Düsseldorf Familienleben als Fluch und Segen

Düsseldorf · Das ZDF zeigt den Alltag einer deutschen Patchwork-Familie – Sonderprobleme inklusive.

Es ist schon eine Krux mit diesen Kindern: Als hätte der nach einem Burnout gerade aus der Klinik zurückgekehrte Jochen Windscheidt (Hendrik Duryn,) nicht genügend Probleme, muss er sich jetzt auch noch mit pubertierenden Teenagern herumschlagen. Seine Tochter Marie fühlt sich vernachlässigt und Florian, der Sohn seiner Frau Susanne (Anja Kling), bessert sich sein Taschengeld mit Drogenverkäufen auf. Susanne ist als Chefin der Arbeitsagentur chronisch gestresst. Nur der kleine gemeinsame Sohn Benni hält die Familie stabil – außer einigen aus dem Kindergarten importierten Läusen auf dem Kopf hat er gerade keine größeren Probleme.

Das ist, kurz beschrieben, der Alltag der Familie Windscheidt. Doch das ist natürlich noch nicht alles. Denn Susanne Windscheidts Mutter ist dement, und die Entscheidung, was mit ihr geschehen soll, bringt den Familienrat an seine Grenzen. Als kleine Zugabe auf den Problemberg räumt Jochens Partner noch schnell das Konto des gemeinsamen Architekturbüros leer und taucht unter. Und nun?

Viele Familienserien tragen das Siegel "realitätsfremd, aber immerhin unterhaltsam"– das weiß auch das ZDF. Nun soll die Tragikkomödie "Die Windscheidts – der ganz normale Wahnsinn" mit dieser lauen Tradition brechen. Gesucht war die deutsche Durchschnittsfamilie, doch weil die allein wohl doch wieder zu heil wirken könnte, musste der Alltags-Verschärfer "Patchwork" her. Und damit das Experiment auch wirklich glückt, lässt Drehbuch-Autor Martin Rauhaus vorsichtshalber gleich eine ganze Ladung an Alltagskatastrophen auf den Zuschauer los. Ob das Konglomerat aus suizidgefährdetem Vater, drogendealendem Sohn und überarbeiteter Mutter noch dem Ansatz entspricht, "Gesellschaft zu erzählen" (wie es Fernsehspielchef Reinhold Elschot formulierte), ist fragwürdig. Langweilig wird es jedenfalls nicht. Mit hohem Tempo geht es durch die 90 Minuten und in vielen Szenen ist Regisseurin Isabel Kleefeld hervorragend nah dran: Wenn sich Susanne und Jochen über die aktuelle Regierung und Hartz IV aufregen, oder die Tagung um Omas Demenzerkrankung mit dem Satz "Jetzt trinken wir erst mal Kaffee" verschieben. Denn vorbei ist es wohl noch nicht: Bei Erfolg soll das Familienleben der Windscheidts als Filmreihe weitergehen.

(RP)
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