TV-Kritik zu "Hart aber Fair" "Ich mag kein Tofuhühnchen"

Köln · "Mit der Kuh per Du – wie korrekt muss unser Essen sein?" Unter dieser Überschrift diskutierten in der ARD-Talksendung "Hart aber Fair" Journalisten, Politiker, Schauspieler und Fleischproduzenten mit Moderator Frank Plasberg.

 Andreas Hoppe zu Gast in der Sendung von Frank Plasberg.

Andreas Hoppe zu Gast in der Sendung von Frank Plasberg.

Foto: ARD

"Mit der Kuh per Du — wie korrekt muss unser Essen sein?" Unter dieser Überschrift diskutierten in der ARD-Talksendung "Hart aber Fair" Journalisten, Politiker, Schauspieler und Fleischproduzenten mit Moderator Frank Plasberg.

Das Thema Essen ist in Mitteleuropa fast schon mit einem Glaubenskonflikt gleichzusetzen. Veganer oder Vegetarier — sie diskutieren den unverbesserlichen "Fleischesser" mitunter an die Wand. Ob sie mit ihren nahezu missionarischen Predigten Recht haben, konnte auch bei "Hart aber Fair" schlussendlich nicht geklärt werden, prallten die Argumente der Verfechter und Gegner, wie schon so oft erlebt, in der erst am Ende leicht erbebenden Diskussion wirkungslos aneinander ab.

Nachdenklicher sollte dem Zuschauer vielmehr die erste Dreiviertelstunde der Sendung machen, als die Gäste der Frage nach der Sinnhaftigkeit regional verarbeiteter Produkte nachgingen. Schauspieler Andreas Hoppe hatte sich vor Jahren entschieden: "Ich esse fast nur noch Lebensmittel aus meiner Region." Das sei umweltfreundlich, weil die Waren nicht via Containerschiff aus Südamerika oder Asien eingeschifft werden müssen. Und mitunter sei das Produkt auch gesünder. Immerhin 15 Kilogramm habe der einst stattliche "Tatort"-Komissar seit seiner Regional-Kur abgenommen — ohne sich dabei zeitgleich einer Diät zu unterziehen. Er isst, wie es ihm lieb ist.

Doch wie schwierig der tägliche Gang durch den Supermarkt ist, um Produkte aus seiner Heimat zu finden, zeigte sich in der eher sanft als hart verlaufenden Diskussion. Beispiel: Der originale Schwarzwälder Schinken wird, so wie es das Gesetz vorsieht, im Schwarzwald produziert, sagt Jürgen Abraham. Der Schinken-Hersteller und Ehrenvorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie deckt aber auch unverblümt auf: "Unsere Schweine kommen teils aus 600 Kilometer Entfernung — aus Dänemark, aus Belgien und zu 80 Prozent auch aus Deutschland. Aber kein einziges aus dem Schwarzwald."

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Abraham erklärt: Das Fleisch werde lediglich regional geräuchert und reift dann vier Monate. Das Schwein mit der Herkunft Belgien sei erst nach dem Produktionsprozess ein regionales Produkt aus dem Schwarzwald. Unverständlich für den Kritiker, laut Gesetz ist das aber völlig legitim. Und auch der Kunde werde durch den Aufdruck "Schwarzwälder Schinken" nicht getäuscht. Im Gesetzesbuch heißt es, wie die Sendung aufzeigt: "Regional ist alles, was aus einem Gebiet kommt, dass kleiner ist als die Bundesrepublik Deutschland." Bedeutet: Die Industrie darf aus ganz Deutschland Produkte verarbeiten, müsse aber als Beispiel lediglich auf den Import aus dem Saarland verzichten. Andererseits kann ein Kalb aus Schleswig-Holstein aber auch als regionale Weißwurst auf dem Oktoberfest in München angeboten werden.

"Es wäre schlimmer, wenn es hieße: Regional ist alles, was größer ist als die Bundesrepublik Deutschland", sagt Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der CSU, mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Wohl wissend, dass die Gesetzeslage offenbar fragwürdig ist, verteidigt der Minister diese Richtlinien. Aus Sicht des Wissenschaftsjournalisten Michael Miersch seien regionale Produkte generell fragwürdig. Beim Stichwort Energieeffizienz erläutert er: "Unsere Tiere werden in Deutschland mit Erzeugnissen aus Südamerika oder Asien gemästet." Er fragt, ob es nicht günstiger — weil energieeffizienter — sei, die Tiere nicht direkt in Südamerika zu züchten, dort zu Nahrungsprodukten zu verarbeiten und dann zu verschiffen?

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Die Runde der Experten bleibt an der Stelle verhaltend. Plasberg leitet daher auf den nächsten Schwerpunkt: Bio-Produkte oder keine Bio-Produkte. Dirk Steffens, Autor der ZDF-Doku "Projekt Hühnerhof" hatte in einem eigenen Stall getestet, wie teuer die Produktion von Öko-Hühnerfleisch ist. Ergebnis: Ein Huhn kostete an der Ladentheke letztlich 25 Euro.

"Wir sind für die ganze Gesellschaft verantwortlich. Nicht jeder kann sich für 25 Euro ein Hühnchen leisten", verteidigt Ernährungsminister Schmidt die Lebensmittelketten, die ein vergleichbares Mast-Huhn zu deutlich günstiger Konditionen anbieten. Steffens kontert: "Ist es denn ihr Ziel, Fleisch so billig zu machen, dass wir uns alle dadurch Krank essen?" Steffens bezieht sich auf Forschungsergebnisse: "Die besagen, dass wir doppelt soviel Fleisch konsumieren, als gesund ist." Schmidt wiederum sagt, Deutschland sei auf einem guten Weg. "Früher habe ein Mann pro Jahr 100 Kilo Fleisch verzehrt, heute seien es im Schnitt nur noch 61 Kilogramm.

Bei einem waren sich die Anwesenden allerdings fast einig: Die mögliche Alternative zum Huhn — einem Tofuhühnchen, das in der Sendung fachmännisch zubereitet wurde, verschmähten alle Teilnehmer. "Kann man essen", war die wohlwollende Aussage Schmidts. Und selbst die einzige Veganerin in der Runde, Journalistin Bettina Hennig, musste eingestehen: "Ich mag kein Tofuhühnchen."

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