TV-Nachlese Günther Jauch Großes Rätselraten um die Transitzonen

Düsseldorf · "Seehofers Ultimatum: Begrenzt Merkel jetzt den Flüchtlingszustrom?" lautete am Sonntagabend das Thema in der ARD-Talkrunde bei Günther Jauch. Doch die Diskussion über Transitzonen und die Organisation der deutschen Flüchtlingspolitik warf am Ende nur noch mehr Fragen zum Thema auf.

Julia Kköckner und Edmund Stoiber waren zwei der Gäste im TV-Talk von Günther Jauch zum Thema Transitzonen.

Julia Kköckner und Edmund Stoiber waren zwei der Gäste im TV-Talk von Günther Jauch zum Thema Transitzonen.

Foto: Screenshot ARD

Der Abend hätte Aufklärung bringen können. Etwa darüber, wie der Zustrom der Flüchtlinge nach Deutschland besser organisiert werden kann. Oder darüber, wie die von Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in ihrem neuen Positionspapier geplanten Transitzonen an der deutschen Grenze funktionieren sollen. Oder darüber, was Seehofers Allerheiligen-Ultimatum zur Flüchtlingspolitik nun eigentlich dem Rest der Republik gebracht hat. Stattdessen glänzten die (politischen) Gäste bei Günther Jauch am Sonntagabend jedoch vor allem mit einem: schier grenzenloser Ahnungslosigkeit.

Und das trotz des für sie ziemlich günstig aufgestellten Podiums: Denn mit CDU-Vizechefin Julia Klöckner und Bayerns ehemaligem Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) diskutierten lediglich der Deutsche-Welle-Journalist Jaafar Abdul Karim und Stoibers ehemaliger Wahlkampfberater Michael Spreng über das Thema. Vom Bündnis- und Streitpartner SPD wurde nur für fünf Minuten der stellvertretende Bundesvorsitzende Ralf Stegner zugeschaltet, und Unterstützung von der Basis bekamen die beiden Unionspolitiker obendrein noch von dem ebenfalls zugeschalteten Passauer Landrat Franz Meyer (CSU).

Transitzonen sind Transitzonen sind Transitzonen Ganz klar: Dreh- und Angelpunkt des Konfliktes zwischen Kanzlerin, der CSU um Horst Seehofer und Bündnispartner SPD bleibt weiterhin die Einrichtung von Transitzonen an der deutschen Grenze. Die Union will damit den Flüchtlingsstrom besser kontrollieren und "Menschen, die aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland kommen, wieder dahin zurückweisen", erklärte Edmund Stoiber. Die Umsetzung dieses Vorhabens sieht er in dem Positionspapier von CDU und CSU quasi als beschlossen an. Die Zahl der Flüchtlinge würde damit endlich reduziert werden. Stoiber erklärte dies mit der moralisch fragwürdigen Metapher, man würde nun "die Spreu vom Weizen trennen".

So weit, so gut. Jaafar Abdul Karim und Michael Spreng folgerten daraus jedoch, dass die deutsche Grenze mit der Einrichtung der Transitzonen geschlossen wird. Denn: "Alle Flüchtlinge, die in Deutschland einreisen, kommen ja aus sicheren Drittstaaten", so Spreng — etwa aus Österreich. Folgerichtig müssten dann alle Flüchtlinge (abgesehen von jenen, die über den Luftraum nach Deutschland gelangen) wieder des Landes verwiesen werden. Und in dieser Folge könnten es die anderen EU-Staaten Deutschland gleichtun und die Flüchtlinge immer weiter zurückweisen, "bis sie wieder auf Lampedusa ankommen", kritisierte Spreng.

Seiner These etwas Aussagekräftiges entgegensetzen, konnten daraufhin weder Stoiber noch Klöckner. Während sich Letztere am liebsten gar nicht zu dem Thema äußern wollte und lediglich anmerkte, dass es für das Ganze "kein Drehbuch" gebe, sagte Stoiber, ein paar Flüchtlinge würde man trotz Transitzonen weiterhin aufnehmen. Wie das genau ausgewählt würde, wusste er aber auch nicht zu sagen. Bloß ein Satz verriet, worauf er und seine Partei offenbar bei der Einrichtung von Transitzonen zu hoffen scheinen: "Eine europäische Lösung des Problems kann nur unter Druck entstehen", sagte Stoiber. Bewegung in der EU bei einer gemeinsamen Organisation der Verteilung der Flüchtlinge kann es für ihn also nur geben, wenn Deutschland mit den Transitzonen die sicheren Drittstaaten wie Österreich in Zugzwang bringt.

Wer hat denn nun gewonnen? Horst Seehofer und sein Ultimatum oder die Kanzlerin? Das wollte Günther Jauch ebenfalls von seinem Podium wissen und erhielt ganz unterschiedliche Antworten: Stoiber sieht das neue Positionspapier als Sieg für die CSU, Klöckner als Sieg für die CDU, Ralf Stegner spricht dem Papier jegliche Wirkungskraft ab und mahnte ein wenig beleidigt an, man möge sich einmal vorstellen, die SPD hätte ein Ultimatum wie Seehofer gestellt und dass Merkel den CSU-Mann nun eben vom Baum holen müsse. Die schlüssigste Antwort lieferte Michael Spreng: "Das Papier enthält keine wirklichen Neuigkeiten und dient einzig und allein der Gesichtswahrung Seehofers."

...freut sich zwar dem Sprichwort nach der Dritte, doch glaubt man den Ausführungen Stegners, ist der SPD gerade überhaupt nicht zum Lachen zumute. Im Gegenteil: Die Genossen sind weiterhin alles andere als begeistert von der Einrichtung von Transitzonen. Und so kündigte Stegner an, seine Partei werde sich auch am Donnerstag, wenn die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD erneut über die Asylpolitik verhandeln wollen, nicht den Positionen der Union fügen.

Am Ende war die Talkrunde von Günther Jauch vor allem eins: ein Spiegelbild der derzeitigen politischen Wirklichkeit. Ein Konsens ist nicht in Sicht, es wird weiterhin auf einer Metaebene weit weg von der Realität an der deutschen Grenze über Verfahren und Ordnung diskutiert und den Blick fürs Wesentliche, nämlich die menschenwürdige Organisation der Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU, hat die Politik längst verloren.

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(lai)
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