Fernsehfilm "Es ist alles in Ordnung" Gewalt hinter Reihenhaus-Fassade

Berlin · Die preisgekrönte Regisseurin Nicole Weegmann hat sich schon mit "Ihr könnt euch niemals sicher sein" und "Mobbing" gesellschaftliche Problemen aufgegriffen. Nun geht es um familiäre Gewalt.

Das ist der ARD-Film "Es ist alles in Ordnung"
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"War herrlich", schwärmt die Mittdreißigerin Birgit (Silke Bodenbender) ihrer Reihenhaus-Nachbarin nach dem Familienurlaub in Holland vor. Doch sah die Realität oft anders aus: Es gab nicht nur Spannungen am Strand, sondern auf der Rückfahrt im Auto auch einen handfesten Krach zwischen ihrem Mann Andreas (Mark Waschke) und Sarah (Sinje Irslinger), ihrer Tochter aus erster Ehe.

Woraufhin Andreas die 13-Jährige, die den Streit dreist provoziert hatte, wutentbrannt an der Raststätte zurückließ. Von Schein und Sein eines bürgerlichen Familienlebens, von Aggression und Gewalt hinter gepflegter Fassade erzählt die 1966 geborene Regisseurin und Grimme-Preisträgerin Nicole Weegmann ("Mobbing") so eindringlich wie differenziert in ihrem Spielfilm "Es ist alles in Ordnung", der am Mittwoch um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen ist.

Dabei müssen die Verhältnisse hier erst zu einer wahrhaft abgründigen Situation eskalieren, damit die stets einem Traumbild von Harmonie nachjagende Silke ihre Passivität aufgibt und endlich handelt. Selbst vaterlos aufgewachsen, ist schließlich für sie eine intakte (Patchwork-)Familie etwas, das sie sich selbst und der übrigen Welt um nahezu jeden Preis bieten will.

Dafür beteuert sie schon mal, die blauen Flecke auf Sarahs Körper stammten "vom Turnen". Die von ihr wegen "klarer Verhältnisse" angestrebte Adoption ihrer Tochter durch den Stiefvater erweist sich dann jedenfalls nicht als das Mittel, den Frieden im Haus herzustellen - im Gegenteil. Die Pubertierende fühlt sich noch weniger verstanden, provoziert mit ihrer flinken Zunge umso mehr. Wobei ihrem leiblichen Vater die ganze Sache ziemlich egal ist.

Wechselbad der Gefühle

Packend feinfühlig setzen die Darsteller, zu denen auch der kleine Caemon van Erp als siebenjähriger Sohn Philipp gehört, das Drehbuch von Christina Ebelt und Ingo Haeb um. Das zeigt Menschen in ihrer Fehlbarkeit, verzichtet zugleich auf allzu simple Schuld-Zuschreibungen. So kommt es auch für den Zuschauer zu Wechselbädern der Gefühle bei diesem Beitrag von 2Pilots Filmproduktion im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und der ARD.

Der brutal reagierende Stiefvater und die wegguckende Mutter als Mittäterin ziehen nicht nur Ablehnung und Verurteilung auf sich. Und die im Kern traurige, sich alleingelassen fühlende Tennager-Tochter darf nicht nur auf Verständnis hoffen. Geschädigter bleibt allemal der kleine Philipp, der sich nach den Gesetzen der Psychologie bereits als nächster Kandidat für einschlägige Beziehungsdesaster empfiehlt.

Zur Ausdrucksstärke des Films trägt auch die Kameraführung von Ngo The Chau bei. Das verlogene Familienglück fängt er in fahlen Farben ein. Bettina Schmidt hat dabei für ein Szenenbild gesorgt, das immer wieder Enge, Leb- und Ausweglosigkeit suggeriert - so endet ein Blick aus dem Fenster nach plattem, kahlen Land schon bald am dunklen Waldrand.

(dpa)
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