Quatsch mit Kino-Soße Falscher Ton im München-"Tatort"

München · Wenn Grimme-Preisträger Dominik Graf Regie führt, kommt Filmkunst dabei heraus. Aber kein Krimi.

 So sieht es aus, wenn ein "Tatort" Kunst werden muss.

So sieht es aus, wenn ein "Tatort" Kunst werden muss.

Foto: BR/Frederic Batier

Normalerweise sind die "Tatort"-Folgen mit dem im Dienst ergrauten Kommissar-Duo Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) solide Sonntagabend-Krimiware. Aus unerfindlichen Gründen packt den Bayerischen Rundfunk aber mit unschöner Regelmäßigkeit der Ehrgeiz, daraus "Filmkunst" machen zu müssen. Und gerne wird dann Dominik Graf engagiert, der Rekord-Grimmepreisträger unter den deutschen Regisseuren, die international zu Recht keine Rolle spielen.

Und entsprechend ist auch die Folge "Aus der Tiefe der Zeit" ausgefallen. Mal davon abgesehen, dass die Figuren allesamt einem Panoptikum entsprungen sind, nervt 90 Minuten lang der Ton dieses "Tatort". Es gibt kaum eine Szene, in der nicht infernalischer Bau-, Verkehrs- oder Musiklärm veranstaltet wird.

Graf-Fans werden das für ein typisches Merkmal seiner Filmkunst halten. Aber die werden auch den ständig wiederholten Gag beklatschen, dass Leitmayr der Kaffee aus dem Automaten zu heiß ist, und er ihn vor dem Trinken im Kühlschrank abstellt.

Wer sich künstlerisch daran erfreut, wo Graf seine Bildsprache herholt (Italien, 70er Jahre), hat einen netten Abend. Der durchschnittliche "Tatort"-Fan erlebt eher Quatsch mit um jeden Preis gewollter Kino-Soße. Es geht um Bau-Skandale und Korruption, das große verbrecherische Monopoly um die besten Viertel der Stadt, um buchstäbliche Leichen im Keller und immer wieder kroatische Neo-Faschisten.

Was deren Funktion ist, außer Miroslav Nemec ein paar Sätze in seiner Muttersprache sagen zu lassen (und Grafs Lieblingsschauspieler Misel Maticevic eine Rolle zuzuschanzen), erschließt sich aus der Handlung freilich nicht.

Im Mittelpunkt steht die völlig durchgeknallte Familie einer alternden Kunstschützin, deren Schwiegertochter (sensationell: Meret Becker) vielleicht die Verrückteste in diesem wüsten Durcheinander ist.

Die nächste Grimmepreis-Nominierung dürfte Graf mit diesem "Tatort" sicher sein, eine hohe Abschaltquote nach den ersten 15 Minuten ist der ARD am Sonntagabend jedoch ebenso sicher.

(RP)
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