dennoch drängt Lenders darauf, zukünftig in der polizeilichen Statistik die Nationalität der Kriminellen zu erfassen. Die Herkunft von Kriminellen spielt in offiziellen Polizeistatistiken bislang keine Rolle und auch in den Medien wird sie nach einem ungeschriebenen Kodex nicht thematisiert. Er und auch Bülles würden das ändern, wenn sie könnten, weil sie sich "Einblick in die "Denkstrukturen" der Täter erhoffen. Bülles erwähnt in diesem Zusammenhang Familien, in denen es kaum ein Unrechtsbewusstsein gebe und Täter Applaus für ihre Straftaten erhielten.

Innenminister Gall, Mihalic und Pleitgen halten das für untragbar. Bis zu welcher Generation man denn bitte den Migrationshintergrund erfassen wolle, hält die ehemalige Kommissarin Lenders entgegen. Noch entschiedener Pleitgen: "Das bringt die Pegida-Leute auf die Straße", warnt er. Die soziale Situation sei die Ursache und nicht die ethnische Herkunft. "Clans erkenne ich nicht auf den ersten Blick", hält Lenders dem entgegen. Er werde auch weiterhin Klartext reden und Dinge beim Namen nennen.

"Dann wird es noch schlimmer"

Pleitgen treibt das erst recht auf die Palme. "Nicht akzeptabel, absolut unzulässig", lautet sein Urteil. Die Polizei sei ein Vertreter des Staates und müsse verantwortlich mit Sprache umgehen. Eindringlich warnt er vor der Diskriminierung von einzelnen Bevölkerungsgruppen. Er erinnert an die Tatsache, dass in Deutschland jemand, der Roma ist, seine Herkunft verleugnen muss, wenn er Karriere machen will. "Wenn Sie mit Ihren Worten, dass sie Klartext reden, noch Öl ins Feuer gießen, dann wird es noch immer schlimmer", hält er Lenders vor.

Klüger ist der Zuschauer am Ende — wie bei Plasberg fast immer — nicht geworden. Eine Bilanz, die nicht unbedingt für das Talkshow-Format spricht. Eher für die umfassende und weitgehend differenzierte Reportage #beckmann, die sich vor Plasberg mit demselben Thema befasst hatte.

(pst)
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