Lauterbach bei „Hart aber fair“ „Es wird die größte Reform im Krankenhaussektor seit 20 Jahren“

Düsseldorf · Vor dem dritten Corona-Winter sind insbesondere die Krankenhäuser angeschlagen - und das nicht nur wegen der Pandemie. Während Gesundheitsminister Lauterbach bei „Hart aber Fair“ eine große Reform ankündigte, schilderte eine Krankenpflegerin erschreckende Erfahrungen aus der Berufspraxis.

 Frank Plasberg moderiert die Sendung „Hart aber fair“ noch bis Ende November 2022.

Frank Plasberg moderiert die Sendung „Hart aber fair“ noch bis Ende November 2022.

Foto: obs/Stephan Pick

Darum ging es

Frank Plasberg hatte viele Fragen vor dem anstehenden dritten Corona-Winter. Auf den Weihnachtsmärkten soll es keine Einschränkungen geben, aber die Lage in den Krankenhäusern ist immer noch angespannt - und das nicht nur wegen der Pandemie. Vom Gefühl mangelnder Unterstützung über große Reformankündigungen bis hin zu Unverständnis und überraschendem Lob für einen bekannten FDP-Politiker war alles dabei.

Die Gäste

  • Karl Lauterbach, SPD, Bundesgesundheitsminister
  • Klaus Holetschek, CSU, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege
  • Lisa Schlagheck, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster
  • Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin bei der „Süddeutschen Zeitung“
  • Martin Machowecz, Journalist, Leiter des „Zeit“-Ressorts „Streit“

Der Talkverlauf

Mit Blick auf eine mögliche Corona-Winterwelle plädierte Gesundheitsminister Lauterbach für "maßvolle Einschränkungen", wie Masken in Innenräumen oder Testpflicht vor Restaurantbesuchen: "Wenn die Leute getestet ins Restaurant gehen, schmeckt der Wein nicht schlechter." „Zeit“-Journlist Martin Machowecz konnte dafür kein Verständnis aufbringen, die Lage gebe derzeit keine Grundrechtseinschränkungen mehr her, sagte er. Angesichts der allgemein schwierigen Zeit plädierte er dafür, wieder zu einem freien Leben zurückzukehren und Isolationspflichten aufzuheben.

Lauterbach hielt das für verfrüht: "Wir sehen eine deutliche Übersterblichkeit.“ Er prognostizierte für die kommenden Monate erneut steigende Covid-Inzidenzen – durch neue, ansteckendere Varianten.

Die Lage kann sich jederzeit verschärfen", warnte auch Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin der "Süddeutschen Zeitung": So, wie in München nach dem Oktoberfest, als die Inzidenz auf 1.800 hochschnellte und "in den Kliniken wieder jede vierte OP verschoben werden musste", erklärte sie bei "Hart aber fair".

Erfahrungen aus erster Hand trug Lisa Schlagheck vor. Es gehöre zum Alltag, dass Patientinnen und Patienten auf dem Gang behandelt würden, erzählte die Krankenpflegerin von der Notaufnahme des Uniklinikums Münster: "Wir sind überlastet aufgrund der Ökonomisierung des Gesundheitswesens, aufgrund von Personalmangel. Corona ist noch das i-Tüpfelchen." Regelmäßig sei der Andrang in der Notaufnahme kaum zu bewältigen, berichtete Schlagheck und erzählte von einem Fall, bei dem sie zwischen einem schwerverletzten Unfallopfer und einem schwerkranken Patienten hin- und herrennen musste, da keine andere Pflegekraft im Dienst war.

Erst durch einen 77 Tage langen Streik, erklärte die examinierte Intensiv-Krankenpflegerin, hatte sie zusammen mit ihren Kollegen erreicht, dass sie nachts nicht mehr ganz allein die Patienten von zwei Etagen betreuen musste, wie in den acht Jahren zuvor. Ob diese Dauerbelastung in den Kliniken je abnehmen werde? Sie bezweifelte das.

"Wir spielen Tetris. Wir müssen für jeden Notfallpatienten einen Platz finden. Und das dauert manchmal Stunden", sagte Schlagheck. Ob sie sich vorstellen könne, in dem Beruf alt zu werden, wollte Plasberg von der 30-jährigen Krankenpflegerin wissen. "Nein, leider nicht", antwortete Schlagheck. Bayerns Gesundheitsminister Holetschek sprach angesichts des Personalmangels sogar von einer "humanitären Katastrophe", die sich in der Pflege anbahne.

"Ich denke, dass wir das durch Reformen in den Griff bekommen werden", versprach daraufhin Lauterbach. Durch unnötige Eingriffe hätten Krankenhäuser Gewinne erwirtschaftet, erklärte der Bundesgesundheitsminister, das Pflegepersonal habe dafür die Mehrarbeit leisten müssen. Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz soll nun Abhilfe schaffen, überflüssige Eingriffe verhindern und die umstrittenen Fallpauschalen abschaffen. Das Gesetz werde in den nächsten Monaten kommen, sagte Lauterbach, der "eine dramatische Entökonomisierung der Krankenhausversorgung" versprach.

CSU-Politiker Holetschek stimmte Lauterbach grundsätzlich zu, bemängelte aber einige handwerkliche Fehler im Gesetzesentwurf, wie beispielsweise die fehlende Berücksichtigung von Hebammen. "Wir brauchen eine Revolution der in der Pflege", forderte der bayerische Gesundheitspolitiker und sprach über bezahlbaren Wohnraum und Kinderbetreuung für Pflegekräfte.

"Es wird die größte Reform im Krankenhaussektor seit 20 Jahren", kündigte Lauterbach an: "Es wird schwer werden, der Widerstand wird gigantisch sein." Holetschek hatte angesichts der teuren Finanzierung der Krankenhausreform offenbar Bedenken, dass Finanzminister Christian Lindner von der FDP sein Veto einlegen könnte. "Der Eindruck, dass der Finanzminister stärker Gesundheitspolitik macht als der, der eigentlich das Ressort innehat, ist schon da", stichelte der bayerische Gesundheitsminister.

Daraufhin sah sich Karl Lauterbach genötigt, den Ampel-Kollegen Lindner zu verteidigen. "Das Lindner-Bashing hat ja derzeit Hochkonjunktur. Meine Zusammenarbeit mit Christian Lindner war aber immer fair", berichtete der Bundesgesundheitsminister und verwies auf das Acht-Milliarden-Euro-Paket, das er mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck ausgehandelt habe, um in Zeiten stark steigender Preise die Energieversorgung der Krankenhäuser abzusichern.

"Das ist eine Riesensumme. Da hat Christian Lindner voll mitgetragen", sagte Lauterbach. "Das ist eine Selbstverständlichkeit", warf Holetschek ein. "Wenn etwas gelungen ist, selbst mit der FDP, muss man es würdigen können, wenn es dem Bürger zugutekommt", hatte Lauterbach das letzte Wort.

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